Emotionaler Kompromiss

Das Erstlingswerk von Seats sportlicher Tochter bietet viel Fahrspass. Die bekannten Problemzonen kommen aus Wolfsburg.

Der Cupra Formentor: Das erste eigene Modell von Cupra.

Die Seat-Tochter Cupra ist die sportliche Abteilung im Konzern. Bisher beschränkte sich das Angebot auf Varianten von Seat-Modellen, mit dem Formentor folgt jetzt das erste eigene Modell. Dass dieser zur Markteinführung in der extremsten Variante mit 310 PS auf den Markt kommt, bevor später noch zivilisiertere Versionen folgen, ist kein Zufall. Und passt auch ziemlich gut.

Klein und scharf

«Der ist ja winzig», war der erste allgemeine Eindruck, als der Formentor bei der Redaktion eintraf. 4450 Millimeter lang, 1511 hoch und ein Radstand von 2680 Millimetern, um genau zu sein. Also ja: Der Formentor ist kompakt – kleiner als er auf den Bildern immer gewirkt hat. Das Platzangebot ist vorne gut, auf den Rücksitzen ausreichend. Die kompakten Abmessungen schränken die Kniefreiheit und die sportlich abfallende Dachlinie die Kopffreiheit arg ein. Für Kinder geht das problemlos, für Erwachsene wird es eher eng. Mit seinen 420 Litern Kofferraum bietet er weniger Ladevolumen als die Konkurrenz im Segment, auch dieses schränkt die Dachlinie ein.

Optisch ist er aber durchaus attraktiv. Die Motorhaube ist verhältnismässig lang, die Kante hoch angesetzt. Der böse Blick der Tagfahrlichter und die tief nach hinten versetzten Scheinwerfer sorgen für einen aggressiven Auftritt, verstärkt durch die markentypische Unilackierung und die kupferfarbenen Zierelemente. Die beiden Powerdomes auf der stark konturierten Motorhaube sind natürlich nur Show.

Die scharfen Konturen ziehen sich nach hinten weiter unter den Rückspiegeln durch, verschwinden im Bereich der B-Säule und treten über den weit nach oben gezogenen hinteren Radkästen wieder hervor. Die Dachlinie verläuft entgegengesetzt, fällt coupéartig ab. Das weit hervortretende, durchgängige Leuchtband am Heck verstärkt das kompakte Bild des tief auf der Strasse liegenden SUV.

Die Powerdomes sind auch vom Cockpit aus markant im Sichtfeld des Fahrers. Die Sportsitze sind Serie, man sitzt sportlich tief – im Fahrzeug, nicht über der Strasse. Der Formentor ist ja immernoch ein SUV. Oder Crossover, langsam verlieren wir die Übersicht. Die Sportsitze also liegen angenehm eng an, sowohl an den Oberschenkeln wie auch im Schulterbereich. Die essenziellen Komponenten des Innenraums sind entsprechend dem neuen Design des Konzerns gestaltet – aufgelockert mit den hübschen, kupferfarbenen Elementen. Auf der Mittelkonsole thront ein winziger Stummel als Wählhebel, daneben liegt die Schlüsselablage, davor das Fach fürs Mobiltelefon mit Induktionsladeschale. Dazwischen befindet sich, prominent platziert, der «ESP off»-Knopf. Der Zündungsschalter ist in einen der beiden auffälligen Knubbel am Lenkrad gewandert. Der zweite beherbergt den Fahrmodus-Schalter, der zwischen gefühlten 27 Fahrmodi durchschaltet. In Tat und Wahrheit sind es fünf (Strasse, Offroad, Sport, Cupra und Individuell), zwei bis drei hätten es unserer Meinung nach auch getan, denn, ganz ehrlich, mit diesem Auto geht niemand ins Gelände.

Jede Menge Technik: Das Lenkrad und Interieur des Cupra Formentor.

Altbekannte neue Probleme

Noch einmal zum Lenkrad: Es liegt gut in der Hand, widerspiegelt aber das grosse Problem des neuen Bedienkonzepts von VW. Der einstige Musterknabe in Sachen Ergonomie und Bedienfreundlichkeit ist tief gefallen, wie wir bereits bei Golf und Leon monierten.

Das Lenkrad ist überladen mit wenig nützlichen Funktionen, das Infotainment unübersichtlich und die Bedienung der Klimaanlage schlecht gelöst. Die Touch-Bedienfelder für Klima und Lautstärke sind nicht tastbar und im nicht beleuchtet Bereich, sprich im Dunkeln, unbedienbar. Dazu kommen die Softwareprobleme, die sich nur mit einem Neustart des Fahrzeugs lösen lassen. So weit sind wir inzwischen also schon.

