Synthetische Treibstoffe, also flüssige Treibstoffe, die künstlich hergestellt werden, können ein Pfeiler sein, um auch Verbrennungsmotoren zu einer CO2-Reduktion zu verhelfen. Sie sind eine klimafreundliche Alternative zum Elektroantrieb. Mit einer Anlage in Chile steigt Porsche als einer der ersten Automobilhersteller in die Produktion von E-Fuels ein. Die AUTOMOBIL REVUE hat sich mit Karl Dums, Leiter Antriebsvorentwicklung und Aggregatestrategie bei Porsche, unterhalten.
AUTOMOBIL REVUE: Herr Dums, wie stellt man synthetische Treibstoffe her?
Karl Dums: Die Herstellung der E-Fuels erfolgt mit regenerativer Energie, die vorzugsweise aus Wind- oder Solarenergie stammt. Damit wird über einen Elektrolyseur aus Wasser Wasserstoff gewonnen. Ausserdem nutzen wir CO2, das wir per Direct Air-Capture direkt der Luft entziehen. Aus dem Wasserstoff und dem CO2 wird über eine Methanol-Synthese Methanol hergestellt. Und dieses Methanol wird dann über den Methanol-to-Gasoline-Prozess weiterverarbeitet zu einem Rohbenzin. Dieses müssen wir noch veredeln, damit es die Eigenschaften erhält, wie sie in der Norm DIN-EN 228 beschrieben sind. So können wir die Kraftstoffe dann unter anderem in unseren Porsche-Modellen, wie sie heute im Einsatz sind, verwenden.
Bei Schmiermitteln bevorzugt man synthetische Öle, weil diese exakt an die Anforderungen angepasst werden. Ist das bei E-Fuels ähnlich?
Ja, wir können die Eigenschaften der E-Fuels verändern. Wichtig ist für uns, dass wir das innerhalb der bestehenden Norm tun, damit wir den Kraftstoff in unseren Fahrzeugen verwenden können. Darüber hinaus kann man natürlich dank der Synthese auch die Qualität des Kraftstoffes verbessern.
Enthält synthetischer Treibstoff weniger Verunreinigungen als ein fossiler Treibstoff?
Ein fossiler Kraftstoff enthält bis zu 400 verschieden Moleküle. Es gibt relativ wenige Möglichkeiten, seine Eigenschaften zu beeinflussen. Durch die Synthese haben wir mehr Freiheiten, die Zusammensetzung und somit die Eigenschaften des Kraftstoffes zu beeinflussen. Da lässt sich viel herausholen. Für uns ist aber wichtig, dass wir den Kraftstoff – zumindest aktuell noch – in der gültigen Norm betreiben können. In einem ersten Schritt wollen wir den Kraftstoff ja in den Porsche-Bestandsfahrzeugen nutzen. In einem späteren Schritt ist gut vorstellbar, dass man die Normen entsprechend anpasst, um weitere Vorteile wie zum Beispiel Wirkungsgradsteigerungen zu ermöglichen.
Sie arbeiten mit namhaften Partnern zusammen für dieses Projekt. Was trägt Porsche dazu bei?
Zum einen sind wir ein Investor im Projekt, zum anderen bringen wir unsere Kompetenz in Sachen Kraftstoff ein. Wir wissen, wie die Qualität sein muss, und versuchen die Technik in der Anlage entsprechend zu beeinflussen. Ein wesentlicher Punkt für uns war auch, zu demonstrieren, dass eine solche Anlage möglich und die Verkettung der Prozesse darstellbar ist. Und wir haben natürlich die Möglichkeit, dass wir die Leistungsfähigkeit des Kraftstoffes direkt in Leuchtturmprojekten – unter anderem im Motorsport – demonstrieren können. Siemens ist ein kompetenter Partner bei Projektplanung und Anlagenbau und liefert das Windrad und den Elektrolyseur.
Wieso treibt Porsche dieses Projekt im Alleingang innerhalb des VW-Konzerns voran?
Das mag von aussen vielleicht so aussehen, aber der Eindruck täuscht, wir sind sehr gut abgestimmt. Das Spielfeld der erneuerbaren Energien und der synthetischen Kraftstoffe ist gross und reicht vom synthetischen Gas, wie es Audi gemacht hat, über Diesel bis hin zu den Ottokraftstoffen. Wir bei Porsche konzentrieren uns auf die Ottokraftstoffe, weil wir auch noch sehr viele Fahrzeuge mit Ottomotoren im Einsatz haben.
Wieso wurde der Standort Chile ausgewählt und nicht ein Standort näher bei den Kunden?
Für die Auswahl des Standorts einer solchen Anlage spielt weniger die Marktgrösse eine Rolle, sondern viel mehr die Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie. Wenn man in Süddeutschland ein Windrad aufstellt, wird dieses im Schnitt rund 60 Tage pro Jahr Volllast liefern können – das ist eine ziemliche niedrige Auslastung. Im Süden von Chile, wo unsere Anlage stehen wird, sind es 270 Tage Volllast pro Jahr. Ein Windrad in Chile liefert also viermal mehr Energie als in Deutschland – bei gleichen Investitionskosten. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum wir diese Anlage dort bauen.
In der Schweiz hätten wir die Wasserkraft. Die hat auch eine hohe Verfügbarkeit …
Das stimmt natürlich! Die Frage ist aber immer: Wie kann die Energie am effizientesten genutzt werden? Es ist letztlich eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Zentraleuropa ist eine Region, wo erneuerbare Energie nicht im Überfluss vorhanden ist. Der Wind weht nicht immer, die Sonne scheint nicht so lang. Hier erzeugte regenerative Energie sollte daher direkt zum Laden von Elektrofahrzeugen verwendet werden. Es gibt Regionen auf unserem Planeten, wo das ganz anders ist. Sonnenenergie ist in Afrika oder Australien stark. Das weltweit höchste Potenzial für Windenergie ist aber in Südamerika. Für uns war es wichtig, eine zusätzliche regenerative Energiequelle erschliessen zu können. Da wir nun einmal keine elektrische Leitung von Südamerika nach Europa legen können, haben wir einen Weg gesucht, diese Energie transportierbar zu machen und zu nutzen.
