Der Porsche 959 war das Überauto der 80er Jahre. Die Frage ist auch: Wie viele wurden «verkauft»?
- Eigentlich nur 1987/88 gebaut
- Vielleicht 288, vielleicht 337 Exemplare
- Unfassbarer Preisanstieg in den letzten Jahren
Die 80er waren ja nicht die besten Jahre für Porsche, der 924 und vor allem der 928 hatten die Marke nur bedingt vorwärts gebracht, und der ewige 911er lief längst nicht mehr so, wie man sich das in Zuffenhausen wünschte. Im Chefsessel sass Peter Schutz, und als der damalige Chefingenieur Helmuth Bott ihm einige Änderungen am 911 vorschlug, da hatte Schutz ein offenes Ohr. Vor allem auch deshalb, weil Bott ihm Veränderungen vorschlug, die den 911er zu einem Gruppe-B-Rallyeauto machen sollten. In Le Mans fuhr Porsche weiterhin von einem Sieg zum anderen, doch auf den Rallyepisten hatte man in Stuttgart noch kaum Erfolge vorzuweisen. Die am weitesten gehende Neuerung, die Bott vorschlug, war ein neuartiger Allradantrieb.
Obwohl Bott erst 1982 grünes Licht für sein Projekt erhielt, stand im Herbst 1983 bereits ein erster Prototyp des 959 auf der IAA in Frankfurt. Die Reaktionen des Publikums und vor allem der potenziellen Kunden waren begeistert – obwohl der 959 aussah wie ein mächtig aufgeblasener 911er. Das gesamte Heck wurde zu einem überdimensionalen Spoiler umgearbeitet, und was Porsche an Kotflügel-Verbreiterungen anbaute, auch das Heck aus Kevlar, das hatte die Welt noch nie gesehen; der Wagen sah aus wie ein misslungener Versuch mit Plastikverformungen. Aber was Porsche durchsickern liess, was sich unter der Haut des Prototypen verbergen sollte, das liess nicht nur Kennern das Wasser im Mund zusammenlaufen: ein 2,85-Liter-Sechszylinder mit zwei Turbos, ein spezieller Allradantrieb, eine geschwindigkeitsabhängige Niveauregulierung. Noch während der IAA wurden die 200 Exemplare, die für eine Gruppe-B-Homologation nötig waren, bestellt.
Doch bevor Porsche weiter am 959 feilte, wurde zuerst einmal am offiziell 911 4×4 genannten Rennwagen (intern als 953 bezeichnet) gearbeitet. In Zusammenarbeit mit dem englischen Prodrive-Team wurde ein 953 für die Rallye Paris-Dakar vorbereitet, und mehr aus Versehen gewann René Metge das Rennen. 1985 wollte Porsche diesen Erfolg wiederholen, doch die geplanten, 600 PS starken Biturbo-Motoren wurden nicht rechtzeitig fertig, und die jetzt offiziell als 959 gemeldeten Porsche schieden alle kläglich aus (siehe auch: hier). 1986 hingegen gab es dann wieder einen Doppelsieg bei der legendären Wüsten-Rallye, doch dieser Erfolg kam zu spät, denn nach dem tödlichen Unfall von Henri Toivonen/Sergio Cresto bei der Korsika-Rallye in jenem Jahr wurde die Gruppe B abgeschafft – und das Sportprogramm mit dem 959 kam zu einem abrupten Ende.
Doch 1987 war es dann so weit, die ersten 959 wurden an die Kunden ausgeliefert. Und der Porsche war nicht nur das schnellste Serienfahrzeug seiner Zeit, sondern in erster Linie ein herausragender Technologieträger. Die Verwendung von Kevlar an der Aussenhaut wurde schon erwähnt, dazu kam die Frontschürze und der Frontspoiler aus Polyurethan; aussergewöhnlich waren auch die Magnesium-Felgen. Darin war allerdings auch eine ziemlich Spassbremse montiert, die Reifendruck-Kontrolle, die Porsche zwar bereits 1980 erstmals beim Porsche 936 in Le Mans eingesetzt hatte, die aber im 959 Ärger machte. Eigentlich hätte der Porsche mit den neuen Denloc-Reifen von Dunlop ausgerüstet werden sollen, doch im letzten Moment zog Porsche dann doch noch Bridgestone auf.
Der Allradantrieb war für die späten 80er Jahre sehr fortschrittlich. Über ein noch ganz gewöhnliches Differential werden die Hinterräder angetrieben, das vordere Differntial ist über die Antriebswelle mit dem Sechsgang-Getriebe verbunden. Bei Schlupf kommt dann die Lamellen-Kupplung ins Spiel, welche das Drehmoment optimal verteilt; über Sensoren werden Raddrehzahl, Schlupf, Motordrehzahl und Lenkwinkel erkannt. Was aber all die Computer nicht verarbeiten konnten, das war die gewaltige Kraft, die der Sechszylinder-Biturbo an die Räder schickte.
Nochmals, der Motor, der ist die wahre Perle im 959. Die sechs Zylinder sind in alter Porsche-Tradition zwar noch luftgekühlt, doch für die Zylinderköpfe des aus einer Alu-Legierung hergestellten Aggregats wurde eine Wasserkühlung entwickelt. Zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderreihe und vier Ventile pro Zylinder verstehen sich von selbst, auch die Trockensumpf-Schmierung (der Ölinhalt beträgt satte 18 Liter!), die Auslassventile verfügten über eine neuartige Natrium-Füllung zur besseren Wärmeleitung. Und dann ist da eben noch die bereits erwähnte Register-Aufladung mit den zwei hintereinander geschalteten, wassergekühlten KKK-Turboladern samt Ladeluftkühlern. Das ergibt dann 450 PS und ein maximales Drehmoment von 500 Nm bei 5000/min; der 959 beschleunigte in weniger als 4 Sekunden von 0 auf 100 km/h und rannte fast 320 km/h schnell.
Wie viele Porsche 959 gebaut wurden, darüber gibt es widersprüchliche Angaben. Aber zwei Zahlen werden immer wieder genannt: 288 und 337. Wir tendieren eher auf die höhere Zahl, denn es wurde eine hübsche Menge an Versuchsfahrzeugen gebaut, und 1992, vier Jahre nach Produktionsende, legte Porsche noch einmal zweite Serie auf, aufgebaut aus Ersatzteilen und im Detail etwas verbessert, vor allem bei der störungsanfälligen Niveau-Regulierung. Während die ersten Exemplare schon heftige 420’000 Mark gekostet hatten, legte Porsche bei diesen acht Sonder-Exemplaren noch einen drauf – und verlangte grobe 747’500 Mark.
Es entsteht hier eine kleine Serie von «seltenen Porsche», wir haben sie in einer Liste zusammengefasst, zu sehen: hier. Mehr Old- und Youngtimer finden Sie in der monatlichen Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE, Abos gibt es: hier.