Für Nico Müller war die Premiere auf der originalen Formel-1-Strecke von Monaco nur bedingt ein Highlight. Der Berner im Dragon-Penske belegte bloss Platz 18 mit einem Rückstand von elfeinhalb Sekunden auf Sieger António Félix da Costa und noch hinter den Landsleuten Sébastien Buemi (11. Rang) und Edoardo Mortara (12.). Darüber hinaus ist Müller aber vom neuen Formel-E-Highlight begeistert.
AUTOMOBIL REVUE: Sie sind 2013 im Rahmen des Formel-1-Grand-Prix auch in Monaco gefahren – und haben den Lauf zur Formel Renault gewonnen. Wie viel Glamour hatte denn nun der erste E-Prix von Monaco auf der originalen Rennstrecke?
Nico Müller: Was fehlte, was die Atmosphäre von Monaco eben auch ausmacht, waren klar die Zuschauer. Es hatte ein paar wenige. Aber vom Fahren her war es wirklich gut. 2013 hatte mein Rennwagen einen 3.5-Liter-V8-Motor und war damit zwar schneller als ein Formel E, aber es fühlte sich deswegen nicht langsamer an. Die Formel-E-Autos passen wie die Faust aufs Auge zu Monaco.
In der Formel 1 ist Überholen fast unmöglich, in der Formel E dagegen gab es viele Positionswechsel, vor allem auch an der Spitze.
Überholen ist in der Formel E möglich, bedingt auch dadurch, dass du als Pilot Energie sparen musst. Wir steigen nicht erst vor einer Kurve brutal auf die Bremse. Wir bremsen früher und rollen auf die Kurve zu, das ist dieses Lift and coast.
Sie hingegen blieben eher im Verkehr stecken. Es war wohl eine ernüchternde Premiere?
Es war absehbar, weil wir bei Dragon-Penske einen neuen Antriebsstrang eingebaut haben. Kinderkrankheiten musst du bei einer Premiere einkalkulieren. Ich lag schon in der Qualifikation – über nur eine Runde – zurück. Und wenn man noch berücksichtigt, wie eng das Feld beieinanderliegt, dann reichen viereinhalb Zehntelsekunden Rückstand auf die Super-Pole eben nur für Startplatz 20. Im Rennen lief es eine halbe Runde lang gut, ich konnte zwei Gegner überholen, blieb dann aber bei der Loews-Kurve im Verkehr stecken. Mir war klar, dass ich nichts mehr reissen werde, dazu war der Rückstand auf die Spitze viel zu gross. In der Formel E muss alles passen, damit du vorne dabei bist.
Und Penske ist ein kleines Team.
Stimmt. Der neue Antriebsstrang stammt aus dem Hause Penske. Da sind rund 15 Mitarbeiter, die sich um alles kümmern, von der Entwicklung über die Simulationsarbeit bis hin zu Tests und Rennen. Die leisten brutal viel! Werkteams in der Formel E arbeiten im Vergleich dazu schon mit 80 bis zu 100 Personen, die dazu auch spezialisiert sind für Entwicklung, Simulation et cetera. Kleine Teams und Werkteams – das sind verschiedene Welten.
In Monaco gab es in den Jahren 2015, 2017 und 2019 schon E-Prix, aber nur über die halbe Distanz und nur unten am Hafenbecken. Nun wurde auf der 3.3 Kilometer langen GP-Strecke gefahren. Auch weil es die neuen Formel-E-Boliden mittlerweile zulassen, wie man hört?
Möglich wäre es auch schon vorher gewesen. Aber es wäre nicht sinnvoll gewesen, weil die Formel-E-Autos damals nicht effizient genug waren und man deshalb die E-Prix-Distanz hätte verkürzen müssen. Oder wir wären im Sparmodus einfach langsamer unterwegs gewesen.
Vor Monaco gab es in Valencia ja auch die Rundstreckenpremiere der Formel E. Kann man also sagen, in der siebten Saison seit dem Debüt und in der ersten, in welcher es nun auch offiziell um einen WM-Titel geht, hat die Formel E ein neues Level erreicht?
Die Anerkennung wächst. Die Motorsportwelt hat registriert, dass sich Teams und Fahrer in der Formel E auf einem hohen Niveau bewegen. Mit dem WM-Titel ist auch die Motivation grösser denn je. Es gibt nicht viele Rennserien, in denen du um einen WM-Titel fährst. Diesen Status hat sich die Formel E mittlerweile aber redlich verdient.
Aber mit dem WM-Titel merkt man auch zunehmend, dass sich zwischen den Werkteams und den kleinen Rennställen eine Schere auftut. Wie in anderen Rennserien, vor allem der Formel 1, setzen sich die Grossen von den Kleinen ab. Wie sehen Sie das?
Das ist zwangsläufig so, ja. Das Interesse der Hersteller nimmt zu, sie sind immer mehr dazu bereit, mehr Geld zu investieren. Irgendwann können dann die kleinen Teams nicht mehr mithalten. In den ersten Jahren hatten alle dieselbe Hardware, heute kannst du viel an einem Formel-E-Auto selber entwickeln. Übernächstes Jahr kommen die Gen-3-Cars, die Boliden der dritten Generation – wir werden sehen, wie es weitergeht.