Ein Punkt fehlte Eric Berguerand vor dem Saisonfinale noch zum Titelgewinn in der Rennwagenklasse. Am Berner Gurnigel liess der Walliser nichts mehr anbrennen, prügelte seinen Lola FA90 im ersten von drei Durchgängen in 1:39.49 Minuten über die 3.7 Kilometer lange Strecke hinauf und stellte gleich einen neuen Rekord auf, den fünften der Saison. Der Vorsprung auf die Konkurrenz betrug damit bereits über vier Sekunden. Die er, wie sich zeigen sollte, gut angelegt hatte. Im zweiten Durchgang schaffte Berguerand nur noch eine Zeit von 1:43.11 Minuten, nicht weil er den Schongang eingelegt hatte, sondern weil das Getriebe streikte. «Deshalb startete ich beim dritten und letzten Lauf nicht. Mein Ziel habe ich trotzdem erreicht», sagt der Walliser und redet nicht etwa vom siebten Titelgewinn seiner Karriere, sondern vom Rekord: «Den wollte ich unbedingt verbessern.» Hat er, er unterbot seinen eigenen Rekord von 2018 um genau zwei Sekunden. Auch Schweizer Tourenwagenmeister Reto Meisel trumpfte wieder auf und holte in seiner Klasse eine neue Bestzeit (1:48.84).
Berguerands einziger Konkurrent, Marcel Steiner, setzte seinen Lobart-Helftec-Honda derweil im ersten Durchgang in die Leitplanke. «Dabei gingen die hintere Radaufhängung, die Kolben und ein paar Aeroteile kaputt.» Der Berner konnte zwar die beiden nachfolgenden Läufe dank viel Schweiss des Teams noch fahren, aber die Steiner- Equipe war ausgelaugt. «Wir sind sehr motiviert zum Heimrennen gekommen. Aber am Samstag überschlugen sich die Ereignisse. Nach dem zweiten Trainingslauf rauchte es aus dem Auto, ich dachte an Feuer und löste meinen Feuerlöscher aus. Es lag letztlich nur am defekten Entlüftungschläuchlein, putzen mussten wir trotzdem. Mein Vater organisierte einen dem Reglement entsprechenden Feuerlöscher – und fuhr fast nach Lausanne!» Steiner hatte die Schnauze voll und wollte um 22 Uhr ins Bett, «aber nein, wir schraubten bis 23 Uhr!» Als ihm tags darauf Robin Faustini im Tagesklassement den zweiten Rang hinter Berguerand wegschnappte, war er richtig bedient.
Gurnigel-Geschichten: Robin Faustini mit Osella-Rekord, Thomas Amweg auf vermutlich letzter Lola-Fahrt und Marcel Steiner mit viel Ärger am Hals (o. v. l.), Thomas Zürcher gab sein Comeback, Joël Grand war auf Testfahrt, und Yves Hängärtner sagte leise tschüss! (u. v. l.).
Der schnellste Osella-Pilot
Rund drei Zehntelsekunden war Faustini im Osella FA30 schneller – und strahlte: «Ich habe immer gesagt, dass ich Steiner am Gurnigel knacken kann.» Steiner bekam seinen Lobart mit neuem Helftec-Turbomotor während der Saison immer besser in den Griff. Aber beim Finale schlug Faustini zurück: «Meine Bestzeit von 1:41.41 Minuten ist sogar die beste Zeit eines Osella-Piloten am Gurnigel.» Und setzte gleich noch einen drauf: «Zuvor hatte Steiner diesen Rekord.» Der Aargauer ist in bester Laune, auch weil die Premierensaison im Osella äusserst lehrreich gewesen sei: «Es war mein bereits zehntes Bergrennen dieses Jahr. Wir wissen nun, wo am Auto wir im Winter Hand anlegen müssen, um noch schneller zu sein.» Die Berg-SM 2023 dürfte für die Berguerand-Konkurrenten aber einer Himalaya-Expedition gleichkommen. «Eric war dieses Jahr extrem schnell. Er legt immer noch einen drauf», staunt Faustini.
