Marcel Steiner war sich nicht ganz sicher, was der Tag bringen sollte, als er von der AUTOMOBIL REVUE am Morgen des Renntages nach seinem Befinden gefragt wurde. «Er war im Training schneller», meinte der Berner und zeigte im Fahrerlager Richtung Robin Faustini. Steiners schnellste Zeit am Vortag war über die 5.180 Kilometer lange Strecke mit 1:44.918 Minuten gestoppt worden – Faustini war dreieinhalb Zehntelsekunden schneller. Ihre Bestzeiten aus den Trainingsläufen drückten beide am Renntag locker, Faustini auf 1:43.12 Minuten, Steiner sogar auf 1:43.003. Am Ende hatte Steiner den Tagessieg aber auch im Sack, weil Faustini im ersten von zwei Durchgängen zu viel Zeit verloren hatte. Die fast sechs Zehntelsekunden Rückstand wogen im Total der zwei Laufzeiten zu sehr auf.
«Ich musste mich sehr strecken, es war anstrengend», gab Sieger Marcel Steiner zu. Vor allem mit dem ersten Durchgang haderte er: «Ich touchierte kurz nach dem Start beim Streckenteil Garage eine Leitplanke, weswegen aerodynamische Teile am Auto wegbrachen. Ohne diese fehlte mir im schnellsten Streckenteil Gripons das Vertrauen.»
Wie wenn man gegen eine Wand fährt
Robin Faustini war nach dem Trainingssieg noch zuversichtlich: «Am Samstag stimmte das Set-up des Osella, trotzdem konnte ich am Renntag davon nicht maximal profitieren.» Der Grund sei aber nicht die Aerodynamik gewesen, sagte der Aargauer. «Im ersten Lauf bekam ich in der Passage Garage den fünften Gang nicht rein, was mich sehr viel Tempo kostete. Viel Zeit verlor ich aber in der vorletzten Kurve des Waldstücks, wo man über eine Kuppe in eine Kompression fährt. In beiden Läufen blockierte dort im sechsten Gang die Benzinpumpe», erklärt Faustini. Die Analyse zeigte: Die Benzinpumpe kommt mit der Leistung des neuen Motors im Osella nicht mit. «Nötig sind dauerhaft vier bar Druck, die aktuelle Benzinpumpe gibt aber nur 3.8 bar her. Blockiert die Benzinpumpe, fehlt Motorleistung, und das fühlt sich an, wie wenn man gegen eine Wand fährt. Die Telemetriedaten zeigten später bei diesem Streckenabschnitt null bar an», erklärte Faustini. Dieser Mangel habe ihn den Tagessieg gekostet. Dieser ist diese Saison noch möglich, das Problem wird Faustini in den verbleibenden drei Läufen zur Berg-SM nicht mehr plagen: Die Bergrennen Oberhallau SH (25.–27. August), Gurnigel BE (9./10. September) und Les Paccots FR (16./17. September) sind nicht so ultraschnell wie Les Rangiers.
Joël Volluz holte sich im Tagesklassement den dritten Platz, im Total der Fahrzeiten aber zweieinhalb Sekunden hinter Faustini. Sie, wie auch Sieger Steiner, hatten in Les Rangiers einen sehr schnellen Gegner weniger. Eric Berguerand, Titelverteidiger in der Kategorie Rennwagen der Berg-SM, meidet seit dem schweren Unfall 2007 das Rennen im Jura. Für den Walliser wird Les Rangiers wie in der Vergangenheit das Streichresultat der Saison sein. «Umso mehr sind die 25 Punkte für mich immens wichtig im Titelkampf», meinte Steiner, der nach Hemberg SG den zweiten Tagessieg 2023 feierte.
Schneller Burgermeister, neuer Grand
Schnellster Formelpilot war in Abwesenheit Berguerands Joel Burgermeister auf Gesamtrang fünf. Er und sein Tatuus-Formel 4 Evo verbesserten ihre Laufbestzeit im Vergleich zum Vorjahr um weit über fünf Sekunden! Für Aufsehen sorgte auch Joël Grand, der zwar immer noch einen Wolf fährt, den F1 Mistral aber gegen einen Thunder GB08 tauschte. «Ich kannte das Auto noch nicht, hatte aber bereits Erfahrung mit dem Motorradmotor. Glücklicherweise, denn so habe ich mich mit dem Motor bald wohl gefühlt. Das Chassis ist etwas anders als beim F1 Mistral, aber weil wir schon von Beginn weg ein passendes Set-up hatten, konnte ich gleich gute Zeiten fahren.»
Ein ganzes Feld mit synthetischem Treibstoff
Mathias Schläppi gibt Vollgas rund um das Thema synthetischer Treibstoff in der Schweizer Automobilmeisterschaft. Am kommenden Wochenende beim Bergrennen Oberhallau SH wird das gesamte Feld der TCR-Kategorie, bestehend aus den sieben Fahrern Christian Yerly, Pirmin Scheidegger, Pierre Mürner, Michael Widmer, Danny Krieg, Patrick Flammer und Schläppi selbst, mit sogenanntem Synfuel am Start stehen. «Für Oberhallau stehen fünf Fässer bereit (s. Bild). Einige Piloten wollten gleich ein ganzes Fass, andere nur 20 Liter für das Bergrennen», erklärt Mathias Schläppi. Bezogen hat er die Fässer bei Horag Hotz Racing in Sulgen TG. «Ich fragte die anderen Piloten an, ob sie dabei wären, wenn wir einmal ein ganzes Feld mit Synfuel betanken würden. Keiner hat gezögert!», sagt Schläppi. Nur aus Zeitgründen könne er derzeit nicht noch mehr Konkurrenten anfragen, ob sie auch mit an Bord wären.
