Eisenschwein

Toyota hat die SUV nicht erfunden. Aber die J5-Baureihe, als Eisenschwein bezeichnet, machte diese ab 1967 populär.

Toyota feiert soeben 70 Jahre grossartige Erfolge mit dem Land Cruiser. Was allerdings nicht ganz stimmt, denn die ersten Modelle 1951 wurden noch gar nicht als Land Cruiser bezeichnet. Und hatten, zu Beginn, eigentlich auch gar keinen Erfolg. Der stellte sich erst mit der Baureihe J4 ein – dann aber gleich richtig heftig, denn diese echten, harten Geländewagen wurden nicht nur 36 Jahre lang gebaut, sondern wurden auch Stilikonen. Zumindest im Rest der Welt, in der Schweiz war erstaunlicherweise die Liebe zum Land Rover Defender immer viel grösser, der Land Cruiser hatte jahrzehntelang nur ein Schattenplätzchen als reines Arbeitsgerät. Aber schauen wir doch zurück in die 1960er-Jahre – und über den Tellerrand hinaus.

Zum ersten Mal Design

Zwar war Toyota sehr glücklich mit dem J4, die Kunden waren auch sehr zufrieden, die Marge war bestens, weil mitunter kaum Geld in die weitere Entwicklung gesteckt werden musste. Und das Geschäft mit dem Land Cruiser brummte tatsächlich, 1965 war der J4 in den USA, dem damals mit Abstand grössten Markt der Welt, der meistverkaufte Geländewagen. Doch die Japaner ruhten nicht, sie ruhten eh nie, es dürfte etwa 1965 gewesen sein, als die Designabteilung von Toyota, die sich bislang ausschliesslich mit Personenwagen beschäftigt hatte, den Auftrag erhielt, sich erstmals mit ­einer ganz besonderen Form von Geländewagen zu beschäftigen: dem Station Wagon. Die Vorgabe war ganz klar, Jeep hatte 1963 mit dem Wagoneer zum ersten Mal so etwas wie ein Luxusprodukt in diesem Segment präsentiert. Und hatte damit auf Anhieb einen Volltreffer gelandet. Das war auch irgendwie verständlich, denn, eben, die Bedürfnisse änderten sich.

Der J4 war Zeit seiner langen Produktion ein harter, störrischer Bock, mit dem man quer durch Afrika kam (und auch wieder zurück) und zu den abgelegensten Minen in Australien (und auch wieder zurück) sowie auch noch in die tiefsten Wälder Kanadas – wo man den Antrieb des J4 auch gleich noch für den Betrieb eines Sägewerks nutzen konnte. Doch einigermassen gepflegt ins abgelegene Ferienhaus in Aspen oder am Strand in Australien, nein, das wollte man sich nicht unbedingt antun. Und der Rest der Familie wollte das erst recht nicht. Jeep hatte mit dem Wagoneer genau den Nerv der Zeit getroffen – und Toyota machte sich auf die Verfolgung. Denn man erkannte das Potenzial dieser neuen Klientel, die bequem und einigermassen flott reisen wollte, dafür, weltweit, auch das nötige Kleingeld aufwerfen konnte.

Die Idee für den J5 war schnell geboren, zumal sie ja schon im J4-Programm, eigentlich sogar schon seit dem J2/J3, vorhanden war. Nur kurz: Vom J2/J3 (1955–1960) gab es einen ersten Station Wagon (FJ28V8, kurz auch als FJ35 im Angebot). Beim J4 hiessen die Kombi dann FJ43V beziehungsweise FJ45V (mit einem Wellblechaufbau von Gifu Body Co.), sie wurden vom Marketing als «the world’s thoughest 4×4 Station Wagon» beschrieben. All diese Modelle konnten an der Verkaufsfront zwar kaum einen Blumentopf gewinnen, doch sie gaben den Weg vor.

Der Brotkasten

Auch wenn sich der ab 1967 angebotene J5 Achsen und Antrieb mit dem J4 teilte, so war er trotzdem eine komplette Neuentwicklung, teilte die Baureihe auch zukünftig in Land Cruiser und Land Cruiser Station Wagon. Für den Rahmen des J5 wurden erstmals komplett geschlossene Profile als Querträger verwendet, ihre Anzahl konnte auf drei verringert werden, obwohl der Radstand um 50 auf 2700 Millimeter verlängert wurde. Für zusätzliche Stabilität sorgten die vordere Stossstange, der Getriebeschutz und die Ersatzradhalterung. Neu war auch, dass der Rahmen geschweisst und nicht mehr vernietet wurde. Insgesamt konnten das Gewicht des Rahmens zwar leicht gesenkt und die Torsionssteifigkeit trotzdem um 20 Prozent verbessert werden (was es möglich machte, dass der J5 die US-Auflagen für den Schutz bei einem Frontaufprall frühzeitig erfüllte), doch mit einem Leergewicht von deutlich über 1.9 Tonnen war der Sta­tion Wagon schon ein schwerer Brocken. Trotzdem kam er nur auf 535 Kilogramm Zuladung, was für seine Dimensionen etwas mager war.

