Der Toyota MR (W20 bot Formel-1-Feeling für den Alltag.
- Berühmt als «Mister Two»
- 137’000 Exemplare verkauft
- «Wenn er etwas langsamer wäre, wäre er ein Ferrari»
1990 war das Jahr, in dem die Freiheit zurückkehrte. Deutschland feierte seine Wiedervereinigung, West und Ost näherten sich an und die fast ausgestorbene Gattung der Sportwagen mit freiem Blick zum Himmel erlebte ein Revival. Ganz so grenzenlos offen wie der neue Mazda MX-5 gab sich der gleichzeitig präsentierte Toyota MR2 (W20) zwar nicht. Aber sein luftiges T-Bar-Roof mit herausnehmbaren Glasdachhälften genügte, um «Mister Two», wie Fans den kompakten zweisitzigen Klappscheinwerfer-Racer nennen, auch gegen Roadster reüssieren zu lassen. Vor allem jedoch war es das Fahrspass garantierende Mittelmotor-Konzept, mit dem dieser hierzulande bis zu 129 kW/175 PS starke Toyota die Erfolgsgeschichte seines schon 1984 eingeführten Vorgängers MR2 (W10) fortschrieb. Hatte der legendäre VW-Porsche 914 einst als erster Mittelmotor-Sportler die Produktionsmarke von 100’000 Einheiten übertroffen, wollten die Japaner mit dem aus der Formel 1 übernommenen Motorenlayout nun einen Allzeit-Bestwert setzen. Tatsächlich fand der elf Jahre lang gebaute MR2 (W20) weltweit rund 137’000 Fans, das trieb die Gesamtverkaufszahlen des MR2 Richtung 300’000 Einheiten und damit auf einen bis heute gültigen Rekordwert für Mittelmotor-Sportler.
Superlative setzte dieser Toyota aber auch in Sachen Tempo, denn 1992 erzielte Dennis Aase, Werksrennfahrer von Toyota USA, mit einem auf 363 kW/494 PS nachgeschärften MR2 exakt 339,686 km/h und damit einen über zwei Jahrzehnte gültigen Klassen-Weltrekord. Anschliessend adaptierten die japanischen Sard MC8-R Le-Mans-Renner die Toyota-MR2-Technik, konnten sich aber weder an der Sarthe noch in Suzuka gegen die etablierten europäischen Rivalen durchsetzen. Das gelang dem seriennäheren Toyota MR2 JGTC dafür in der japanischen Grand Touring Championship, wo er BMW M3, Porsche 911 oder Ferrari F355 seinen gewaltigen Heckspoiler zeigte und sich gleich in zwei Jahren den GT300-Titel sicherte. Vor allem demonstrierte der bisweilen als «Arme-Leute-Ferrari» belächelte MR2 auf diese Weise, dass er nicht nur gewisse optische Ähnlichkeiten mit dem Ferrari 348 aufwies, sondern sich auch im Motorsport mit Maranello-Rennern messen konnte. Toyota USA warb für den dort 175 kW/200 PS freisetzenden MR2 Turbo deshalb sogar selbstbewusst: «Wenn er etwas langsamer wäre, wäre er ein Ferrari», denn mit einem Sprintwert von 6,2 Sekunden für den Spurt auf 60 mp/h (96 km/h) deklassierte der Samurai klar den vier Mal kostspieligeren Ferrari Mondial.
Was die statusbewusste Ferrari-Klientel natürlich nicht kümmerte, schliesslich sollte der Toyota weniger wohlhabende Käufer ansprechen, die sich sonst für Breitensportler wie Honda CRX, Mazda MX-5, Lotus/Kia Elan oder ab Mitte der 1990er auch Fiat Barchetta und MGF interessierten. Nur der MGF vertraute ebenfalls auf den Motor in der Mitte zugunsten optimaler Achslastverteilung zwischen vorn und hinten, an den Erfolg und Kultstatus des MR2 (W20) konnte er jedoch ebenso wenig anknüpfen wie der Lotus Elan, für den die Engländer vergeblich auf eine Vertriebskooperation mit Toyota hofften. Tatsächlich ähneln sich Toyota MR2 und Elan auch optisch, sind sie doch beide Trendsetter für das in den 1990ern angesagte organische Biodesign mit runden Formen ohne die scharfen Ecken und Kanten, wie sie zuletzt der keilförmige erste MR2 (W10) zur Schau gestellt hatte. Gleichzeitig streckte sich Mister Two (W20) auf das neue Gardemass von 4,18 Meter, gegenüber dem Vorgänger ein Längenzuwachs um 26 Zentimeter.
