Wikinger-­Gold

Drei WM-Titel hat der Norweger gesammelt – und viele ­automobile Kostbarkeiten. Das Rallye-Ass öffnet die Tür zur privaten Schatzkammer.

Solberg öffnet der AUTOMOBIL REVUE die Tür zum unscheinbaren Zweckgebäude.

In der Region Finnskogen sind die Grenzen fliessend. Zwischen Wald und Wiese, aber auch zwischen Schweden und Norwegen. Mittendrin das schwedische Städtchen Torsby, knapp zehn Kilometer von der Landesgrenze entfernt. Der berühmteste der 4058 Einwohner heisst Petter Solberg, geboren auf der norwegischen Seite des Finnskogen. Mit 13 feierte er seinen ersten Titel, als er 1987 die norwegische Meisterschaft für ferngesteuerte RC-Modelle gewann. Ein paar Jahre später liess er sich zum nationalen Champion im Discotanz küren. Kaum hatte Solberg den Führerschein in der Tasche, setzte er sich einen Helm auf und hinters Steuer. Fortan räumte er ab, was es abzuräumen gab, darunter mehrere nationale Titel am Berg, im Rallycross und Rallyesport und als Krönung den Rallye-WM-Titel 2003. Als wäre das nicht genug, folgten 2014 und 2015 noch zwei WM-Titel im Rallycross.

Mehr Benzin im Blut geht kaum

2003, im Jahr seines grössten Erfolges, heiratete Solberg die Schwedin Pernilla Walfridsson, selbst erfolgreiche Rallyepilotin und Tochter von Per-Inge Walfridsson, der wie seine beiden Brüder Lars-Erik und Stig-Olof schwedischer Rallyemeister war. «Mehr Benzin im Blut geht kaum», sagt Petter Solberg und schwört Stein und Bein, «dass es uns leichter fällt, uns an eine Jahreszahl, einen Titel, Sieg oder auch Unfall zu erinnern, wenn wir diese mit einem Auto in Verbindung bringen». Lachend fügt der Norweger an: «Vielleicht haben wir deswegen so viele davon.»

Vor gut zehn Jahren kauften die Solbergs den leerstehenden Lebensmittelmarkt im Ortszentrum, um dort einige Fahrzeuge abzustellen. «Schon damals war für mich klar, dass dies ein Museum werden soll», sagt Solberg und öffnet der AUTOMOBIL REVUE die Tür zum unscheinbaren Zweckgebäude. Im Eingangsbereich wird man von drei Renault-Werkswagen empfangen. Ein Renault 8 Gordini, eine Alpine von 1969 sowie der originale Renault 5 Turbo mit Chassisnummer 11 von Pernillas Vater Per-Inge Walfridsson. «Alles Hecktriebler», scherzt Petter Solberg und zeigt auf den kleinen Crosskart, an dem es vorbei in die Halle geht. Auf der anderen Seite führt eine Treppe in den zweiten Stock, wo sich Hunderte von Pokalen und Siegertrophäen aneinanderreihen sowie persönliche Erinnerungsstücke wie ein motorisiertes Kinderauto von Sohn Oliver Solberg oder jene angesengte Jacke, mit der es Per-Inge Walfridsson 1976 gerade noch aus seinem brennenden Lancia Stratos schaffte.

