Die Rallye International du Valais (RIV) ist ein Rennen, für das man einen langen Atem braucht. Sie führt über 16 Etappen und 190 Wertungskilometer, wobei sich die Teilnehmer über drei Tage hinweg messen und insgesamt etwa zwei Stunden unterwegs sind. Normalerweise reicht das, um unter den Teilnehmern die Spreu vom Weizen zu trennen, lange bevor sie die Ziellinie überqueren. Trotzdem bleibt es manchmal bis zur letzten Sekunde spannend. So wie bei der jüngsten Rallye du Valais.
Hauchdünne zwei Sekunden und zwei Zehntel trennten Mike Coppens und Co-Pilot Christophe Roux (Škoda Fabia) vor dem Start zur 16. und letzten Wertungsprüfung von ihren Verfolgern Michaël Burri und Fabrice Gordon (Volkswagen Polo GTI). Im kleinen Walliser Dorf Nax, dem letzten Kontrollpunkt der Rallye, hätte die Spannung nicht grösser sein können. Unter den Zuschauern war auch der Gewinner der Rallye du Valais 2019, Olivier Burri, Michaël Burris Vater. Burri sen. war von den Veranstaltern eingeladen worden, als Vorfahrer einen mehr oder weniger präparierten Serien-Toyota Yaris GR4 zu lenken. Kaum hatte er das Auto im Ziel abgestellt, machte sich der berühmte Rallye-Schweizer zu Fuss auf den Weg über den Asphalt der Wertungsprüfung, um den Abstand zwischen Coppens und seinem Sohn zu messen. Der ehemalige Gewinner wurde von den Stewards und den Zuschauern, die von der Szene, die sich vor ihren Augen abspielte, fassungslos waren, schnell zur Ordnung gerufen. Burri sen. rief den Zuschauern zu: «Ach, rutscht mir doch den Buckel herunter!» Auch wenn diese Szene sicher eines der schlechtesten Beispiele für die Vorbildfunktion eines Eröffnungsfahrers ist, so vermittelt sie doch einen guten Eindruck der Spannung, die an diesem Wochenende im Wallis herrschte.
Am Ende gewann Mike Coppens die Rallye mit einem Vorsprung von 4.4 Sekunden. Ein verdientes Ergebnis für den Fahrer aus Verbier VS, der das ganze Wochenende über konstant und brillant gefahren war: «Der Sieg im Wallis ist ein Kindheitstraum, der nun wahr geworden ist! Ich habe Roux, Girolamo und andere Rallye-Asse auf unseren Strassen in Bruson gesehen und immer davon geträumt, das mir das auch einmal gelingt. Dass ich dabei noch den Titel des Schweizer Meisters gewinne, ist einfach traumhaft», erklärte er auf dem Podium bei der Kaserne Sitten.
Ja, im Wallis hat Mike Coppens nicht nur die Rallye, sondern auch die Schweizer Meisterschaft für sich entschieden. Die Favoriten der Rallye-SM und nach zwei Renntagen und neun Wertungsprüfungen mit einem komfortablen Vorsprung von mehr als 40 Sekunden Führenden, Sébastien Carron und sein Co-Pilot Lucien Revaz (Škoda Fabia), mussten das Rennen abbrechen, nachdem sie zu Beginn des letzten Renntages am Samstag auf der WP10 einen Radbruch erlitten hatten: «Ich nahm die Rallye du Valais in mein Programm auf, weil ich darauf hoffte, die Meisterschaft zu gewinnen – aber so ist der Rallyesport! Eine enge Kurve, man trifft einen Stein, zwei Radstreben brechen, und das Rennen ist vorbei. Es ist schade, dass ich meine letzte Rallye du Valais nicht zu Ende fahren konnte. Aber ich bin stolz auf das, was Lucien und ich geschafft haben. Also: Herzlichen Glückwunsch an Mike», meinte der Fahrer aus Vétroz, einem kleinen Ort im Wallis, nur wenige Kilometer von Verbier entfernt.
