Seit 2019 ist der M8 das Top-Modell von BMW. Was weniger bekannt ist: Bereits vor rund 30 Jahren stand ein Modell in den Startlöchern, das den gleichen Namen tragen sollte. Die Ingenieure entwickelten gegen Anfang der 1990er-Jahre einen BMW M8 Prototyp auf Basis des damaligen 8er Coupé der Baureihe E31 – streng geheim, versteht sich. Überhaupt blieb der erste M8 lange im Verborgenen, erst im Jahr 2010 lüftete sich das Geheimnis um den Sportwagen der Superlative. Sein Schicksal führte ihn zwar nie als Serienmodell auf die Strasse, doch der einzigartige Prototyp von damals hätte sicher rund um den Globus hohe Wellen geschlagen.
Herzstück und hervorstechendes Merkmal des BMW M8 E31 Prototyps ist sein grossvolumiger Motor mit 6,0 Litern Hubraum. V12-Motoren gehören für Automobilenthusiasten seit jeher zur Oberliga, dieses Exemplar ist jedoch ein besonderes Unikat: Das Aggregat, eigens von dem für Höchstleistungen bekannten Triebwerk mit der internen Bezeichnung S70 abgeleitet (der ähnlich auch im McLaren F1 arbeitete), verknüpft Souveränität, Laufruhe und ein enormes Leistungspotenzial mit einer beeindruckenden Optik. Aus den zahlreichen technischen Highlights stechen die gut sichtbare, vollständig aus Kohlefaser gefertigte Ansauganlage und die anstelle klassischer Drosselklappen eingesetzten Walzenschieber hervor. Neben dem Gewichtsvorteil ermöglichen die Bauteile insbesondere eine ungehinderte Durchströmung bei Volllast. Höchstleistung stand bei der Entwicklung ganz oben im Lastenheft: Die M-Variante des Coupés der Baureihe E31 wäre zu Beginn der 90er-Jahre mit bis zu 640 PS beinahe konkurrenzlos stark motorisiert auf die Straße gerollt. Zum Vergleich: Der damals stärkste BMW 8er hörte auf den Namen BMW 850CSi und leistete 380 PS. In Verbindung mit dem manuellen 6-Gang-Schaltgetriebe sprintet der BMW M8 Prototyp innerhalb kürzester Zeit auf 100 km/h. Offizielle Messungen wurden nicht durchgeführt, doch der BMW 850CSi von 1992 kann als Vergleich herangezogen werden: Er vollführte diese Übung bereits in weniger als 6,0 Sekunden. Auch die Höchstgeschwindigkeit des Über-8ers spricht eine deutliche Sprache: Die Beschleunigung des Prototyps findet erst bei mehr als 300 km/h ein Ende – Werte, die bereits damals für Begeisterung in der Fachwelt gesorgt hätten. Selbst nach heutigen Maßstäben sprechen die Zahlen für einen Gran Turismo der obersten Liga.
Abgesehen von der auffälligen Lackierung in «Hellrot» präsentiert sich der BMW M8 Prototyp zurückhaltend, angesichts dessen, was unter seiner fortschrittlichen Karosserie steckt. Und doch stechen gegenüber dem normalen 8er der Baureihe E31 mehrere Exterieur-Merkmale heraus, die den M spezifischen Charakter des Gentleman-Racers unterstreichen. Sofort ins Auge fallen die aerodynamisch geformten Rennsport-Aussenspiegel und die weit ausgestellten Radhäuser. Letztere erinnern an den legendären BMW M3 der ersten Generation und werden von den grossen Lufteinlässen vor den Hinterrädern zusätzlich betont. Zudem schaffen die Verbreiterungen auf der Antriebsachse Platz für eine deutlich breitere Spur. Neben dem satten Auftritt profitiert davon vor allem die Fahrdynamik. Auch das Thema der rotierenden Massen wurde beim Antriebsstrang nicht ausser Acht gelassen. Ein sichtbares Beispiel hierfür sind die enorm aufwendig gefertigten Fünfspeichen-Räder aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, kurz: Carbon.
Ein weiterer Unterschied zu den serienmässigen BMW 8er Modellen findet sich an der Front, genauer, auf der Motorhaube: Der M8 Prototyp besitzt keine Klappscheinwerfer wie seinerzeit alle Modelle der Baureihe E31. Stattdessen sind Abblend- und Fernlicht komplett im Stossfänger integriert. Der Grund: Durch die einteilige Motorhaube ohne zusätzliche Spalten, die für zusätzliche Luftwirbel sorgen können, entsteht eine deutlich bessere Aerodynamik. Das macht sich vor allem bei hohen Geschwindigkeiten bemerkbar. Kaum sichtbar sind hingegen die vielen Leichtbau-Komponenten der Karosserie. So sind Türen, Kofferraumklappe und Motorhaube aus leichtem GFK gefertigt. Das Ergebnis ist durchaus beeindruckend: Weniger als 1450 Kilogramm bringt das Hochleistungscoupé auf die Waage. Der Innenraum des faszinierenden Prototyps ist in Anbetracht des sportlichen Charakters auf eine angemessene Performance getrimmt. Insbesondere die eng geschnittenen Schalensitze zeugen von kompromisslosem Seitenhalt, die Sabelt-Sicherheitsgurte aus dem Motorsportbereich setzen einen farblichen Kontrast. Hinzu kommen ein kurzer Schalthebel für schnelle Gangwechsel und Zusatzinstrumente in der dem Fahrer zugeneigten Mitte des Armaturenbretts. Edel und sportlich: die grosszügige Alcantara-Ausstattung. Sie reicht von den Türtafeln über das komplette Armaturenbrett bis zur Mittelkonsole.
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