«Die Schweizer sind leidenschaftlich»

Die Rennsportlegende Bernd Schneider betreut Rennfahrer, seit diesem Jahr unter anderem auch den Schweizer Julien Apothéloz.

So schnell macht Bernd Schneider keiner was vor. In den 1980er-Jahren war der Deutsche Formel-1-Pilot (bei Zakspeed) und in den 1990ern startete er dreimal bei den 24 Stunden von Le Mans (F, mit Porsche und Mercedes). 1989 und 2013 siegte er bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps (B) und auf dem Nürburgring (D, Ford, Mercedes), 1997 war er GT-Weltmeister (Mercedes). Aber vor allem ist er mit fünf Titeln Rekord-Champion der DTM (1995, 2000, 2001, 2003 und 2006, AMG-Mercedes). Bei Bernd Schneider sind die Schweizer Julien Apo­thé­loz, der neu in der GT World Challenge startet, und Philip Ellis, Rookie in der DTM, in guten Händen. Mit der Rennlegende hat die AUTOMOBIL REVUE über die Chancen von jungen Fahrern und den Wandel des Motorsports hin zu immer mehr Elektroserien gesprochen.

Automobil Revue: Traditionelle Serien kämpfen ums Überleben, weil Hersteller vermehrt in Elektrorennsport investieren. Können Sie nachvollziehen, wenn junge Fahrer sagen, sie wüssten nicht, wie sie ihre Karriere planen sollen?

Bernd Schneider: Die Planung ist nicht das Problem. Es gibt immer noch die klassischen Wege, ­einer geht Richtung Formel 1, der andere Richtung Sportwagen. Egal, wie sich ein Fahrer entscheidet, es gibt immer eine Möglichkeit, die Rennserie zu wechseln. Das grösste Problem ist die Finanzierung einer Karriere. Der Motorsport ist im Wandel, und er entwickelt sich weiter in eine Richtung, die nicht absehbar ist. Der Motorsport muss CO2-neutral werden. Die Formel E macht es vor. Ich glaube aber nicht, dass sie die Zukunft ist. Aber auf jeden Fall bin ich zuversichtlich, dass wir den Motorsport wieder in eine Richtung kriegen werden, mit der sich Sponsoren wieder mit Autos und Rennsport identifizieren können. Das Auto ist zwar der Menschen Liebling – aber in einer Zeit, in der wir mehr denn je über Umweltschutz reden, ist sein Image eben nicht das beste.

Immer heisst es, die beste Ausbildung bekäme ein Fahrer über den Formel-Rennsport, weil diese mechanischen Fahrzeuge schwieriger zu fahren seien als Tourenwagen- oder GT-Autos mit Fahrhilfen. Hat Ihr Schützling, der erst 20-jährige Julien Apothéloz, die Karriere über TCR und GT in die GT3 falsch angepackt?

Nein! Aber wer in die Formel 1 will, der soll den Weg über die Formel 4 machen. Ich wollte als junger Rennfahrer nur eines, in die Formel 1. Also ging ich konsequent diesen Weg. Umwege lohnen sich nicht. Aber es ist heute ein Problem, wenn ein Fahrer in die Formel 4 will und für eine Saison 400 000 Euro mitbringen muss, in einer TCR-Meisterschaft aber nur rund ein Viertel davon. Rechnen wir das hoch, sind wir rasch bei fünf Millionen, die ein Fahrer auf der Seite haben muss, wenn er auf dem klassischen Karriereweg bei der Formel 1 anklopfen will. Es ist notwendig, dass sich die Jungen bewusst werden, dass sie andere Wege gehen müssen, um Profi zu werden.

Fabio Leimer, einer der schnellsten Schweizer der vergangenen Jahre, hatte den Fuss in der Formel 1, sagt aber, er habe einen Fehler gemacht. Er habe nur die Formel 1 im Kopf gehabt und zu spät gemerkt, dass er auch in anderen Rennserien Profi sein könne.

Solche Talente müssen ja an sich glauben. Wenn die Formel 1 das Ziel ist, dann soll sich der Fahrer nicht ablenken lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fahrer dann tatsächlich in der Formel 1 ein Cockpit bekommt, ist so gross wie ein Lottosechser. Selbst wenn er das grösste Talent ist, heisst das nicht, dass er in der Formel 1 landet! Wenn ich sehe, dass einer meiner Jungs nicht unbedingt der nächste Lewis Hamilton wird, dann rate ich ihm, die eineinhalb Millionen Euro, die für die Formel 3 budgetiert sind, lieber in einer anderen Serie einzusetzen. Ist einer der nächste Hamilton, dann bin ich der erste, der sagt, wage es! Und dann helfe ich auch. Lässt sich ein solcher Weg aber nicht gezielt, nicht richtig aufgleisen, dann bringt viel Geld nichts. Nehmen wir DTM-Champion René Rast, der spät in den Motorsport eingestiegen ist, es aber vom Tourenwagensport in die Formel E geschafft hat. Oder Mattias Ekström, ein begnadeter Rennfahrer, der gar nie in die Formel 1 wollte, aber seinen Weg ebenso gemacht hat, in verschiedenen Serien. Die klassische Formelkarriere ist gerade in Europa, wo derzeit wenige Sponsoren sind, extrem schwierig.

Die Schlussfrage betrifft die Schweizer Rennfahrer. Apothéloz schrammte letztes Jahr in der GT4-Meisterschaft am Titel vorbei, ebenso Patric Niederhauser im GT Masters und Nico Müller in der DTM. Überrascht es Sie, dass es immer wieder starke Schweizer gibt, die international erfolgreich sind?

Nein. Ich kenne die Schweiz, ich wohne ja am Bodensee. Die Bergrennen hier sind eine grössere Herausforderung als jedes Rundstreckenrennen. Ich bin die Arosa Classic mitgefahren, und das war … (schmunzelt) recht beeindruckend! Ich habe mehr gezittert als früher in der Formel 1. Die Schweizer sind offenbar leidenschaftlich, wenn es um Autos und Rennsport geht. Bei AMG haben wir viele Schweizer Kunden, die die Rennlizenz lösen oder Fahrtrainings besuchen. Einfach, weil sie das Auto mögen. Und vielleicht auch, weil sie in der Schweiz nicht sportlich fahren dürfen. Wenn wir in Schweden auf Schnee fahren, haben wir immer Schweizer dabei. Die sind mit so viel Spass dabei! Auf den Aufnahmen der Inboardkameras sieht man die Schweizer besonders breit grinsen. Dass es das noch gibt,  das macht mir Spass.

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