Es wäre falsch zu behaupten, dass die Rückkehr der Motorsports in der Schweiz ohne Schwierigkeiten erfolgt sei. Kaum hatte die Rallye du Chablais 2021 begonnen, dämpften drei Unfälle in dichter Folge die Stimmung im Servicepark von Aigle VD. Diese Unfälle verkürzten den Freitag um zwei der vier geplanten Wertungsprüfungen.
Der von 60 auf 30 Kilometer verkürzte Parcours reichte aber aus, um die Fahrer einzuordnen, denn die wenigen Kilometer genügten Sébastien Carron und seinem Beifahrer Lucien Revaz für eine Glanzleistung und einen komfortablen Vorsprung am Ende des ersten Tages. «Ich bin Freitag bei den ersten Prüfungen voll auf Attacke gefahren», gestand der Mann aus Vetroz VS mit einem breiten Lächeln. Und weiter: «Wie ich schon letzte Woche in der AUTOMOBIL REVUE gesagt hatte, starteten wir mit vielen Unbekannten, denn wir hatten seit langer Zeit in keinem Rallyeauto gesessen. Ausserdem trat ich in einem neuen Auto an (Škoda Fabia R5 – Red.). Unsere Befürchtungen legten sich jedoch nach der ersten Wertungsprüfung, als wir merkten, dass wir schnell unterwegs waren.»
Coppens auf der Lauer
Ebenfalls schnell unterwegs war der Mann aus Verbiers VS, Mike Coppens, mit 20 Sekunden Rückstand nach dem ersten Renntag: «Ich mag diese Sonderprüfungen nicht. Ich habe mich da oben noch nie wohl gefühlt. Das ist für mich ein echtes Problem, diese Rallye auf diesen Strecken zu starten. Das ist leider so. Der Beste vorne kommt damit gut zurecht.» Sébastien Carron schien uneinholbar und vergrösserte seinen Vorsprung auf den ersten Wertungsprüfungen am Samstag, bevor sein schärfster Konkurrent die letzen Prüfungen für sich entschied: «Auf den gefährlichsten Wertungsprüfungen konnte ich dank meines Vorsprungs mit weniger Risiko fahren und den Druck über den gesamten Tag reduzieren», so der Walliser. Das gab Mike Coppens wieder Anlass zu Hoffnung: «Am Samstag konnten wir auf den insgesamt 95 Kilometern Sonderprüfung Carron wieder 17 Sekunden abjagen», lautete der stolze Kommentar von Coppens, der den ersten Lauf der Schweizer Rallyemeisterschaft sehr positiv bilanzierte: «Es ist sehr gut, dass wir nicht mehr weit hinter Carron liegen. Wenn ich den zweiten Platz mit einer Sekunde Rückstand pro Kilometer hinter dem Erstplazierten geholt hätte, wäre ich enttäuscht gewesen. Aber das ist ja nicht der Fall!»
Ballinari mit Rückstand
Coppens kann wirklich stolz auf dieses Ergebnis sein. Auch mit einem Rückstand von nur 37 Sekunden auf Carron beim Zieleinlauf war der Pilot aus Verbier im Vergleich mit dem amtierenden Schweizer Rallyemeister, dem Tessiner Ivan Ballinari, eindeutig stärker. Dessen Chronometer zeigte 2:42 Minuten Rückstand auf den Sieger Carron: «Es fehlten uns eindeutig Fahrkilometer. Schon auf den ersten Wertungsprüfungen merkten wir, dass wir seit zwei Jahren nicht mehr gefahren waren. Das hat mich aber nicht daran gehindert, die Wertungsprüfungen am Freitag mit Riesenspass zu absolvieren.»
Der Tessiner ist mit seiner Leistung bei der Rallye du Chablais trotzdem zufrieden. «Wenn man gegen einen Carron fährt, der auf Anhieb sehr schnell unterwegs ist, dann fällt es schwer, mit ihm zu kämpfen. Bei Mike Coppens spürte man seine gute Vorbereitung auf die Saison, wir hatten diese Möglichkeit leider nicht. Wir wollten auf dem Podium landen, und das haben wir geschafft. Umso besser!», lautete die Bilanz von Škoda-Pilot Ivan Ballinari.
Eine Alpine stiehlt allen die Show
Sicher war Ballinari der dritte Platz bei der Rallye du Valais aber keineswegs. Der Tessiner hatte lange am Junioren-Champion von 2019, Jonathan Michellod, zu knabbern. Michellod musste aber am Samstagvormittag wegen eines Unfalls zwischen Collombey VS und Muraz VS die Segel streichen. «Es war ein kleiner Fehler», erklärte Michellod später, «aber auch das Ende unserer Hoffnungen. Wir wollen das nächste Mal besser abschneiden.» Damit war die Bahn frei für Olivier Gillet, der mit der schnellsten der vier Alpine A110 RGT auf Rang vier der Gesamtwertung der Rallye du Chablais landete. Der Schweizer Meister von 2005 fuhr immerhin in zwei Prüfungen die drittbeste Zeit, eine unglaubliche Leistung, wenn man bedenkt, dass die Alpine nur über eine angetriebene Achse verfügt und Gillet zum ersten Mal am Steuer dieses Autos sass.
Ein weiterer nationaler Champion machte ebenfalls auf sich aufmerksam: Cyril Henny feierte nach 20 Jahren (!) Unterbrechung sein Comeback und landete mit einem Renault Clio S1600 auf dem siebten Rang der Gesamtwertung hinter Joël Rappaz auf Ford Fiesta R5 und Alain Blaser auf Hyundai i20 R5. Die weiteren Ränge der Top Ten belegten Jean-Marc Salomon, der Franzose Fabrice Bect und Pierre Lafay.
Spannender Endspurt der Junioren
In der Juniorenkategorie und in der Clio-Swiss-Trophy hiess der Sieger David Erard. Der Rallyefahrer aus dem Jura nutzte einen Patzer von Ismaël Vuistinier. Den zweiten Rang erkämpfte sich Sacha Althaus in einem aufregenden Schlussspurt, der Dritte, Jérémie Toedtli, lag nur 0.6 Sekunden hinter ihm. In der Trophée Michelin Suisse für Autos mit Frontantrieb gewann ein Franzose. Walter Mathieu siegte vor Didier Postizzi auf einem Renault Clio RS R3T. Maurice Brera auf seinem Peugeot 208 folgte auf Rang drei.
In der Klasse der historischen Fahrzeuge (VHC) gewann mit Stéphane Poudrel auf Triumph TR7 ebenfalls ein Franzose. Der amtierende Meister Marc Valliccioni musste auf der achten Wertungsprüfung wegen Motorschadens aufgeben. Pascal Perroud, der zu Beginn der Rallye ebenfalls vorne mitmischte und wie Valliccioni auf einem BMW M3 E30 fuhr, musste ebenfalls wegen technischer Probleme aufgeben. Gewinner der Gleichmässigkeitsprüfung historischer Fahrzeuge (VHRS) – einer Premiere für die Rallye du Chablais – waren Jean-Luc George und Denis Giraudet auf einem Ford Escort RS 2000.
Alle in diesem Artikel von der AUTOMOBIL REVUE befragten Rennfahrer bedankten sich ausdrücklich bei der Organisation und den ehrenamtlichen Helfern, die zum Erfolg der Rallye du Chablais beigetragen haben.