In der ebenerdigen Halle parken dicht gedrängt zwei Dutzend Autos aus den unterschiedlichsten Epochen, mehrheitlich reinrassige Sportgeräte. Die meisten gehören Petter Solberg, eine gute Handvoll der weitverzweigten Familie Walfridsson. Opa Helmer dominierte in den 1950er-Jahre den schwedischen Beerenhandel, zehn Jahre später avancierte er mit seinen Volvo- und Renault-Autohäusern zudem zum grössten Autohändler in der Region Värmland. Nicht nur seine drei Söhne, sondern auch deren Kinder und Enkel frönen dem Motorsport. Wie Oliver Solberg, der mit 19 Jahren als offizieller Hyundai-Werksjunior die WM-Szene aufmischt. Verständlich, dass in Solbergs Schatzkammer die Evolution der heimischen Volvo-Rallye­boliden vom frühen PV 544 Sport über einen 122 Amazon und 240 bis zum letzten 242-Turbo-Werkswagen vertreten ist. Und bevor wir näher auf Petters Gerätschaften eingehen, sollte erwähnt werden, dass die Walfridssons im nahen Sunne in ­einer Halle weitere 80 Sammlerstücke untergestellt haben, vom ersten Volvo-Truck über allerlei Ford bis zum edlen Jaguar.

«Unser grösstes Problem hier ist der Platzmangel», sagt Petter Solberg und zwängt sich zwischen den dicht parkierten Autos hindurch. Vorbei an ­einem Porsche 911 von 1965, den vor Jahren noch die 2014 verstorbene schwedische Rallyelegende Björn Waldegard bei einer historische Rallye steuerte, und zwei Volvos, die so dicht hinter einem Rallycross-Ford stehen, dass man einen anderen Weg suchen muss, um ans andere Ende der 400 Quadratmeter grossen Halle zu kommen.

Meilensteine auf vier Rädern

Dort steht neben einem mit feinstem Tuch abgedeckten McLaren 675LT Spider (limitiert auf 500 Exemplare) und einem Renault R12 Gordini einer von Petter Solbergs Lieblingen: Der Subaru Impreza WRC, mit dem der heute 46-jährige Norweger bei der Rallye Grossbritannien 2002 seinen ersten von insgesamt 13 Laufsiegen in der Rallye-WM feierte. «Ein Meilenstein in meiner Karriere. Deshalb bedeutet mir dieses Auto mehr als jener Impreza WRC, mit dem ich im Jahr darauf den Sieg wiederholen konnte und den WM-Titel feierte.»

Ein Bild mit Michael Schumacher erinnert daran, dass der Formel-1-Rekordchampion im Frühjahr 2004 von seinem Ferienhaus in Norwegen zu einem Schweden-Test vorbei kam, um für einmal neben Solberg auf dem heissen Sitz Platz zu nehmen. «Er war richtig nett und wirklich interessiert. Nach dem Proberitt war er aber völlig schockiert, wie zügig es mit Spikesreifen durch den Wald ging», erinnert sich Solberg.

Zwei weitere Subaru der kleinen Sammlung sollten nicht unerwähnt bleiben: Zum einen die Chassisnummer 000 des zum WM-Triumph 2003 in nur 555 Stück produzierten Impreza-STI-Sondermodells 555, der noch keinen Meter bewegt wurde. Co-Pilot Phil Mills erhielt übrigens Chassisnummer 001 und nutzt diesen im Gegensatz zu Solberg im Alltag. Zudem parkt zwischen dem Toyota Celica Turbo 4WD, mit dem Petter Solberg 1997 seinen ersten Gesamtsieg in der norwegischen Meisterschaft holte, und dem Citroën C4 WRX Supercar, mit dem er gleich zwei WM-Titel in der Rallycross-WM feierte, ein schwarzer Legacy Station Wagon. «Als mir der Subaru-Präsident bei ­einem Treffen anbot, ich dürfte mir irgendein Auto aussuchen, habe ich aus Höflichkeit zu ihm gesagt: ‹Ich würde gerne das gleiche Modell haben, das Sie gerade fahren.› Vier Wochen später stand dieses Auto vor meiner Tür.» Auch der Mitsubishi Lancer Evo 4, mit dem Ehefrau Pernilla im Jahr 2000 die norwegische Rallyemeisterschaft gewann, hat in der proppenvollen Halle seinen Platz gefunden.

