Der Verbrennungsmotor scheint durch eine restriktive Umweltpolitik dem Untergang geweiht zu sein. Das ist die traurige Tatsache, mit der sich alle Autoliebhaber abfinden müssen. Nicht ohne Wehmut, muss man sagen. Wohl wissend, wie schwer es seinen Kunden fällt, sich mit diesem Gedanken anzufreunden, aber auch, weil man glühende Verfechter des Verbrennungsmotors in seinen Reihen hat, arbeiten verschiedene Akteure der Branche hart daran, einen Weg zu finden, um ihre Verbrennungsmotoren noch sauberer zu machen und irgendwie zu retten. Für einige Hersteller, darunter Porsche, liegt die Lösung in synthetischen Kraftstoffen (hier zum Bericht). Andere hingegen setzen auf eine zweite Lösung: Wasserstoff-Verbrennungsmotoren. Die bereits vor einigen Jahren von Herstellern wie BMW und Mazda getestete Technologie wurde kürzlich von Toyota wieder aufs Parkett gebracht. Dazu ist in den Fachmedien viel Tinte geflossen. Angesichts des Aufsehens, das man damit erregte, hat der Hersteller die Technologie nun weiter verfeinert und seine Experten angeregt, das Gespräch mit einer kleinen Handvoll Medien in Europa zu suchen, darunter auch die AUTOMOBIL REVUE.
Bei der Entwicklung seines Wasserstoff-Verbrennungsmotors hat das japanische Unternehmen nicht bei null angefangen. Toyota hat einen seiner spektakulärsten Motoren aus dem Regal geholt. Nein, nicht den Vierzylindermotor mit Atkinson-Zyklus aus dem Prius, sondern den kleinen 1.6-Liter-Dreizylinder aus dem ziemlich wilden GR Yaris. Überraschenderweise waren an diesem Motor nicht so viele Modifikationen notwendig, wie man meinen könnte. Für Toyota waren diese technischen Gemeinsamkeiten von grösster Bedeutung, wie Naoaki Ito, verantwortlicher Chefingenieur des Projekts, erklärt: «Der Wasserstoffmotor entspricht im Grunde dem Dreizylinder-Benzinmotor des Yaris GR. Wir wollten zeigen, dass es möglich ist, bestehende Automotoren in Wasserstoff-Verbrennungsmotoren umzurüsten.»
Nun, damit hätte Toyota bewiesen, dass es möglich ist, viele bestehende Motoren an die Verbrennung von Wasserstoff anzupassen: «Wir haben darüber hinaus versucht, die Umrüstung ohne grosse Änderungen an den Komponenten zu bewerkstelligen», so Naoaki Ito. Auch dies könnte sich als formidable Waffe für den unter Beschuss geratenen Verbrennungsmotor erweisen.
Ein Langzeitprojekt
Es bleibt allerdings die Tatsache, dass Wasserstoff eine höhere Zündtemperatur hat als Benzin. Das wirft die Frage auf, welche Lösungen Toyota gefunden hat, um sicherzustellen, dass sein Dreizylindermotor der stabilen Verbrennung von Wasserstoff standhalten kann. «Wir arbeiten bereits seit einigen Jahren daran, und die Aufgabe ist alles andere als einfach», erinnert sich Naoaki Ito. Er fährt fort: «Um einen reibungslosen Start des Motors zu ermöglichen, haben wir einen Ansatz mit zwei Kraftstoffarten getestet, bei dem 50 Prozent Benzin und 50 Prozent Wasserstoff zum Einsatz kommen. 2016 hatte Morizo selbst das Auto getestet.» Wer ist Morizo? Die Person namens Morizo ist kein Geringerer als Akio Toyoda, der Präsident der Toyota Motor Corporation, höchstpersönlich. Der Mann ist leidenschaftlicher Autofan – das mag logisch erscheinen, ist aber leider kein Kriterium mehr, um CEO eines Automobilherstellers zu werden – und lässt keine Gelegenheit aus, sich hinter das Steuer seiner Fahrzeuge zu setzen. Das Experiment erwies sich als schlüssig, aber der Chef wollte noch weiter gehen: Er wollte seinen Motor ohne den geringsten CO2-Ausstoss zum Laufen bringen. Also wiederholte Toyota das Experiment, allerdings mit 100 Prozent Wasserstoff: «Leider gab der Motor nach fünf Minuten den Geist auf», erinnert sich Naoaki Ito. Um das Problem zu lösen, überarbeiteten die Ingenieure verschiedene Aspekte der Technologie, angefangen bei den Einspritzdüsen.