Michellod noch Vize-Champion
Auf dem Podium der RIV stand neben den Teams von Coppens und Burri ein weiterer Walliser. Der Schweizer Juniorenmeister von 2019, Jonathan Michellod (Škoda Fabia), der von seinem Co-Piloten Stéphane Fellay unterstützt wurde, glänzte ebenfalls und konnte sich sogar die Bestzeit auf der WP12 sichern. Hinter Michellod überquerten Sergio Pinto und Sophie Barras die Ziellinie auf dem vierten Platz dank der Leistung ihrer brutalen Alpine A110 RGT. Ein kleines Detail am Rande: Da Burri, der in diesem Jahr viele Rallyes im Ausland bestritt, im Wallis mit französischer Lizenz antrat, belegten Michellod und Pinto den zweiten beziehungsweise dritten Platz in der Schweizer Wertung. Dadurch überholte der Walliser Michellod den Tessiner Ivan Ballinari in der Gesamtwertung der Rallye-SM. Hinter Pinto belegten die Belgier Pieter Tsjoen und Piero Vandeputte (Škoda Fabia) den fünften Platz.
Die Schweizer Juniorenmeister, die Neuenburger Jérémie Toedtli und Julie Fauré (Renault Clio), erwischte es bei der Nachkontrolle. Toedtli wurde disqualifiziert, weil er mit einem Auto unterwegs war, das gegen die technischen Vorgaben verstiess. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch offen, ob diese Disqualifikation Auswirkungen auf den endgültigen Stand der Meisterschaft haben wird. Guillaume Girolamo und Benjamin Bétrisey (Renault Clio 5) holten sich im Wallis den Sieg bei den Junioren. Der zweite Platz ging an Thibaut Maret und Andy Malfoy (Renault Clio 5). In der Clio Trophy Swiss gewannen Ismaël Vuistiner und Florine Kummer. Girolamo wurde Zweiter und Maret Dritter.
Viele weitere Entscheidungen
In der Trophée Michelin Suisse lieferten sich Aurélien Devanthéry und Michaël Volluz (Peugeot 208 R2) ein Duell mit Nicolas Lathion und Mélanie Tendille (Renault Clio V). Am Ende war es Lathion, der die Oberhand behielt. Der dritte Platz in dieser Kategorie ging an die Franzosen Thomas Battaglia und Marc Della Pina (Renault Clio), die bereits vor der Rallye International du Valais als Sieger feststanden.
Im historischen Wettbewerb sicherte sich Guy Trolliet (Porsche 911 Carrera) den Meistertitel mit einem zweiten Platz in der Schweizer Meisterschaftswertung vor Claude-Alain Cornuz (Ford Escort RS) und Jean-Romain Cretegny (Ford Escort MKII). Der Sieg bei der vierten Ausgabe des historischen Wettbewerbs im Wallis ging an Gratien Lovey (BMW M3 E30). Die internationale Klasse (ERC Historic), die zum ersten Mal im Wallis ausgetragen wurde, gewann der Tscheche Vojtech Stajf auf seinem Opel Kadett GT/E.
Lust auf mehr
Dem Direktor der Rallye du Valais, Cédric Borboën, gebührte die Ehre des Schlussworts dafür, dass er eine Veranstaltung wie die Rallye du Valais in der Zeit von Covid organisierte: «Nach einem Jahr ohne Rallye tut es verdammt gut, die Zuschauer wieder auf dem Gelände der Kaserne Sitten und am Strassenrand zu sehen, noch dazu bei diesem sonnigen Wetter. Ich muss aber sagen, dass es extrem schwierig war, die diesjährige Veranstaltung auszurichten: geringeres Budget, weniger Freiwillige, der Covid-Schutzplan … Trotzdem wird diese Rallye in die Annalen eingehen. Nicht zuletzt, weil wir einen Schweizer Rallyemeister aus dem Wallis haben!» Deshalb wurde auch bereits ein Termin für die nächste, die 62. Rallye Internationale du Valais festgelegt. Sie wird von 20. bis 22. Oktober 2022 stattfinden.