Neuer VW Polo R5 ist museumsreif

Längst platzt die Automobil-, Trophäen- und Raritätensammlung der Solbergs aus allen Nähten. Auch deshalb wird beim familieneigenen Team PS 110 Prozent gerade umgeräumt und ausgebaut. In der sich auf rund 650 Quadratmetern Grundfläche über zwei Stockwerke erstreckenden Werkshalle steht einer von insgesamt drei Citroën Xsara WRC und wartet auf seine Restauration. Ist die abgeschlossen, soll ein zweiter für Rekord-Rallyeweltmeister Sébastien Loeb wieder in den Originalzustand zurückversetzt werden.

Daneben kauert ein Porsche 911 GT3, mit welchem Petter Solberg und der 2015 tödlich verunglückte Formel-l-Pilot Jules Bianchi Fahrtrainings gaben, sowie einer von zwei VW Polo R5. Einer diente Sohn Oliver in den vergangenen zwei WM-Jahren als Dienstwagen. «Der andere ist mein WRC2-Auto von der Rallye Grossbritannien 2019 und damit mein letztes WM-Siegermobil. Das wird später neben dem Subaru im Museum stehen.» In einem Nebenraum versteckt sich zudem der Ford Escort BDA, mit welchem das motorsportverrückte Ehepaar Petter und Pernilla Solberg ab und zu bei historischen Rallyes antritt. Und da steht auch noch ein zweiter, knapp 600 PS starker Citroën C4 RX Supercar, den Junior Oliver ab und an auf irgendeiner Rallycrosspiste ausführt.

Solbergs absolute Nummer 1

Auf der anderen Seite des Hofes befindet sich eine zusätzliche Lagerhalle. Während unter einem Dach auf der Aussenseite zwei seriennahe Subaru-Rallyeautos sowie zwei teilzerlegte Peugeot-208-­R2-Rallyeboliden und diverse Anhänger stehen, lagern im Innern auf einer Grundfläche von weiteren 400 Quadratmetern allerlei Teile. Angefangen von Türen, Front- und Heckschürzen bis hin zu diversen Motorteilen. «In manchen Ecken ist die Bude bis unters Dach voll. Hier lagern knapp 800 Felgen, 200 Antriebswellen, sicher 50 Turbolader und gut 20 Getriebe und Motoren. Für jedes Rennauto haben wir mindestens ein Ersatzgetriebe und ein Ersatztriebwerk», berichtet Petter Solberg und zeigt stolz auf den Volvo 240, der inmitten der Halle hinter einem weiteren Citroën Xsara WRC steht. «Dieses Auto ist meine absolute Nummer 1, noch vor dem WM-Subaru von 2002 und dem C4 WRX, mit dem ich zwei WM-Titel holte. Das Auto habe ich 1995 zusammen mit meinem Bruder Henning aufgebaut. Statt eines Turbo haben wir einen 2.8-Liter-Saugmotor mit 340 PS eingebaut. Die Gewichtsverteilung war mit 63 Prozent auf der Hinterachse perfekt. Der Heckflügel ist original aus der Formel 3. In diesem Volvo steckt alles, was wir über Renntechnik wussten und konnten. In ­einer Saison habe ich 19 von 20 Rennen sowie die norwegischen Titel im Rallycross und am Berg gewonnen. Dieses Auto bin ich.»

Aber warum steht dieses historische Stück, die absolute Nummer 1 von Petter Solberg, um Himmels Willen dann hier, mitten in dieser tristen Halle? «Ganz einfach, im Museum ist es so eng, dass ich nicht einmal mehr herankäme, um die Türe zu öffnen und einfach nur reinzusitzen», gesteht Solberg. 

Und wenn wir schon dabei sind, welches Auto vermisst er eigentlich in seiner Sammlung? «Eigentlich nur eines: den Martini-Ford Focus RS WRC von der Safari Rallye 1999. Unvergessen, wie wir mit dem Auto damals unseren Teamkollegen Colin McRae angeschoben und dadurch wohl einen Podiumsplatz verloren haben. Colin aber siegte. Dieses Auto würde diese Sammlung noch abrunden.»

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