Der VW Scirocco ist ein Erfolgsmodell. Bevor das Sportcoupé 1974 in Produktion ging, hatten daran auch der Designer Giorgio Giugiaro, Schöpfer von Klassikern wie Fiat Uno, Lancia Delta und VW Golf, sowie der Karosseriehersteller Karmann mitgewirkt. Sportlich, italienisch, preiswert sollte der Scirocco schliesslich sein. Stephan Burri pflichtet dem bei. Denn wäre der Scirocco der Friseusenfänger oder Bauernporsche, als die er oft abschätzig bezeichnet wurde, wäre mit ihm kein Titel zu gewinnen gewesen. Nun aber sicherte sich der 44-jährige Berner mit einem Scirocco Baujahr 1977 den Bergpokal. Der Gewinn dieses Titel für geschlossene Rennwagen mit bis zu zwei Litern Hubraum war sein erklärtes Ziel. Damit, dass es klappen würde, konnte er vor der Saison nicht rechnen.
Den Scirocco wollte der Garagist schon länger unbedingt haben. Als das Auto nach einer Odyssee über Österreich, Deutschland und Luxemburg wieder in die Schweiz zurückfand, liess Burri seine langjährige Liebe deshalb nicht mehr entwischen. An das neue Auto musste er sich nach Jahren mit einem 1.6-Liter-VW-Polo aber erst gewöhnen. Das ging erstaunlich flott! Den Titel in der Schweizer Slalommeisterschaft verpasste Burri mit dem Scirocco trotz fünf Siegen in der Kategorie Interswiss bis 2000 Kubikzentimeter nur knapp.
«Aber als die Bergsaison startete, hatte ich das Auto im Griff. Ich wusste Bescheid, welche Reifenmischung zum Auto passt. Das Fahrwerk war eingestellt.» Der Perfektionist präpariert sein Rennauto immer frühzeitig, «bei mir muss schon vor der Abfahrt zu Hause alles picobello sein», sagt er mit einem Grinsen. Aber auch die Konkurrenz hatte er im Griff. «Denn wie sich zeigte, hatte ich vorne an der Spitze immer wieder andere Fahrer hinter mir, die sich gegenseitig die Punkte wegnahmen. Deshalb war mir bald klar, dass ich den Bergpokal gewinnen kann, wenn zumindest ich konstant bleibe», erinnert sich Stephan Burri.
Schlaflose Nächte
Deshalb fuhr er ausnahmesweise auch den Lauf zur Berg-SM in Massongex VS, «wo viele Piloten wegen der ramponierten Strecke und möglichen Folgeschäden an den Autos jeweils verzichten». Auch die schlaflosen Nächte vor dem Lauf in Les Rangiers JU nahm er in Kauf: «Weil dort nur zwei statt wie üblich drei Rennläufe gefahren wurden und demnach beide Rennläufe fehlerlos sein mussten, sah ich den Titel plötzlich gefährdet.»
Unbegründet, wie sich später in der Saison zeigen sollte. Burri gewann in seiner Kategorie alle acht Bergrennen. Schon beim vorletzten Lauf am Gurnigel BE hatte er Meister-T-Shirts im Gepäck. Ein Vorhaben, das bei anderen Sportlern in der Vergangenheit auch schon grandios scheiterte. «Aber als ich vor dem ersten Trainingslauf erfuhr, dass mein letzter Konkurrent Thomas Zürcher beim Saisonfinale in Les Paccots nicht starten werde, war ich rechnerisch schon Bergpokalsieger.»
Kein Wertverlust
Der vormalige, insgesamt vierfache Bergpokalgewinner Martin Bürki war auch schon aus dem Rennen. Nach einem Urteil der Disziplinarkommission des Verbands Auto Sport Schweiz im Sommer fuhr Bürki anstelle seines legendären Polo bei den ausstehenden Bergrennen mit McLaren und BMW gröbere Geschütze. «Für den Sport ist es schade, denn gegen Bürki hätte ich sicher bis zum letzten Meter um den Titel kämpfen müssen», sagt Burri. Weniger Wert habe der Titel deswegen aber nicht. Denn auf den Scirocco stieg er auch um, weil er wusste, dass er mit einem Zweiliter-Auto in der Kategorie viele Mitstreiter hätte, die sich im Fall eines Punktegleichstand in der Gesamtwertung bezahlt machen würden.
Logisch, das Stephan Burri nach der erfolgreichen Saison den Wechsel vom Polo auf den Scirocco «keine Sekunde» bereut. Aber was bringt die Zukunft? 2016, 2019, 2022 und 2023 gewann der Berner die Interswiss-Trophy (beste Berg- und Slalomresultate der Kategorie), nun hat er mit dem Bergpokal auch den ersten nationalen Titel im Sack. «Der Scirocco ist ein Auto für Bergrennen, weniger für Slaloms. Der Stellenwert des Slalomtitels ist im Vergleich zum Bergpokal sehr hoch. Am Berg kann ich dominieren, im Slalom kämpfst du um Zehntelsekunden. Trotzdem: Der Slalomtitel ist im kommenden Jahr das Ziel.»