Der Berner, der in Meiringen BE das Unternehmen Schläppi Race-Tec führt, war schon beim Bergrennen in Anzère VS mit dem nachhaltigen Treibstoff dabei – und mit einer passenden grünen Startnummer. Der Verband Auto Sport Schweiz erlaubte auf Antrag von Schläppi im Reglement die grünen Nummern, am Wochenende in Les Rangiers JU holte Marcel Steiner mit Synfuel und nun grüner Startnummer den zweiten Tagessieg der Berg-SM 2023. Neben Schläppi und Steiner hatten in der abgelaufenen Slalom-SM auch schon Simon Wüth-rich und Martin Epp den modernen Treibstoff in den Tanks ihrer Autos.
Bratschi stört Titelduell nicht
Ronnie Bratschi meldete sich mit einem Handicap zurück in der Heimat. Der Urner, der mit tschechischer Rennlizenz die Berg-Europameisterschaft fährt, verabschiedete sich beim Bergrennen Osnabrück (D) Anfang August frühzeitig. Einerseits weil die Elektrik seines Mitsubishi Probleme bereitete, andererseits weil der Turbolader in die Brüche gegangen war. «Einen neuen Turbolader konnte ich bis Les Rangiers nicht beschaffen, also habe ich aus alten Teilen einen brauchbaren gebastelt», verrät Bratschi. Es reichte trotzdem zum Sieg in der Tourenwagenklasse. Das ist für die EM umso wichtiger, als Bratschi mit drei Nullern in die Saison gestartet war. «Nach dem missglückten Saisonstart ist der Titel Geschichte. Der dritte Gesamtrang liegt aber noch drin, vorausgesetzt natürlich, während der verbleibenden Saison treten nicht weitere Probleme auf.»
Ein spannendes Titelduell
Bratschi startete wie Roger Schnellmann in der Kategorie E1 über 3500 Kubikzentimeter, nahm aber als Lizenz-Tscheche dem Schwyzer keine Punkte in der Kategorie Tourenwagen der Berg-SM weg. Die führt weiterhin Bruno Sawatzki an, in Les Rangiers holte er sich den fünften Kategoriensieg. Schnellmann liegt weit zurück, weil er in Massongex VS nicht fuhr. Dieses Bergrennen wird Ende Saison wohl sein Streichresultat – das auch Sawatzki auf der Rechnung hat. Wir rechnen deshalb: Eigentlich trennen derzeit nicht 27, sondern nur zwei Punkte die beiden Titelkandidaten. «Bei den drei verbleibenden Bergrennen werde ich am Start sein», mahnt Schnellmann. «Ich habe den Titelkampf noch nicht abgeschrieben, es wird spannend, wenn man bedenkt, dass Bruno wie auch ich noch einen oder zwei Rekorde und damit Zusatzpunkte holen könnten.» Trotz des bevorstehenden Thrillers bleibt Schnellmann aber entspannt: «Dieser Kampf mit Sawatzki macht Spass, es geht fair zu und her. Wir unterhielten uns im Ziel in Les Rangiers und kamen zum Schluss, dass wir uns problemlos in die Augen schauen können, egal wer den Titel holt. Das ist mir unter dem Strich sehr wichtig.»
Spannend bleibt es auch im Renault-Classic-Cup. Erstmals in der laufenden Saison belegte der aktuelle Leader Michael Schläpfer nicht den ersten oder zweiten Rang. Im Jura reichte es ihm nur zu Platz drei hinter Thomas Zürcher und Philipp Krebs, der mit seinem neuen Clio 3 immer besser in Fahrt kommt und im Training einen neuen Streckenrekord aufstellte. «Ich will den siebten Titel!», lautet die Ansage von Zürcher. Doch bei vier verbleibenden Rennen liegt Schläpfer im Zwischenstand mit 183.5:162 Punkten deutlich vorn. Aber da sind auch noch die drei Streichresultate bis Saisonende, die ins Gewicht fallen können. Souverän eilt Stephan Burri im Bergpokal (Kategorien bis 2000 cm3) von Sieg zu Sieg. In Les Rangiers feierte der Scirocco-Pilot in der Kategorie Interswiss bis 2000 Kubikzentimeter den fünften Sieg in Serie.
Vom schwarzen zum weissen BMW
Nicht zum Feiern zumute war Vanessa Zenklusen. Sie wollte ihren Les-Rangiers-Rekord in der Kategorie Interswiss bis 3.5 Liter brechen, gebrochen ist aber schliesslich die Steckverbindung am Krümmer ihres Subaru: «Immerhin ist mir der Rekord geblieben.» Einen technischen Mangel musste auch Manuel Santonastaso hinnehmen, aber schon vor dem vergangenen Wochenende. Deshalb tauschte er seinen kultigen, schwarzen BMW 320 E21 gegen einen weissen BMW 320i aus. «Beim letzten Bergrennen in Anzère war im schwarzen BMW eine neue Kurbelwelle eingebaut, die aber kaputt ging, nachdem schon die vorherige dasselbe Schicksal erlitten hatte. Also habe ich nun eine Welle beim Schweizer Motorenbauer Egmo und nicht mehr in Frankreich bestellt. Die bekomme ich aber erst später. Deshalb wechselte ich in Les Rangiers den BMW aus», erklärt Santonastaso.