Der Cadillac XLR war eine zahme Corvette. Doch das merkte fast niemand – heute wird er mehr geschätzt als damals, als er noch viel Geld kostete.
- Gebaut von 2004 bis 2009
- Nur 16’652 Exemplar produziert
- Mit bis zu 449 PS
Cadillac, einst grösster Luxus-Hersteller der Welt, suchte in den 90er Jahren des vergangenen Jahrtausends einigermassen verzweifelt nach seiner Identität, hatte immer wieder neue Ideen. Und irgendwann beschloss man: Design, das muss es sein. 1999 wurde die Studie Evoq vorgestellt, ein Konzept, das in erster Linie von der Kante lebte. Die ersten ähnlich kantigen Stücke von Cadillac waren dann der CTS sowie der SRX – und der XLR, der 2004 auf den Markt kam, übernahm die Optik der Studie quasi 1:1. Viel Lob gab es dafür damals nicht – und auch auf der Markt blieb der bis 2009 produzierte Stahldach-Roadster ziemlich erfolglos. Cadillac hatte erwartet, pro Jahr etwa 7000 Stück verkaufen zu können – in der sechsjährigen Produktionszeit liefen genau 16’652 Exemplare vom Band. Interessant: Nirgends auf dem Fahrzeug steht der Name Cadillac – es ist fast ein bisschen so, als ob man sich in Detroit für diesen Wagen geschämt hätte.
Es war aber ein sehr gutes Automobil, das Cadillac da produzierte. Der XLR basierte auf der Corvette C6, wurde allerdings deutlich komfortabler abgestimmt. Das hatte zur positiven Folge, dass das Fahrverhalten des Cadillac – trotz hinten quer angeordneter Blattfedern – nicht bloss für amerikanische Verhältnisse sehr gut ist: er kann cruisen, aber er kann auch ziemlich sportlich. Da muss man halt auch sehen: Transaxle-Bauweise, perfekte 50:50-Gewichtsverteilung. Und dazu auch noch die hochwertige Magnetic-Ride-Control. Der Roadster ist quasi frei von Verwindungen und Vibrationen, was daher kommt, dass er noch durch einen separaten Rahmen gestützt wird; ein Aufwand, der schon damals nicht mehr Usus war. Auch die Lenkung ist angenehm direkt mit guter Rückmeldung von der Strasse, die Bremsen sind dem Fahrzeug, das mit einem Gewicht von 1,6 Tonnen erstaunlich schlank ist, jederzeit gewachsen.
Denn es geht schon ziemlich gut vorwärts im XLR. Die Basisversion mit dem 4,6-Liter-Northstar-V8 bringt es auf 326 PS, das reicht für einen Paradesprint auf 100 km/h in 5,9 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h; die Northstar-Maschine mit ihren vier obenliegenden Nockenwellen und der Nockenwellenverstellung gehört eh zum Besten, was in jüngerer Vergangenheit von dem US-Motorenbauern ersonnen wurde, die Kraftentfaltung ist schön linear (maximales Drehmoment 423 Nm bei 4400/min), die Geräuschentwicklung sehr zurückhaltend. Erst ab 5000/min tönt der Achtzylinder dann auch so richtig sportlich – und dreht locker bis 6500/min. Entgegen aller Vorurteile ist der Northstar auch erfreulich verbrauchsgünstig, bei zurückhaltendem Gasfuss sind weniger als 10 Liter auf 100 Kilometern problemlos möglich. Ab 2005 gab es dann auch noch den XLR-V, noch 4,4 Liter Hubraum, dafür ein Kompressor und deshalb dann satte 449 PS.
Der XLR war damals ein teueres Fahrzeug, in der Basis kostete er in 2004 in den USA deutlich über 75’000 Dollar, in der Schweiz wurden 2005 satte 139’990 Franken verlangt – mehr noch als für einen Basis-Mercedes-SL. Doch der Cadillac war ab Werk schon komplett ausgestattet (nur die Metallic-Lackierung stand in der Aufpreisliste), also mit DVD-Navi, Head-up-Display, Abstandsradar, Einpark-Hilfe, Touchscreen, Bose-Soundsystem, klimatisierte Sitze; nicht vergessen, wir schreiben das Jahr 2004. Einmalig damals das Keyless-Go-System – und die Türen, die sich auf Knopfdruck öffneten. Das Dach klappte sich, selbstverständlich vollautomatisch, in 30 Sekunden in den Kofferraum, der aber dann seinen Namen nicht mehr verdiente, 125 Liter fasst bei anderen Fahrzeugen schon fast das Handschuhfach. Aber innen ist er eigentlich schön, für einen Amerikaner schön aufgeräumt, auf dem Armaturenbrett und am Lenkrad gibt es echtes Holz (Eukalyptus).
Das Fahren macht durchaus Freude, auch heute noch. Natürlich sind wir uns mittlerweile wilderen Vortrieb gewohnt, aber er schiebt schon gut an, die 5-Gang-Automatik schaltet quasi ruckfrei – und gerade bei offenem Dach ist das V8-Bollern bei höheren Drehzahlen sehr erfreulich. Die ganz engen Bergstrassen sind sein Ding nicht so, obwohl der XLR mit 4,51 Metern Länge, 1,84 Metern Breite und 1,28 Metern Höhe heute einigermassen zierlich wirkt. Doch auf schön geschwungenen Landstrassen kann man es gut fliegen lassen. Innen herrscht eine angenehme Enge, gute Sitze, logische Bedienung. Und irgendwie gefällt er heute optisch deutlich besser als damals. Und die Preise sind heute ganz vernünftig.
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