Kaum hat Patrick Krähenbühl Helme und Werkzeuge auf der Werkbank beiseite geschoben, sich einen Schluck Kaffee und einen Bissen vom Gifpeli gegönnt, wird die Ruhe gestört. Das Handy klingelt. «Oha, der Mike Rockenfeller ruft an», sagt Krähenbühl und begrüsst den Le-Mans-Sieger von 2010 und deutschen Champion der Tourenwagenserie DTM von 2013. «Und möchtest du neben der deutschen Flagge auch die der Schweiz drauf haben? Immerhin hast du ja nun den Schweizer Pass und bist ein Schwiizerli.» Klar, antwortet Rocky, und die Flaggen sollen wehen, dynamisch wirken. «Okay. Und wann brauchst du den Helm? Am besten in drei Tagen, oder?», flachst Krähenbühl und seufzt dann leise: «Ja, klar.» Es müsse immer baldmöglichst sein, nicht nur im Fall von Rockenfeller. Bis zum Start der neuen DTM-Saison sind es an diesem frühen Morgen Anfang Juni noch rund zwei Wochen.
Aber Patrick Krähenbühl bekommt das hin. Er hat schliesslich genügend Kunden aus der Bleifussbranche, die bisweilen auch neben den Rennstrecken auf die Tube drücken. Neben Rockenfeller sind das beispielsweise die Schweizer Rennfahrer Nico Müller, Patric Niederhauser und Simon Trummer sowie die belgischen Brüder Dries und Laurens Vanthoor. Einer der ersten prominenten Kunden Krähenbühls war der ehemalige Motorradweltmeister Tom Lüthi. «Du, war das heute Morgen der Töffstar Dominique Aegerter, der aus deinem Studio gekommen ist?», habe jüngst ein Passant draussen auf der Strasse Krähenbühl auf die Kundschaft angesprochen. Ja, das sei Aegerter gewesen. Es komme vor, dass sich die Rennfahrer bei Krähenbühl die Klinke in die Hand geben – oder länger für einen Schwatz sitzen bleiben.
Von Schulheftkritzeleien zur Kunst
Das Studio Pat-Art-Design steht in Gurzelen BE. Das 900-Seelen-Dorf nahe bei Thun kennt sich aus mit Prominenz aus der Kunstwelt: Einst lebte hier Ferdinand Holder, einer der bekanntesten Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts. Aus den Schulheftkritzeleien von Patrick Krähenbühl sind mit den Jahren auch zunehmend Kunstwerke geworden. So gewann der heute dreifache Familienvater 1993 einen Autodesign-Wettbewerb des Schweizerischen Carrosserieverbandes. «Als ich 15 war, sollte ich an einer Schule in Stuttgart Autodesign studieren. Für mich als junger Bursche kam das aber nicht in Frage. Mehrere Jahre im Ausland? Für mich war klar, dass ich die Mechanikerlehre machen und später die Garage meines Vaters übernehmen würde», erinnert sich Krähenbühl. Also habe er stattdessen seinem Töffli einen neuen Sprutz verpasst. Damals fuhr er auch erfolgreich Kartrennen – mit einem weissen Helm, «was ja gar nicht geht!» So entstand das erste Helmdesign von Patrick Krähenbühl, der schliesslich auch Anfragen der Rennbahnkonkurrenten bekam. «Das war kurz vor der Jahrtausendwende. So habe ich mir mein Studio nach und nach aufgebaut.»
Nicht ganz ohne Risiko. «Ich hatte damals nach der Lehre und der RS einen sehr guten Job als Bremstechniker bei den SBB. Das Helmgeschäft lief nur nebenbei.» Eines Tages, auf der Kartbahn, traf Krähenbühl seinen heute wohl grössten Werbeträger in der Motorsportwelt: den heute zweifachen DTM-Vizechampion Nico Müller. Der Teenager, damals noch im Kart unterwegs, war ein Fan von Krähenbühl und dessen Helmdesigns. Mit dem Velo und seinem unbefleckten Helm im Körbli radelte Müller deshalb vom benachbarten Blumistein nach Gurzelen. Müller ist heute älter und bekannter, aber den Helm lässt er sich immer noch bei Krähenbühl designen. Geblieben ist auch das N für Nico, das den Kopfschutz ziert. Auf dem ersten Helm noch gut erkennbar, ist die Initiale mit den Jahren immer wilder, schnörkeliger geworden. «Wenn ich Nico jeweils einen Helm überreicht habe, hat er gestrahlt wie ein kleines Kind unter dem Weihnachtsbaum. Das hat mich sehr berührt und war mitunter ein Grund für mich, auf die Karte Helmdesign zu setzen. Durch Nico wurde mein Studio schliesslich auch bei Piloten im Ausland bekannt», erzählt Krähenbühl.