Hinter den eng geschnittenen Sportsitzen des ansonsten grösseren MR2 (W20) fand so ein vollkommen neuer, deutlich voluminöserer 2,0-Liter-16-Ventiler Platz, der seine Kraft klassisch auf die Hinterräder übertrug und als «midship-rear» dem zweisitzigen MR2 weiterhin seinen Namen gab. Wie in der Formel 1 förderte die Konzentration der Massen in der Mitte die Handlichkeit und die Fachmedien jubelten, dass das Auto deshalb agiler als Fronttriebler in jede Kurve schwenkte. Vor allem gelang es Toyota, die begierige Bereitschaft des Sportlers zur Richtungsänderung in sicheren Grenzen zu halten und so die bei Mittelmotor-Sportwagen gefürchteten, unvermittelten übermütigen Dreher zu vermeiden.
Zwar begnügte sich der MR2 in der Schweiz anfangs mit 115 kW/156 PS, dennoch konnte Toyota stolz auf ein Leistungsgewicht von nur 7,6 Kilogramm pro PS verweisen, damals ein Wert im Bereich von Supersportwagen. Ernsthaft mit V12-Boliden messen konnten sich allerdings nur die auf manchen Märkten verfügbaren bis zu 165 kW/225 PS starken 2,2-Liter-Turbos, die den MR2 in gut fünf Sekunden auf Tempo 100 schossen. Zum bösen Biest für Nippons Strassen mutierten mit Wasabi gewürzte Spezialitäten von TRD (Toyota Racing Development), die unter dem Typencode TRD 2000GT nur an 35 finanzstarke japanische Kunden ausgeliefert wurden und deren extrabreite Fiberglas-Karosserien bis zu 368 kW/500 PS freisetzende Vierzylinder-Triebwerke verbargen.
Stichwort Karosserie: Auch dabei bot der vorzugsweise magmarot lackierte Sportwagen je nach Markt Vielfalt, die Toyota provozierend als «sexy Kama Sutra» anpries. Neben dem Sonnenstürmer mit T-bar gab es geschlossene MR2 Coupés und in der 1996 von TRD aufgelegten Sonderedition MR Spider legte Mister Two sogar seinen Targa-Bügel ab, zeigte sich stattdessen als zweisitziges Vollcabriolet mit klassischem Stoffverdeck. Gleiches galt 1996 für den MRJ, allerdings blieb dieser Spider mit versenkbarem Kohlefaserdach Einzelstück und früher Vorbote für die drei Jahre später lancierte dritte MR2 Generation, die nun die reine Lehre vom puristischen Roadster verkörperte. «Forever Young», dieses Credo beherzigte der MR2 (W20) gleich in mehrfacher Hinsicht. Mit einer Produktionszeit von zwölf Jahren wurde dieser Mittelmotor-Typ länger gebaut als alle anderen Toyota-Sportwagen und noch 2016 zeigte er sich frisch für einen in den USA vorgestellte Umbau namens «White Lightning», der mit der Gewalt von angeblich 828 kW/1126 PS in der globalen Tuning-Szene Schlagzeilen machte. Aber auch in Konsolenspielen wie Gran Turismo zählt der MR2 zu den Favoriten.
Trotz legendärer Zuverlässigkeit dieses MR2 haben jedoch nur wenige der Runabouts überlebt, was vor allem an einer Gebrauchtwagenkarriere der T-bar-Renner als verbastelte Möchtegern-Ferrari vor Diskotheken und Spielhallen liegt. Bleibt die Frage, warum die Produktionsgeschichte der Mittelmotorsportler aus Toyota City mit der dritten Generation des MR2 (W30) im Jahr 2007 zum Finale kam. Es erging dem MR2 damals nicht anders als seinen Rivalen, kleine Sportwagen kamen weltweit aus der Mode; allein der Mazda MX-5 hält bis heute durch. (SP-X/AR)
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Online entsteht ausserdem eine Reihe mit diesen Kult-Autos aus Japan, die Zusammenfassung gibt es: hier.