Er ist – vielleicht – ein zukünftiger Klassiker, der Citroën Xantia Activa V6. Er bietet auf jeden Fall komplexe Technik – und unglaublichen Fahrspass.
- Design von Bertone
- Hochkomplexe Fahrwerk-Technik
- Über 18’000 Exemplare gebaut
Es waren nicht wirklich die besten Zeiten von Citroën. 1975 hatte Peugeot die Macht übernommen über den einstigen Avantgarde-Hersteller, es kam zu Verbrechen auf Rädern wie dem LN oder dem Axel. In den 90er Jahren kam es wieder etwas besser, mit dem AX (ab 1986) hatte Citroën wieder etwas Geld verdient, mit dem XM (ab 1989) entstand auch wieder so etwas wie Prestige. Als der Citroën Xantia im März 1993 auf den Markt kam, bestand wieder einmal die Hoffnung, dass die Marke vielleicht doch noch irgendwann zur (wirtschaftlichen) Ruhe kommen könnte.
Auf Oberklasse-Niveau
Alles war gut. Das Design kam von Bertone, Chefdesigner war dort damals ein Franzose, Marc Deschamps. Gebaut wurde die Limousine im Werk von Rennes, der ab 1995 angebotene Break bei Heuliez; qualitativ waren die Fahrzeuge auf höchstem Citroën-Niveau. Auch bei den Motorisierungen gab es keine Probleme, alles bewährte Maschinen aus dem PSA-Regal. Bereits mit dem 1,6-Liter-Einstiegermodell mit gerade einmal 88 PS war man anständig unterwegs; mit dem 190 PS starken 3-Liter-V6 zeigte man auch deutschen Konkurrenten das Stummel-Heck, war der Xantia so ausgerüstet dann doch stolze 230 km/h schnell.
Heute heisst das ganz modern: USP (unique selling point). Den sucht man bei aktuellen Fahrzeugen ziemlich vergeblich, alles steht auf der gleichen Plattform mit den über sieben Marken hinweg gleichen Motorisierungen, die grössten Unterschiede findet man bei der Gestaltung der Preislisten. Der Citroën Xantia dagegen hatte allen Konkurrenten einen Punkt voraus: Schon die Basis-Version war in Sachen Fahrkomfort auf Oberklasse-Niveau. Der Xantia war der letzte «Zentral-Hydrauliker» von Citroën: Federung, Dämpfung, Lenkung und Bremsen liefen über die so genannte Hydropneumatik. Dieses Fahrwerkskonzept war von Citroën schon in den 50er Jahren bei der DS eingeführt worden, statt herkömmlicher Stahlfedern gewährten mit Stickstoff gefüllte Kugeln sowie ein Hydrauliköl, dass die Fahrzeuge immer eine möglichst ausgewogene Strassenlage hatten. Bei der DS war das alles noch eher schwammig, weich, beim Xantia dann schon fast sportlich.
«Aktive Fahrwerksstabilisierung»
Doch dann ging noch mehr: Hydractive-II. Dabei wurde auf jeder Achse ein zusätzlicher Stickstoff-Speicher verbaut. Ein Steuergerät konnte automatisch und abhängig von Geschwindigkeit, Lenkradeinschlag, Gaspedalstellung und Bremsdruck diese zusätzlichen Speicher mit einem Elektroventil vom System trennen, wodurch die Federung straffer wurde. Insbesondere in schnell durchfahrenen Kurven konnte die Fahrsicherheit so verbessert werden, weil die Seitenneigung und die Lastwechselreaktionen sich verringerten und der Wagen weniger nachschwang.
Doch dann ging noch viel mehr: Systeme Citroën de Contrôle Actif du Roulis, abgekürzt SC.CAR, am einfachsten wohl übersetzt mit «aktive Fahrwerksstabilisierung». Mit diesem System, 1988 vorgestellt und ab Ende 1994 in den Xantia Activa eingebaut, kann die Seitenneigung durch mechanische Regelung mit Hydraulikzylindern, die auf die Querstabilisatorstangen einwirken, auf ein Minimum reduziert werden. Man darf sich das so vorstellen: Die beiden Querstabilisatoren sind diagonal gegenüberliegend über einen Differential-Hydraulikzylinder mit den Radlenkern verbunden. Das Rollmoment wirkt nun auf diese Querlenker entgegengesetzt – ein Rad federt ein, das andere federt aus. Die Hydraulikzylinder verändern dadurch ihre Länge und wirken so der Verspannung des Querstabilisator entgegen. Und halten die Karosserie über die Querstabilisatorstangen ziemlich gut in die Horizontale. Da diese «aktive Fahrwerksstabilisierung» unabhängig vom Hydractive-II-Fahrwerk arbeitet, bleibt dessen Federweg auch bei extremer Kurvenfahrt fast ganz erhalten und sorgt so für eine ausgezeichnete Strassenlage.
Rekord im Elch-Test
Tönt kompliziert? Ist es auch. Es ist noch viel komplexer als hier beschrieben, es gibt noch reichlich Regelventile, Stellzylinder, Federkugeln. Und gleichzeitig war SC.CAR auch sehr effizient, wie der Berichterstatter aus eigener Erfahrung weiss. 1999 stellte ein Citroën Xantia Activa beim klassischen Elch-Test in Schweden einen Geschwindigkeitsrekord auf, der anscheinend immer noch Bestand hat, auch wenn ihn ein Porsche 911 GT3 RS, ein McLaren 675LT und diverse Audi R8 schon zu brechen versuchten.
Es gab für den Xantia Activa, der auch über spezielle Sitze verfügte und etwa an den hübschen Venise-Leichtmetallfelgen zu erkennen ist, verschiedene Motorisierungen, sogar als Diesel war er erhältlich. Aber eigentlich muss es schon der 3-Liter-V6 sein, nicht gerade drehfreudig, aber dafür einigermassen laufruhig. Und ziemlich durstig, wenn man die 190 PS einforderte. Was man auch gerne macht, denn nicht nur auf der deutschen Autobahn wird der Citroën unterschätzt: Auf der kurvigen Landstrasse ist er auch heute noch ein absoluter König.
Zukünftiger Klassiker?
Doch sie sind teuer geworden, die Citroën Xantia Activa V6. Kürzlich kam ein schönes Exemplar bei Artcurial in Paris zur Versteigerung, erwartet wurden zwischen 25’000 und 35’000 Euro. Es gab aber kein Gebot, das auch nur annähernd in die Nähe des Schätzpreise kam, also ging der Wagen wieder zurück. Das kann man durchaus als verpasste Chance sehen, denn obwohl zwischen 1994 und 2001 doch mehr als 18’000 Activa verkauft werden konnten, kommen sie nur selten auf den Markt – wer einen hat, will ihn eigentlich nicht mehr hergeben. Der direkte Nachfolger des Xantia, der C5, hat das Zeug zum Klassiker nicht – dies im Gegensatz zum C6 (2005-2012), doch das ist dann wieder ein anderes Thema.
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