In einem Benzinmotor wird das Benzin normalerweise durch Injektoren als winzige Flüssigkeitspartikel in den Brennraum gespritzt. Hierin liegt ein grosser Unterschied zum Wasserstoffmotor, bei dem der Treibstoff ein Gas ist. «Es hat viel Zeit, Mühe und Arbeit gekostet, eine Technologie zu entwickeln, mit der Wasserstoff stabil und effizient direkt in die Brennkammer eingespritzt werden kann», sagt Naoaki Ito – mehr Details will er aber nicht verraten. Diese Entwicklung wurde von Toyota-Tochter Denso übernommen: «Man besitzt dort lange Erfahrung in der Entwicklung von Einspritzanlagen», berichtet Ito nicht ohne Stolz.
Unterstützung vom Mirai
Die zweite Herausforderung, mit der Toyota konfrontiert war, betraf die Wasserstofftanks. Auch hier nutzte Toyota sein Know-how durch die Nutzung einer bereits erprobten Technologie. Für den Mirai, das Brennstoffzellenfahrzeug des Unternehmens, hatte der Konzern einen Tank entwickelt, der Wasserstoff unter hohem Druck sicher speichern kann. Denn obwohl die Brennstoffzelle des Mirai ganz anders funktioniert als der Wasserstoff-Verbrennungsmotor, ist die Art und Weise, wie der Wasserstoff mitgeführt wird, beim Verbrennungsmotor absolut identisch. Doch während der Mirai lediglich drei verschieden grosse Tanks hat, hat das Fahrzeug mit dem Wasserstoff-Verbrennungsmotor gleich vier Tanks an Bord: zwei mittelgrosse und zwei etwas kleinere. Diese fassen zusammen 180 Liter Wasserstoff, deutlich mehr als die 141 Liter des Mirai. Warum wird im Konzeptfahrzeug bereits ein so grosses Fassungsvermögen benötigt? Weil es eben nicht einfach nur ein Konzept ist: Das Auto musste sich im April beim 24-Stunden-Rennen auf dem Fuji-Raceway einer Härteprobe unterziehen. Während sich die meisten Hersteller bei einer derart neuen Technologie darauf beschränkt hätten, diese in ein Konzeptauto einzubauen und es zum Goodwood Festival of Speed zu schicken – nur so als Beispiel –, hat sich Toyota gedacht, dass es wohl keinen besseren Test gebe als ein 24-Stunden-Rennen. «Rennstrecken stellen eine echte Herausforderung dar, die sich von einer Fahrt durch die Stadt oder auf einer gewöhnlichen Teststrecke unterscheidet. Wir wissen noch nicht, welche Probleme diese neue Technologie mit sich bringen wird», teilte Toyota damals mit.
«Fabelhafte Emotionen»
«Und vor allem löst der von Toyota gebaute Prototyp fabelhafte Emotionen aus, die Autoliebhaber so lieben, vor allem dank der Geräusche und Vibrationen, die die Technologie mit sich bringt», erklärt Koji Sato, Präsident von Gazoo Racing. Tatsächlich erzeugt der wasserstoffbetriebene Toyota Corolla als echter Rennwagen einen ziemlich coolen Sound (hier zum Video). Nicht schlecht jedenfalls für ein Auto, das nur Wasser ausstösst, oder?