Die Visitenkarte der Rennfahrer
Wieder klingelt das Telefon. Diesmal kennt Krähenbühl die Nummer nicht, «jemand aus Deutschland». Es ist offenbar die Assistentin eines Unternehmers, eines Gentleman-Drivers, der sein Haupt auch mit einem schmucken Helm verschönern lassen will. Sie müsse das erst abklären, tönt es aus dem Telefon, als Krähenbühl nach Details des Designs fragt. «Ist gut, wir hören uns», sagt Patrick Krähenbühl, legt sein Handy auf den Tisch und brummelt: «… und wenn der Helm bis nächste Woche fertig ist, dann wäre das tipptopp!»
Beklagen will sich der Künstler aber keinesfalls, denn das Helmbusiness mit der PS-Prominenz boomt. Tat es irgendwie ja schon immer: Wir erinnern uns an legendäre Helmdesigns von Formel-1-Champions wie Graham Hill und Sohn Damon, die mit dem Vereinslogo des London Rowing Club auf dem Helm am Lenkrad drehten, oder Sir Jackie Stewart, der das Schottenmuster am Kopfschutz trug, oder Gilles Villeneuve und dessen Sohn Jacques mit dem V auf ihren Helmen und, nicht zu vergessen, an den Gelben, jenen von Ayrton Senna, der den Gegnern schon im Rückspiegel unangenehm in die Augen stach. «Legendäre Helmdesigns gibt es viele. Helme sind für die Rennfahrer ein Heiligtum. Früher waren sie Erkennungsmerkmal, heute sind sie vor allem ein Schmuckstück. Du weisst schon: Schickimicki! Du glaubst gar nicht, wie viel Glitzerfolie ich an Lager habe. Einen solchen Anstrich verpasst man normalerweise den Autoscootern auf der Chilbi», sagt Krähenbühl. «Als Helmdesigner bist du im Fahrerlager ein spezieller Gast. Tom Lüthi hatte den ersten mattlackierten Helm im Paddock, den wollte auch Valentino Rossi aus der Nähe begutachten. Sebastian Vettel begegnete ich mal in Hockenheim, und er meinte: ‹Ach, du bist Helmdesigner. Ich habe schon von dir gehört und Arbeiten gesehen.›»
Aber die Kunden müssen nicht immer Rennstars sein. Wer seinem Helm ebenfalls gerne einen persönlichen Touch verpassen möchte, der ist bei Krähenbühl willkommen. «Manchmal kommen Buben mit ihren Töfflihelmen, zwei Händen voller Münzen und der Frage, ob das reiche. Es reicht, sage ich. Ich weiss, sie haben für ihr Design gearbeitet und das Geld zusammengekratzt, das schätze ich eben auch – und entsprechend glücklich stolzieren sie Tage später mit ihrem neu lackierten Helm wieder aus dem Geschäft hinaus.» Es ist daher auch nachvollziehbar, dass sich Krähenbühl bisweilen nervt, wenn er im TV sieht, wie ein Rennfahrer verärgert seinen Helm in eine Ecke pfeffert.
Das kotzende Einhorn
Aber Krähenbühl hat mit den Jahren für all die möglichen und unmöglichen und eiligsten Wünsche eine Retourkutsche für die Kundschaft kreiert. Er lacht, als er auf das Logo seines Studios Pat-Art-Design zeigt: «Das kotzende Einhorn!» Seine jüngste Tochter hatte sich einst aus Langeweile mit Stickern mit regenbogenfarbenen Einhörnern in Papas Studio verewigt. Daraus ist das kotzende Einhorn geworden – das Patrick Krähenbühl natürlich irgendwo auf einem Helm, auf seinem Kunstwerk, anbringt. Oder sogar am Rennwagen des Klienten. Wer um das ausgefallene Logo weiss, der bittet den Künstler bisweilen darum, es doch bitte zu unterlassen, das Einhorn anzubringen. Bunte Fabelwesen passen ja nicht wirklich zu Adrenalin-Junkies aus der Bleifussbranche. Krähenbühl sagt: «Diese flehenden Augen …» Er lacht. «Ich zelebriere das!» Er lacht weiter. Auch über sich selbst. Denn er weiss nur zu gut, was sich auf der Rennstrecke gehört und was nicht. 2019 war es, als Nico Müller wegen eines Sponsors die Farbe Rosa auf dem Helm haben wollte. «Keine Chance! Nein, bei mir gibt es kein Rosa!», habe er gewettert, die Arme vor der breiten Brust verschränkt und wild den Kopf geschüttelt. Schliesslich bekam Müller sein Rosa doch. Seither hängt im Studio ein Dankesschreiben von ihm an der Wand: «Danke, dass du sogar Unterhösli-Rosa unwiderstehlich aussehen lässt!» Ausgefallene Helmdesigns sind bei Krähenbühl längst kein Problem mehr. Auch dann nicht, wenn es eilt.