Der Fixstern ist er zwar nicht mehr. Dafür verkaufen sich Macan und Cayenne zu gut. Das emotionale Zentrum im Porsche-Universum aber ist der 911 nach wie vor und wird es wohl auch immer bleiben. Innerhalb der breiten Palette nimmt der Targa nicht nur eine Sonderstellung ein, sondern steht beinahe sinnbildlich für die Gesetzmässigkeiten in der Porsche-Welt. Die Tradition bleibt seit 1965 und der Einführung des ersten Targa (s. Classics) mit Ausnahmen und Unterbrüchen bestehen. Das Alleinstellungsmerkmal, der Targa-Bügel, der das Auto je nach Betrachtungsweise zum halb geschlossenen Cabrio oder halb offenen Coupé macht, wird seit der letzten Generation wieder gekonnt in Szene gesetzt. Zwar versuchten sich auch andere Hersteller im Laufe ihrer Geschichte mit einem Targa-ähnlichen Aufbau, wirklich stilprägend allerdings waren immer und einzig die Versionen von Porsche. Und da der Targa ein waschechter 911 ist, mangelt es ihm in keiner Situation an üppiger Leistungskompetenz. Im Falle des 4S stehen 450 PS und 530 Nm im Datenblatt, vor allem aber ist es das Fahrwerk, dessen Abstimmung beim Targa begeistert und passt wie angegossen.
Herausragende Traktion
Dem Targa der Generation 992 gelingt es, praktisch alles zu verkörpern, was einen Porsche ausmacht. Angefangen beim grandiosen Dreiliter-Boxermotor, der dank der optionalen Sportabgasanlage herrlich klingen darf. Das Herunterschalten gleicht einem Sinfonieorchester mit starkem Posaunenanteil. Bei der Beschleunigung wandelt sich der Klang von einem erwartungsfreudigen Brummen in ein forderndes Schreien. Unter 3000 U/min geht nicht viel, darüber spielt die Mechanik dank der 530 Nm, die über ein breites Band zur Vergüngung stehen, verrückt. Oberhalb von 6000 U/min verliert der doppelt aufgelandene Sechszylinder dann aber etwas an Souveränität, bevor er bei bei 7500 U/min in den Begrenzer schiesst.
Die Traktion dabei ist beinahe in sämtlichen Lebenslagen herausragend. Nicht genug, dass der Targa unbeeindruckt in nur 3.6 Sekunden von 0 auf 100 km/h und in 13.1 Sekunden auf Tempo 200 schiesst, der 911 steckt auch eigentlich sportwagenfeindliche Bedingungen bestens weg. Egal ob bei nasskaltem Schneeregen, auf verschneitem oder teilweise gefrorenem Untergrund: Der Allradantrieb, die einzige Antriebsoption beim Targa, verteilt die Kraft zwischen der permanent angetriebenen Hinterachse und den Vorderrädern optimal.
Kaum Grenzen gesetzt
Die Lenkung ist zwar nach wie vor etwas leichtgängig, passt mit ihrer Auslegung aber wunderbar zum eigentlichen, zurückhaltenden Charakter des Targa. Die Gewichtung verändert sich mit den vier Fahrmodi leicht und bleibt stets direkt und zielgenau. Erneut ist es auch im Targa ein Leichtes, den Vorderwagen millimetergenau vor einem Kurveneingang zu platzieren. Gelingt dies aus irgendeinem Grund nicht, dann verzeiht er auch gröbere Korrekturen mitten in der Kurve, solange man nicht allzu forciert auf das Gaspedal tritt.
Trotzdem wurde auf die absolute Härte bei der Fahrwerksabstimmung verzichtet. Die Spreizung reicht von Komfort bis Sport Plus, wobei es durchaus möglich ist, ständig im schärfsten Modus unterwegs zu sein. Das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe – auf Wunsch ist erfreulicherweise auch eine Siebengang-Handschaltung verfügbar – reagiert blitzschnell, sauber, braucht aus dem Normal-Modus beim Kick-down aber etwas lange, um den passenden Gang bereitzustellen. Allerdings auch deshalb, weil der Targa zum Spritsparen schon bei tiefen Tempi bevorzugt knapp über Leerlaufdrehzahl in den beiden höchsten Gängen verweilt. Auf der AR-Normrunde ermittelten wir einen höchst vernünftigen Verbrauch von 8.2 l/100 km – Grenze nach oben allerdings offen. Vor allem wenn über den mittigen Knopf im Drehregler am Lenkrad sämtliche Systeme innert Sekundenbruchteilen in Rennmodus gebracht werden.