Also wurden die vier Wasserstofftanks in einen Corolla gezwängt, dort, wo normalerweise die Rückbank ist. Doch während Autos, die für den Stadtverkehr entwickelt wurden, unter strengen Bedingungen getestet werden, ist ein 24-Stunden-Langstreckenrennen weitaus gefährlicher. Im Renneinsatz fahren die Autos ständig unter Volllast, was zu einem stetigen Temperaturabfall im Wasserstofftank führt, eine neue Herausforderung für die japanischen Ingenieure. Aber auch das war nicht das Hauptproblem. Im Rennsport besteht jederzeit die Gefahr eines Unfalls. Deshalb haben die Ingenieure bei der Vorbereitung des Wagens ein recht aussergewöhnliches Experiment durchgeführt. Das als Penetrationstest bekannte Verfahren wurde entwickelt, um zu testen, ob scharfe, schnelle Geschosse eine Panzerung durchdringen können. Um die Bedingungen eines solchen Szenarios nachzustellen, feuerten die Ingenieure 400 Gramm schwere spitze Gegenstände mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h auf den Wasserstofftank ab. Obwohl die Tests erfolgreich waren, wollten die Toyota-Ingenieure ganz sicher gehen und brachten zusätzlich noch Karbonplatten um die vier Tanks herum an – denn Morizo, oder besser Akio Toyoda, also der Chef, sollte als Teil des Teams bei diesem Abenteuer mit von der Partie sein. Da wollten die Verantwortlichen kein Risiko eingehen. Abgesehen vom Antriebstrang wurde der Corolla-Rennwagen bis auf den Allradantrieb, den man sich ebenfalls vom GR Yaris ausgeliehen hat, in keiner Weise modifiziert.
Luft nach oben im Renneinsatz
Es ist ein Zeichen dafür, dass Toyotas Technologie noch in den Kinderschuhen steckt: Bei seinem Ersteinsatz beim 24-Stunden-Rennen auf dem Fuji-Raceway in Japan verbrachte der wasserstoffbetriebene Corolla mehr Zeit in der Box als auf der Rennstrecke. Dort mussten «zahlreiche Reparaturen und Sicherheitschecks» durchgeführt werden, wie Toyota mitteilt. Ausserdem dauerte es vier Stunden, um das Fahrzeug mit Wasserstoff zu betanken. Damit legte der Wasserstoff-Corolla weniger als die Hälfte der Strecke des Siegerautos zurück. Für Toyota ist diese Leistung jedoch nicht minder bedeutend, wie Akio Toyoda, Konzernchef und selber Pilot des Corolla, erklärt: «Es ist unglaublich, dass wir das Rennen beendet haben. Das bedeutet, dass wir mehr als 1500 Kilometer zurückgelegt haben!» Tatsächlich hat der modifizierte Corolla mit GR Yaris-Antrieb in 24 Stunden 1634 Kilometer zurückgelegt. «Dank dieser ersten Erfahrung wissen wir jetzt, wo die Probleme liegen. Dies wird uns helfen, die Technologie weiter zu entwickeln.» Aus dem Mund von Toyotas oberstem Chef sind diese Worte durchaus ermutigend für die Zukunft dieser Technologie.
«Wasserstoff-Verbrennungsmotoren stellen ein bisher wenig bekanntes Potenzial für den Motorsport der Zukunft dar», ist Akio Toyoda überzeugt. Die Technologie des Wasserstoff-Verbrennungsmotors soll in der Welt des Motorsports eine echte Zukunft haben – so jedenfalls das Fazit, das man aus dem 24-Stunden-Rennen ziehen kann. Seine Zukunft im Alltag scheint dagegen weit weniger sicher, und zwar wegen des Wirkungsgrades: Während eine Brennstoffzelle einen Wirkungsgrad von rund 60 Prozent erreicht, übersteigt der Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors selten 40 Prozent. Und das gilt auch für den Wasserstoffverbrenner. In einer Welt, in der Energiefragen zum Hauptthema werden, spricht viel dafür, dass der Verbrennungsmotor durch die Brennstoffzelle ersetzt wird. Aber wer weiss, die Hoffnung stirbt zuletzt.