Wie wird das Benzin zu den Kunden gelangen? Ein Verkauf exklusiv an Porsche-Kunden wird ja vermutlich nicht möglich sein?
In der ersten Pilotphase produzieren wir rund 130 000 Liter E-Fuel. Wir planen, sie ausschliesslich für unsere Leuchtturmprojekte zu verwenden. In einem nächsten Schritt werden es etwa 2024 dann 55 Millionen Liter sein, in einem dritten Schritt zwei weitere Jahre später dann 550 Millionen Liter. Für uns ist wichtig, dass wir demonstrieren können, dass die Technologie funktioniert. Wir werden aber kein Kraftstoffhersteller, sondern uns für den Marktzugang und die Tankstellen-
netze mit entsprechenden Partnern zusammentun. Der Kraftstoff wird den Weg zum Kunden finden.
Es wird also auch in Zukunft keine eigenen Tankstellen für Porsche-Fahrer geben?
Nein, das wäre nicht sinnvoll. Für das Klima ist es letztlich auch nicht relevant, wo die CO2-Reduktion stattfindet. Man spricht da vom sogenannten Kraftstoffsee. Wenn man da CO2-reduzierten Kraftstoff in der Menge, wie sie der Kunde verbraucht, einbringt, ist das bilanziell absolut in Ordnung. Es ist dann nicht zwingend notwendig, dass der Kraftstoff tatsächlich in einem Porsche verbraucht wird.
Werden die Herstellungskosten und somit die Verkaufspreise von E-Fuels irgendwann auf ein Niveau fallen, das konkurrenzfähig ist gegenüber fossilen Treibstoffen?
Im Moment ist der Vergleich natürlich nicht fair. Für fossile Kraftstoffe gibt es eine etablierte Infrastruktur und seit Jahrzehnten optimierte Prozesse. Entsprechend sind die Kosten natürlich sehr niedrig. Mit unseren 130 000 Litern sind wir im Moment noch im Labormassstab unterwegs. Da ist es nicht wirtschaftlich und muss es auch nicht sein. Nichtsdestotrotz sind wir der Meinung, dass wir bei entsprechender Anlagengrösse eine Wettbewerbsfähigkeit erreichbar ist. Bis 2030 sehen wir das als durchaus realistisch an. Ein wesentlicher Faktor, der da mitspielt, ist die Bepreisung fossiler CO2-Emissionen, in die man jetzt einsteigt. Je höher dieser Preis ist, umso schneller wird die Wirtschaftlichkeit da sein.
Im Moment gibt es aber bei der CO2-Bewertung keine Unterschiede zwischen fossilen und synthetischen Kraftstoffen.
Emissionen entstehen in verschiedenen Phasen: Bei der Herstellung, bei der Kraftstoffbereitstellung, in der Nutzung und im Recycling des Fahrzeugs. Im Moment fokussiert man sich auf die Nutzung der Fahrzeuge. Das Klima interessiert sich aber nicht nur für die Nutzung, sondern für die ganze Kette. Ich denke, dass sich dieser Blick ändern wird. Wie schnell und wie weit das gehen wird, vermag ich nicht zu sagen. Wir haben bereits jetzt den gesamten Zyklus im Blick. Beim Taycan zum Beispiel, unserem ersten vollelektrischen Sportwagen, produzieren wir am Standort Zuffenhausen schon jetzt CO2-neutral.
Eine Lebenszyklusbewertung der Autos würde für gleich lange Spiesse sorgen.
Je sicherer und je zuverlässiger der Rahmen der CO2-Gesetzgebung ist, desto höher wird die Bereitschaft sein, in CO2-neutrale Kraftstoffe zu investieren. Das gilt für Mineralölkonzerne genauso wie für die Kunden.
Wie wird sich bei Porsche das Verhältnis zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor in Zukunft entwickeln?
Langfristig betrachtet wird die Elektromobilität auf jeden Fall die höchste Priorität haben, einerseits wegen der lokalen Emissionsfreiheit, aber natürlich auch wegen des politischen Rahmens. Die Märkte werden sich aber nicht alle gleich schnell entwickeln, wir setzen auf einen Dreiklang der
Antriebsarten. Die Marktdurchdringung der Elektromobilität wird gewisse Zeit brauchen. Die Fahrzeug-Erneuerungsrate beträgt zwischen fünf und sieben Prozent pro Jahr. Hochgerechnet bedeutet das: Wenn wir ab sofort nur noch Elektroautos verkaufen würden, dann hätten wir in zehn Jahren immer noch 50 Prozent Fahrzeuge mit Verbrenner auf der Strasse. Deswegen sehen wir synthetische Kraftstoffe in der Übergangszeit als eine Ergänzung zur Elektromobilität.
Da müssten dann aber andere auch nachziehen. Wenn nur Porsche auf E-Fuels setzt und sonst niemand, werden sie sich nicht durchsetzen.
Wir setzen ein wichtiges Zeichen für die Dekarbonisierung und möchten unseren Kunden die Möglichkeit geben, ihre schönen Porsche-Klassiker noch lange mit klimafreundlichem Kraftstoff zu fahren. Ich denke, wenn wir mit gutem Beispiel
vorangehen und zeigen können, dass E-Fuels machbar sind, werden wir weitere Partner gewinnen!