Aber die Aufgabe war schwierig: Man wollte eine geräumige, geschlossene Karosserie mit Platz für fünf Personen und ihr Gepäck bei einigermas­sen kompakten Abmessungen. Dazu sollte das neue Fahrzeug ein Fahrverhalten ähnlich dem ­eines klassischen Personenwagens haben, also auch bei höheren Reisegeschwindigkeiten komfortabel sein – und trotzdem über die üblichen herausragenden Geländefähigkeiten verfügen. Gut aussehen sollte die ganze Geschichte natürlich auch noch, Kompromisse bei der Langlebigkeit durfte es nicht geben. Der Spagat war vorgegeben.

Für Vortrieb sorgte ein mächtiges Stück Gusseisen mit sechs Zylindern und 3878 Kubikzentimetern Hubraum (während Jeep im Wagoneer schon seit 1964 einen 5.4-Liter-V8 anbot). Es gab immerhin sanfte Verbesserungen (in deren Genuss auch der J4 kam), Zylinderkopf, Brennräume, Ansaugkanäle und -krümmer wurden bearbeitet, Anzahl und Form der Kipphebel geändert, eine andere Nockenwelle verwendet, welche bei höheren Drehzahlen die Ansaugeffizienz verbessern sollte. Aus all diesen Massnahmen resultierten 125 PS bei 3600 U/min und ein maximales Drehmoment von 284 Nm (vorher 256 Nm). Insgesamt führten die Veränderungen am F-Motor zu einem deutlich besseren Ansprechverhalten bei tieferen Drehzahlen und zu einem ruhigeren Lauf bei höheren Geschwindigkeiten. Im September 1973 gab es dann gar 130 PS und 294 Nm maximales Drehmoment sowie eine Reduktion um ein paar Kilo. Damit aber nicht genug: Auch der J5 erhielt im Januar 1975 die neue 2F-Maschine mit 4.2 Litern Hubraum und 140 PS. In Japan wurde der bisherige FJ55 dann als FJ56 bezeichnet, auf den Exportmärkten hingegen nicht. Verstehe das, wer kann. Andererseits wurde der J5 auf fast allen Märkten als Land Cruiser Station Wagon beworben – und die Fans nannten ihn Iron Pig, also Eisenschwein.

Glückliche Kunden 

Neu, also wirklich neu, war der brotkastenförmige Aufbau. Und ja, man durfte nun endlich von Design sprechen, auch wenn der kantigen Karosserie ein gewisser japanischer Pragmatismus nicht abzusprechen war. Wer im J5 nun innen opulenten Luxus erwartet, liegt falsch. Im Gegensatz zum J4 war aber das Armaturenbrett derart gestaltet, dass es Ende der 1960er-Jahre einen fast schon modernen Eindruck erwecken konnte. Vorne sass man entweder auf zwei Einzelsitzen oder auf einer durchgehenden Sitzbank, die Bank in der zweiten Reihe liess sich abklappen und vergrösserte den Laderraum auf eine vollkommen ebene, mit Blech verkleidete Fläche von 1.2 auf 1.4 Metern.

Im Juli 1980 war es dann soweit, das Eisenschwein musste nach fast 13 Jahren (und nur ganz minimen Updates) weichen. Der J5 war ein grossartiger Erfolg für Toyota, nicht nur, weil fast 113 000 Exemplare verkauft werden konnten. Er hatte sich auch gegen eine immer grösser werdende Konkurrenz behaupten können, obwohl diese V8-Motoren, Getriebeautomaten und luxuriösere Innenausstattungen bieten konnten. Doch der Land Cruiser war all diesen Cherokee, Bronco und Blazer halt nicht nur in Sachen Geländefähigkeiten deutlich überlegen, sondern vor allem auch viel zuverlässiger (einmal abgesehen vom Rostfrass). Dass bei einer Kundenumfrage in den USA nur 90 Prozent der J5-Besitzer sagten, dass sie wieder ein solches Fahrzeug kaufen würden, lag wohl daran, dass die restlichen zehn Prozent mit ihrem Gefährt so zufrieden waren, dass sie gar kein neues wollten. Wenn es etwas zu bemängeln gab an diesem so legendären und heute sehr selten (und teuer gewordenen) Station Wagon, dann war es sein übermäs­siger Durst.

Dieser Toyota Land Cruiser FJ55 von 1979 wurde zur Verfügung gestellt von www.toyota-museum.ch

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