Nach Zürich 2018 findet heuer zum zweiten Mal ein Formel-E-Rennen in der Schweiz statt. Die Idee ist ganz klar, den Event im Land zu behalten. Die Formel E boomt, viele grosse Städte wollen mitmachen und sind bereit, auch viel Geld dafür zu bezahlen. Ergo wäre eine Aussetzung oder gar ein temporärer Ausstieg fatal. Der Platz im Rennkalender wäre wohl für immer futsch. Deshalb soll der Event fortan alternierend in verschiedenen Schweizer Städten stattfinden. Neben Zürich und Bern kommt dafür in erster Linie Genf in Frage. Aber auch Basel wurde ins Gespräch gebracht. 2020 soll das Rennen wieder in Zürich, 2021 erstmals in Genf und 2022 erneut in Bern stattfinden. «Abgemacht ist vorerst das Rennen in diesem Jahr. Dann sehen wir weiter», sagt der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried. Bezüglich des Stroms für die Renntage – man spricht von 6000 bis 10 000 Kilowattsunden, was dem Jahres-Strombedarf von zwei Einfamilienhäusern entspricht – sagt Pascal Derron, Chef des Veranstalter Swiss E-Prix Operations, dass man sich mit Energie Wasser Bern geeinigt und beim Berner Energieversorger Ökostrom bestellt habe.
Alec von Graffenried: Grosse und kleine Ereignisse gehören zu einer Stadt. Die
Formel E ist etwas Neues für Bern.
Neu und sinnvoll?
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir
den Verkehr elektrifizieren. Wenn sich Menschen am 22. Juni von einem
Autorennen angezogen fühlen, können sie sehen und erfahren, dass die
E-Mobilität nicht erst in fünf oder zehn Jahren stattfindet, sondern schon
heute Realität ist.
Letztes Jahr kamen in Zürich 100 000 Besucher zum
Rennen. Wenn heuer wieder so viele kommen, was zu erwarten ist, wird das eine
ziemliche Herausforderung für Bern, oder nicht?
Nicht unbedingt. An der Fasnacht kamen auch mehrere
Zehntausend, am Grand Prix waren es 32 000 Läuferinnen und Läufer und ebenso
viele Zuschauer, da sehe ich kein Problem. Wir sind festgewohnt.
Wo können die Leute das Rennen verfolgen?
Die Idee ist, dass die Zuschauer mit dem Zug
anreisen und vom Bahnhof durch die Stadt Richtung Bärengraben flanieren. Wir
gehen davon aus, dass viele gar nicht bis an die Strecke kommen, sondern im
Village in der Altstadt an einem der vielen Ständen hängenbleiben und sich das
Rennen da auf einer Grossleinwand ansehen.
Und die, die es bis an die Strecke schaffen?
Für die ist im Bereich
Aargauerstalden-Klösterlistutz der beste Ort, um live dabei zu sein.
Ein Rennen in Bern hat historischen Charakter. Das
Rundstreckenrennverbot in der Schweiz wurde nach dem Rennen 1954 in Bern verfügt.
Jetzt, 65 Jahre danach, fi ndet wieder ein Rennen in Bern statt. Fast ein
bisschen emotional?
Wir hatten soeben eine Rückschau im
Historischen Museum. Ich selber kann mich noch an die grosse Tribüne im Güterbahnhofareal
erinnern, die noch lange nach diesem letzten Rennen dagestanden hat. Selber bin
ich in der Länggasse aufgewachsen. Insofern kenne ich den Bremgartenwald sehr
gut.
Wo werden Sie sich das Rennen am 22. Juni ansehen?
Ich werde sicher versuchen, an die Strecke zu
kommen. Wo, weiss ich noch nicht genau. Einfach wird das nicht, ein Durchkommen wird schwierig. Der Obstberg ist gesperrt sprich
reserviert für die Quartierbewohner. Mal sehen …
Stichwort Quartierbewohner. Gab es viele negative Reaktionen?
Die Anwohnerinnen und Anwohner im Obstberg werden quasi
eingezäunt und sind natürlich im ersten Moment zurecht wütend geworden und
haben ihrem Unmut Ausdruck verliehen. Dazu muss man sagen, dass Pascal Derron
(Organisator des Rennens – Red.) einen guten Dialog mit den Bewohnerinnen und
Bewohnern des Quartiers aufbauen und ihnen aufzeigen konnte, wie das Ganze zu
ertragen ist. Aber es bleibt so, dass der Obstberg am Rennwochenende eine Insel
sein wird.
Eine Oase mitten in der Stadt Bern sozusagen?
Ich hoffe sehr, dass der Obstberg die Einschränkung als
Chance nimmt. Die Bewohner werden unter sich sein. Ich erachte das für die
Menschen da als Chance, ihr Quartier für einmal für sich ganz allein zu
geniessen. Ausserdem gibt es für die Bewohner einen privilegierten Zugang zur
Rennstrecke und eine eigene Tribüne.
Konnte man alle Bewohner des Obstberg beruhigen?
Nein, es gibt auch die, die sagen, so ein Rennen sei ganz
furchtbar und ganz schrecklich. Denen empfehle ich ein Wochenende in den
Bergen.
Wann beginnen die Aufbauarbeiten? Und wie lange dauert der Abbau?
Das wird mehrere Wochen dauern. Der Aufbau
beginnt Anfang Juni. In Zürich hatte man die Idee, das Stadtleben nicht zu
sehr zu tangieren, darum hat man die Arbeiten in die Nacht verlegt. Das führte
während der ganzen Dauer zu Nachruhestörungen. Jetzt ist es umgekehrt. In Bern
müssen die Arbeiten tagsüber statt_ nden. Das werden heftige Bauarbeiten, die die Bevölkerung spüren
wird. Absolut. Viele dürften überrascht sein, was
alles auf sie zukommt. Wir reden hier von massiven Bauarbeiten – einem spürbaren
Eingriff, der zu Verkehrseinschränkungen für die Bevölkerung führen wird.
Allerdings ist die Durchlässigkeit immer gegeben. Die Schulwege zum Beispiel
sind nicht tangiert. Diesbezüglich haben wir ganz viele Bedingungen in die
Zusicherung des Rennens hineingepackt. Insofern bin ich zuversichtlich, dass
alles verträglich über die Bühne geht.