Auch wenn man ganz tief drin ist in der Automobil-Geschichte, so erlebt man doch immer wieder Überraschungen. Und so stiessen wir kürzlich bei der Durchsicht der Angebote von Bonhams für die Auktion auf Amelia Island (20. Mai) auf den RGS Atalanta von 1953. Wir hatten das Auto noch nie gesehen geschweige denn von der Marke gehört.
Man geht dann über die Bücher sowie auf Spurensuche. Und stösst dann zuerst einmal auf Atalanta, einen der vielen Kleinsthersteller, der vor dem 2. Weltkrieg in England existierte. Und da auf einen interessanten Namen: Peter Gough, einst Chefingenieur von Frazer-Nash. Dort hatte er noch einen Vierzylinder-Rennmotor entwickelt, den Frazer-Nash aber nie einsetzte, was Gough dazu bewegte, 1936 seine eigene Marke zu gründen. Er hatte mit 20’000 Pfund dafür auch ein gutes Startkapital zusammengebracht, zu seinen Unterstützern gehörten unter anderem der spätere Le-Mans-Sieger Peter Whitehead und A.C. Bertelli (Aston Martin). Gough hatte aber nicht nur eine feine Maschine, sondern auch ein ganz besonderes Fahrwerk, Einzelradaufhängung an allen vier Rädern, etwas, was es damals auf der Insel so wohl noch nicht gab. Atalanta baute aber trotzdem nur einige wenige Fahrzeuge, man spricht von etwa 20, 1939 war aus verständlichen Gründen schon wieder fertig, obwohl Gough auch noch den V12 aus dem Lincoln Zephyr in Kur nahm und anscheinend deutlich verbessern konnte.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde Atalanta von Richard «Dick» Shattock übernommen, einem Offizier der British Army. Shattock war im Krieg zwar Panzerfahrer gewesen, hatte aber auch ein grosser Flair für Rennsport – und war vor allem überzeugt vom Fahrwerk, das Peter Gough konstruiert hatte. Zwar gibt es ein Buch über die «neue» Marke RGS Atalanta, verfasst vom Sohn von Shattock, doch auch da wird nicht ganz klar, wie viele Fahrzeuge denn nun tatsächlich gebaut wurden, wahrscheinlich waren es 11.
Und nicht einmal die Geschichte des hier gezeigten Fahrzeugs ist ganz klar. Man darf davon ausgehen, dass Shattock dieses Fahrzeug 1953 für sich selber baute, Einzelradaufhängung, ein modifizierter Motor aus einem Jaguar XK120, ein Aufbau von John Griffiths. Da fangen die Probleme aber schon an: Es ist durchaus möglich, dass diese erste Alu-Karosse geschlossen war. Als ein gewisser Sam Tayloe das Fahrzeug aber in den 70er Jahren in die USA importierte, war es auf jeden Fall (und damals noch weiss mit einem grünen Streifen). Bonhams sieht den Schätzpreis für diesen einzigartigen RGS Atalanta zwischen 300’000 und 500’000 Dollar – die grosse Spanne weist darauf hin, dass das Auktionshaus selber nicht so genau einschätzen kann, was dieses Nischen-Produkt aus der Automobil-Geschichte wirklich wert ist.
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