Ein wahres Schauspiel
Es ist unbestritten, dass der Targa auch dort eine gute Falle machen würde. Aufgrund des Leergewichts von 1.7 Tonnen und der etwas sanfteren Grundabstimmung gegenüber den Turbomodellen gehört er in Kurven aber nicht zu den Allerschnellsten – wenn auch die Performance für die Strasse irrwitzig gut ist. Mehr Eindruck am Stammtisch macht der Targa mit seinem vollautomatischen Dachsystem. Während des 19 Sekunden dauernden und bis Tempo 50 möglichen Schauspiels wird der gesamte Heckaufbau angehoben, gekippt und nach hinten gefahren. Weil die Scheibe bis hinter das Heck ragt, überwacht der Parkassistent den Vorgang und bricht bei Gefahr ab. Das Softtop wird gefaltet und hinter den Rücksitzen verstaut. Anschliessend fährt die 12.9 Kilogramm schwere Glaskuppe in ihre ursprüngliche Position zurück.
Das Platzangebot auf den beiden Notsitzen im Fond wird dadurch kaum beeinflusst. Allerdings halten es dort auf längeren Strecken ohnehin höchstens Kinder aus. Vielmehr dient der Platz als zusätzlicher Gepäckraum zur vorderen Ladeluke, womit 295 Liter Stauraum zur Verfügung stehen.
Die Verarbeitung ist erneut auf höchstem Niveau. Sämtliche Nähte sind perfekt, es wurde auf zumeist hochwertige Materialien geachtet. Allein: Im Vergleich zu den Turbomodellen kommen etwas mehr Elemente in Hochglanzoptik zum Einsatz, allerdings kostet der Targa 4S in der Basis mit 49 300 Franken dann auch einen ganzen Kompaktwagen weniger als der Turbo. Unser Testwagen kam mit einigen Optionen bereits auf einen stolzen Preis von 213 750 Franken zu stehen.
Das Infotainment mit seinem 10.9-Zoll-Bildschirm kennt man von anderen Modellen. Es kämpft nach wie vor mit einem teils verschachtelten Aufbau und kleinen Menüpunkten. Hoch anzurechnen in der neuen 911-Generation die Tatsache, dass sämtliche während der Fahrt wichtigen Funktionen über Schalter oder Drehregler bedient werden können. Der Drehzahlmesser bleibt analog, flankiert wird er von zwei Sieben-Zoll-Screens, deren äussere Bereiche allerdings vom wunderbar anzufassenden Lenkrad überdeckt werden. Trotz hübscher Aufmachung wäre weniger etwas mehr.
Einen Schritt nach vorn gemacht hat Porsche in Sachen Spurhalteassistent, der auf der Autobahn nun auch in Kurven die Spur hält, diese aber nach wie vor etwas eckig durchfährt. Der Fernlichtassistent gehört dank LED-Matrix-Licht zu den besten auf dem Markt. Der Gegenverkehr wird ausgeblendet und das Sichtfeld stets gut ausgeleuchtet. Apropos Sichtfeld: Dieses ist nach hinten für einen Sportwagen überragend. Dank der umfliessenden Heckscheibe, einer weiteren Hommage an den Ur-Targa, ist für einmal nicht die Scheibe, sondern der Rückspiegel der limitierende Faktor. So sieht man dann auch die bewundernden Blicke der anderen Verkehrsteilnehmer noch besser, denn: An Strahlkraft hat diese Ikone aus Zuffenhausen auch in ihrer jüngsten Ausführung nichts verloren.
Testergebnis
Gesamtnote 82.5/100
Antrieb
Der Boxermotor im Heck dreht enthusiastisch hoch und entfaltet bei hohen Drehzahlen ein wahres Feuerwerk. In tieferen Bereichen gibt er sich kultiviert und passt mit seiner Spreizung zum Gesamtpaket des Targas.
Fahrwerk
Die etwas weichere Abstimmung im Vergleich zu den beiden Turbomodellen steht dem Targa. So findet er die beinahe perfekte Balance zwischen Alltag, gemütlicher Sonntagsausfahrt und forcierter Kurvenjagd.
Innenraum
Die digitalen Elemente sind Geschmackssache, alles andere überzeugt. Die Verarbeitung ist erstklassig, der Materialmix grösstenteils auch.
Sicherheit
Der Targa wurde dereinst als Antwort auf US-Sicherheitsbedenken entworfen – sicherer als ein Cabrio ist er dank des festsitzenden Bügels also allemal. Die Assistenzsysteme haben einen Schritt nach vorne gemacht.
Budget
Über 200 000 Franken sind viel Geld. Vor allem weil beispielsweise sogar die Sitzheizung einen Aufpreis kostet. Mehr muss nicht gesagt werden.
Fazit
Ob der Targa in seiner Konzeption Sinn ergibt, muss jeder selbst entscheiden. Unbestritten lässt allein die Dachkonstruktion automobile Herzen höher schlagen – zumal der Targa gleich teuer ist wie das Cabrio. Verzehrempfehlung von uns: Oben ohne und mit offener Klappenabgasanlage, dann sind einem die bewundernden Blicke der Passanten sicher.
Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.