Zweischneidig

Die S-Version der Alpine A110 ist für die Rennstrecke ­gemacht, bringt aber auf der Strasse nicht unbedingt den meisten Spass.

Die Ergebnisse von Alpine sind Balsam für die Herzen der Enthusiasten. Die Firma hat in den vergangenen zwei Jahren 33 Prozent mehr Autos verkauft – in einer Welt, in der SUV die Verkaufszahlen dominieren. Die Erfolge kommen nicht von ungefähr. Die französische Marke hat die Anzahl der Variationen der A110 mit der Einführung der radikalen A110 R (AR 5/2023) auf vier erhöht.

Nur eine Stufe unterhalb des R finden wir unser Testmodell wieder. Die A110 S ist eine von der Rennstrecke geprägte Variante des Strassenfahrzeugs A110 GT mit um 50 Prozent härteren Federn und neu kalibrierten Stabilisatoren. Wenn man etwas tiefer in die Tasche greift, kann man den Abtrieb durch ein Karbonblatt vorne (+60 kg) und einen Heckspoiler (+81 kg) erhöhen.

Im Innenraum wurde das schimmernde Leder der GT-Variante durch einen strengeren Mikrofaserstoff ersetzt. Vor allem die ausgezeichneten Schalensitze können begeistern, auch wenn das Fehlen einer Höhenverstellung für grosse Menschen eher hinderlich ist. Auch über die zahlreichen Originalteile von Renault muss man hinwegsehen, denn nur so konnte das Auto zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden (ab 79 900 Fr. für den S). Einzig der absurd bedienunfreundliche Tempomat verdient die rote Karte: Die Bedienelemente scheinen willkürlich auf dem Lenkrad verteilt zu sein und sind nicht hintergrundbeleuchtet. Ausserdem ist der Ein-/Ausschalter in den Mitteltunnel eingelassen, genau dort, wo der Ellbogen aufliegt. Die unvermeidliche Folge ist, dass man oft aus Versehen den Tempomaten ausschaltet. Stattdessen drücken wir den grossen Startknopf, um unser Gejammer mit dem kräftigen Knurren des 1.8-Liter-Turbos zu übertönen. Der zentral angeordnete Vierzylinder leistet 300 PS wie im GT oder R. Es sind jedoch die 340 Newtonmeter Drehmoment, die ab 2000 U/min verfügbar sind, die ihn besonders attraktiv machen.

Leichtfüssigkeit ist ein Muss

Das Ansprechverhalten und der Durchzug des Motors sind in engen Kurvenkombinationen von unschätzbarem Wert. Hier spielt die A110 S ihre Stärken aus. Das kleine Coupé schlängelt sich mit Anmut und Strenge durch die Kurven, und nur wenige Bewegungen stören das feurige Ballett in den Serpentinen der Strasse. Hier erinnert man sich daran, wie leicht der Franzose mit seinen gemessenen 1140 Kilogramm Lebendgewicht ist. Und jeder Schwung des Lenkrads mahnt an, dass Leichtigkeit ein wesentlicher Bestandteil des Fahrvergnügens ist – und immer sein wird.

Doch obwohl die Alpine A110 S ihrem Fahrer ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern kann, macht sie nicht nur Freude. Die harte Federung ist auf schlechten Strassen eine Gefahr für die Zahnfüllungen und macht lange Autobahnfahrten zur Qual, auch wegen des dröhnenden Motors. Bei sehr hohen Geschwindigkeiten ist die Vorderachse trotz der zusätzlichen Unterstützung immer noch etwas unruhig. Man muss das Lenkrad mit beiden Händen festhalten, da die Vorderachse jeder noch so kleinen Spur nachläuft. Unser Testmodell litt unter Vibrationen in der Lenkung, vermutlich verursacht durch schlecht ausgewuchtete Räder.

Was will man sagen? Wer regelmässig auf der Rennstrecke unterwegs ist, wird mit der A110 S glücklich werden. Der R ist zwar radikaler, aber sein Mehrpreis von 30 000 Franken im Vergleich zur A110 S nicht gerechtfertigt. Und eine A110 GT macht auf der Strasse mehr Spass als der S.

Testergebnis

Gesamtnote 78.5/100

Antrieb

Kräftiger Motor mit linearer Leistungsabgabe und Charakteristik. Schnelles Getriebe, ausser beim Herunterschalten.

Fahrwerk

Die strafferen Aufhängungen der A110 S erhöhen die Effizienz mehr als den Fahrspass. Auf schlechten Strassen eher eine Qual.

Innenraum

Die Schalensitze bieten guten Seitenhalt. Bedauerlich sind einige Stockfehler bei der Bedienung, das Focal-Soundsystem ist durchschnittlich.

Sicherheit

Die Sicherheit wird hier an der Bremsleistung gemessen, Fahrassistenten sind nicht vorhanden. Gute Nachricht: Die Bremsen sind ausgezeichnet.

Budget

Der Preis mag hoch erscheinen. Im Vergleich zu einer Alpine A110 R ist die Alpine A110 S aber eigentlich ein Schnäppchen.

Fazit 

Weniger radikal als der R, aber zu einem viel attraktiveren Preis verkauft, ist die Alpine A110 S das Auto der Wahl für Rennstreckenbesucher. Alle anderen werden mit einer GT-Variante deutlich mehr Spass haben.

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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