2023 einen draufsetzen will auch Thomas Amweg. «Die Kolben sollen am Dienstag eintreffen», sagte der Aargauer am Sonntagabend, «aber ich glaube es erst, wenn ich sie in den Händen halte», ergänzte er und lachte schallend. Eigentlich wollte er am Gurnigel, wo er 2019 den ersten und bisher einzigen Tagessieg in der Berg-SM geholt hatte, in einem Reynard 95D starten. Daraus wurde nichts, weil eben besagte Teile für die Finalisierung des Motors fehlten (AR 34/2022). Platz vier im handgeschalteten Lola T94/50, mit dem er vor der Pandemiepause siegte, sei ein feines Resultat.
Das meinte auch Thomas Zürcher, der sich nach einer Verletzungspause seit dem Ambri-Slalom im Mai zurückmeldete. Aller Anfang ist schwer, vor allem im Tatuus-Formel-4: «Ich hatte noch extrem Respekt. Wo ich sonst Vollgas gebe, bremste ich. Ich habe mich schon gefragt: Will ich mir das noch antun?» Aber zwei Läufe mit 1:49er-Zeiten reichten ihm dann doch. Entschieden, ob er den F4 auch 2023 fahre, habe er sich noch nicht.
René Aeberhardt im DTM-BMW (o. r.), und Reto Meisel holte 2022 die fünfte Tourenwagen-Rekordzeit.
Stiller und doch spektakulärer Rücktritt
Sicher seinen Besitzer wechseln wird der GP3-Dallara von Yves Hängärtner. Der Berner Seeländer und Slalomspezialist fuhr am Gurnigel sein erstes Bergrennen – und sein letztes. «Am Gurnigel habe ich meinen Abschied gegeben.» Das aber still und leise und mit einem spektakulär folierten Rennwagen. Original hatte Hängärtners Bolide einen Red-Bull-Look, beim letzten Auftritt glich er einem Williams-F1 aus den 1990er-Jahren. «Mein Sponsor Aare Bier gab die Farben vor, also haben wir damit gespielt.» Den dritten Lauf liess Hängärtner aus, «deshalb habe ich die Ambiance beim zweiten ein letztes Mal genossen. Aber jetzt ist Schluss. Ich bin 48, ich habe eine Familie und ein Haus, der Aufwand wird einfach zu gross.»
Im neuen Outfit kamen am Gurnigel auch Joël Grand und René Aeberhardt daher. Grand testete einen Reynard 97D-Formel 3000, nachdem er seinen Osella PA21 zwei Wochen zuvor in Oberhallau SH letztmals gefahren war. «Der Reynard ist ein altes Auto, nicht ganz einfach zu fahren. Für 2023 habe ich eine Idee, was ich machen könnte. Ich habe mehrere Angebote.» Aberhardt tauschte den vertrauten Opel Kadett gegen einen BMW M3 DTM von 1991 – und gewann die Klasse Interswiss bis 2500 cm3: «Damit habe ich nicht gerechnet. Aber weil der Kadett beim Slalomfinale in Chamblon kaputt ging, musste ich umsteigen, wenn auch ungern, weil der BMW doch rar ist.»
Wechseln wird 2023 auch Martin Bürki. Den VW MB Polo fährt künftig Sohn Mike. Der Senior fährt die Slaloms in einem BMW M3, das Auto für die Berg-SM hält er geheim. Sicher ist damit, dass der vierte Bergpokal-Sieg (für leistungsschwächere Autos) Bürkis letzter war – was den entthronten Champion Philipp Krebs und den Dritten, Jürg Ochsner, aufhorchen lässt. Und auch Stephan Burri, der Bürki in Les Rangiers JU schlug. «Dann holt ihn mein Sohn», sagt Bürki. Und Burri ächzt: «Es gibt zu viele Bürkis.»
An Werner J. Haller.
Vielen Dank für Ihren Bericht über das Gurnigelrennen, welches auch dieses Jahr wieder ein Saisonhöhepunkt war. Wir haben schon jahrelang die AR abonniert und heute den Bericht gelesen vom Gurnigelrennen. Leider ist Ihnen ein Fehler unterlaufen, denn in Ihrem Bericht haben Sie beim Renault Classic Cup, die Zeiten vom Training aufgeführt und nicht diejenigen vom Rennen.
Vielen Dank für Ihre Kenntnisnahme.
Freundliche Grüsse Lydia Zutter