Wenn er aber tut, was ein Auto tun soll, nämlich fahren, dann macht er das ausserordentlich gut. Der Formentor ist wohl eines der emotionalsten Autos, die je auf MQB-Plattform gebaut wurden und vermutlich auch gebaut werden. So schwer es uns fällt, die Wörter Emotionen und MQB in ­einem positiven Sinne in einen Satz zu packen, so passt es beim Formentor eben doch irgendwie.

Ja, auch der Formentor ist ein Kompromiss, will Alltag und Sport unter einen Hut bringen – und schafft es nicht ganz. Aber deutlich besser als viele andere. In einem der normalen Modi ist er einigermassen gezähmt, vom Motor hört man kaum etwas, die adaptiven Dämpfer sind nicht gerade komfortabel, aber doch relativ weich. Die Lenkung – dazu schreiben wir inzwischen nichts mehr.

In den Sport-Modi werden die Dämpfer bockhart, der Motor klingt rauer, die Lenkung wird strenger. Aber eben, es ist ein Kompromiss, man fühlt halt doch, dass der künstliche, elektronische Unterton immer da ist. Der Motorsound kommt vom Tonband – die nette Akrapovic-Anlage des T-Roc R gibt es unverständlicherweise nicht im Cupra –, die Lenkung ist immer noch wenig direkt.

Das ändert aber wenig am Fahrspass, den der Formentor bietet, und der ist – grossartig. Dank kurzen Radstands fühlt sich das Auto unglaublich wendig und agil an. Auf schlecht geteerten Strässchen allerdings fast zu agil. Die harte Abstimmung führt dann unweigerlich zu einem Springen des Fahrzeuges über Bodenwellen und Unebenheiten,  Schläge dringen direkt ins Kreuz des Fahrers. Verglichen mit einem Hot Hatch hat der eher hohe Schwerpunkt erstaunlich geringe negative Auswirkung auf die Stabilität.

Der Formentor auf der Landstrasse, wo er dem Fahrer einiges an Spass bietet.

Der Attraktive

Vorwärts geht es dank des aus T-Roc R und Konsorten bekannten 2.0 TSI problemlos, 310 PS liefert der EA888 im Formentor. Das Einzige, was es am Charakter des Antriebs auszusetzen gibt, ist, dass er keinen hat. Der Antrieb katapultiert den kleinen SUV in knapp fünf Sekunden auf Tempo 100, das Siebengang-DSG haut die Gänge ohne zu mucken durch, verteilt das Antriebsmoment einwandfrei auf alle vier Räder. Etwas weniger deutsche Effizienz und mehr spanisches Temperament stünden dem Formentor gut an.

Wenig Effizienz dagegen beim Verbrauch: Der ist hoch. Sehr hoch. Über zwölf Liter pro 100 Kilometer waren es im Schnitt, was aber auch an der zwangsläufig sportlichen Fahrweise während der Testdauer liegt. Bei zurückhaltendem Stil waren es knapp unter zehn Liter, was immer noch ganz ordentlich ist für einen Zweiliter-Vierzylinder. Ja, er hat bis zu 310 PS, aber wenn die Leistung nicht abgerufen wird, sollte das nichts zur Sache tun.

Bis hierhin haben wir es vermieden, aber wir kommen nicht darum herum, den Formentor seinen Konzernkonkurrenten VW T-Roc R und Audi SQ2 gegenüberzustellen. Wenig erstaunlich, dass es der junge Spanier besser schafft, Emotionen zu vermitteln, als die beiden deutschen Cousins. Er ist zweifellos agiler als die beiden anderen, sportlicher, optisch ansprechender, nicht zuletzt dank der hübschen Zierelemente in Kupfer. Und er ist mit einem Basispreis von exakt 50 000 Franken der günstigste des Trios, Optionen gibt es wenige. Der T-Roc R bietet mehr Platz und – Akrapovic. Und der Audi? Der Audi hat vier hübsche Ringe.

FAZIT
Der Cupra Formentor ist irgendwie ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist er ein Kompromiss und kann das nicht verbergen. Er soll vom Alltagsauto zum Sportler alles sein, ist ein SUV, bietet aber trotzdem nur beschränkt Platz. Aber er ist schnell und er ist hart und er bietet Emotionen. Und das ist die Kehrseite, denn kein anderes MQB-Modell kann das besser: die Emotionen an den Mann bringen. Und das erst noch zu einem Preis, der mehr als konkurrenzfähig ist, gerade im Umfeld der beiden Konzernbrüder VW T-Roc R und Audi SQ2. Bloss schade, gibt es den Sound nur aus der Dose und nicht aus der klangvollen Akrapovic-Anlage des VW T-Roc!

Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.

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