Im Dezember 2019 liess Alain Valente aufhorchen. Der Berner, damals erst gerade 23-jährig geworden, war einer von vier internationalen Nachwuchspiloten, die im Förderprogramm des Rennstalls von McLaren unterkamen. Da darf man getrost ins Schwärmen kommen und etwas weiche Knie haben. McLaren, der ruhmreiche Traditionsrennstall aus Woking (GB), mit Formel-1-Champions wie James Hunt, Niki Lauda und natürlich Alain Prost und Ayrton Senna – was für eine Hausnummer! Umso enttäuschender war für Valente, dass seine Premierensaison 2020 als Werkspilot abgesagt wurde – wegen der Corona-Pandemie, die vor etwas mehr als einem Jahr ihren Anfang nahm. Valente musste sich deshalb bis Ende Mai dieses Jahres gedulden, bis er im McLaren 570S GT4 Platz nehmen und endlich Gas geben konnte. Weit kamen er und sein Teamkollege, der US-Amerikaner Michael Benyahia (20), wie der Berner in McLarens Young-Driver-Programm, allerdings nicht.
Es kann nur aufwärts gehen
Beim Saisonauftakt der British GT Championship mit über 20 Teams und sieben Marken in den Klassen GT3 und GT4 Ende Mai in Brands Hatch (GB) lag die flache Flunder des Duos schon im zweiten Training darnieder: Motorschaden. «Bei McLaren entschied man sich, die Qualifikation sausen zu lassen und stattdessen im Werk in Woking einen neuen Motor einzubauen. Einen Nachmittag und eine ganze Nacht lang schufteten sieben Mechaniker am Auto. Und tatsächlich stand am Renntag der McLaren wieder in der Box», erzählt Alain Valente. Das Engagement der Truppe zahlte sich für Valente/Banyahia aber leider nicht aus.
Im Warm-up lief alles rund, Rang drei in der GT4-Wertung stimmte die Youngsters zuversichtlich. «Als ich mich aber aufmachen wollte zur Startaufstellung, ging nichts mehr.» Der McLaren blieb schon wieder in der Box stehen. Vermutlich wegen eines defekten Elektronikteils. Erstes Rennen, null Punkte – für Valente kann es nur aufwärts gehen.
Im Sinn von Bruce McLaren
Der Berner hat den verkorksten Saisonstart längst abgehakt und nimmt ihn sogar mit Humor: «Ich denke, wir haben unseren Anteil Pech dieses Jahr bereits ausgeschöpft. Schlimmer kann es ja fast nicht mehr kommen.» Der Misere gewinnt Valente auch Positives ab. Den Feuereifer, den die McLaren-Techniker beim Motorenwechsel an den Tag gelegt hätten, sei eindrücklich gewesen: «Das geht bei diesen seriennahen Rennwagen nicht so einfach wie bei einem Formel-1-Boliden. Aber unser Auto stand morgens um sechs wieder an der Rennstrecke. Wahnsinn!» Man ist fast gewillt zu sagen: Am Enthusiasmus und an der Passion hätte Bruce McLaren, der Mitte der 1960er-Jahre den Rennstall gründete und am 4. Juni 1970 bei einer Testfahrt in einem CanAm-McLaren bei Goodwood (GB) tödlich verunglückte, seine Freude gehabt.
Valente ist längst auch mit Feuereifer bei McLaren dabei. Zwar sind seine Renneinsätze eng abgesteckt, «weil ich vertraglich an McLaren gebunden bin, fahre ich neben der GT-Meisterschaft an sieben Wochenenden noch ein paar, vom Rennstall ausgesuchte Rennen für Kundenteams». Der Berner hat aber auch neben der Rennerei viel zu tun. Schon letztes Jahr und trotz Corona-Beschränkungen flog er öfter auf die Insel. «Ich bin sicher an die zwei Mal pro Monat in England. Die Reiserei ist kein Problem, als Angestellter von McLaren bin ich sozusagen auf Geschäftsreise», sagt Valente. Vorab nach Silverstone (GB) wird er aufgeboten zwecks Testfahrten und Simulationsarbeiten. «Ab und zu bin ich auch im Hauptsitz in Woking.» Dort sei er auch schon McLaren-Grössen wie Zak Brown, dem Vorstandsvorsitzenden von McLaren Racing, und Formel-1- Shootingstar Lando Norris über den Weg gelaufen. «Das Werk in Woking ist schon sehr eindrücklich. Ich meine, die Geschichte von McLaren konzentriert sich ja nicht alleine auf die Formel 1.»
Zumindest ein Kapitel der ruhmreichen Teamgeschichte möchte auch Valente schreiben. «McLaren möchte endlich diese britische GT-Championship gewinnen, man erwartet es auch. Dieses Ziel haben ich und mein Teamkollege Michael Benyahia – und wir trauen uns den Titel auch zu!» Dem missglückten Saisonstart zum Trotz und obwohl er auf den meisten dieser klangvollen, britischen Rennstrecken noch nicht gefahren ist. «Brands Hatch, Snetterton und Silverstone kenne ich mittlerweile. Donington und der Oulton-Park stehen noch aus, und dann machen wir ja noch den Abstecher nach Spa-Francorchamps. Aber Kopfzerbrechen bereitet mir das nicht, denn ich kann ja im Simulator lernen und mich so bestens vorbereiten.»
Valente lässt also wieder aufhorchen.