«Wem es nicht passt, empfehle ich ein Wochenende in den Bergen»

FORMEL E Trotz massiver Einschränkungen während des Auf- und Abbaus der Strecke ist der E-Prix für Bern wichtig, sagt Stadtpräsident Alec von Graffenried.

Bern stimmt sich auf die Formel E ein: Sébastien Buemi pilotiert seinen Elektroboliden durch die Bundesstadt.

Nach Zürich 2018 findet heuer zum zweiten Mal ein Formel-E-Rennen in der Schweiz statt. Die Idee ist ganz klar, den Event im Land zu behalten. Die Formel E boomt, viele grosse Städte wollen mitmachen und sind bereit, auch viel Geld dafür zu bezahlen. Ergo wäre eine Aussetzung oder gar ein temporärer Ausstieg fatal. Der Platz im Rennkalender wäre wohl für immer futsch. Deshalb soll der Event fortan alternierend in verschiedenen Schweizer Städten stattfinden. Neben Zürich und Bern kommt dafür in erster Linie Genf in Frage. Aber auch Basel wurde ins Gespräch gebracht. 2020 soll das Rennen wieder in Zürich, 2021 erstmals in Genf und 2022 erneut in Bern stattfinden. «Abgemacht ist vorerst das Rennen in diesem Jahr. Dann sehen wir weiter», sagt der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried. Bezüglich des Stroms für die Renntage – man spricht von 6000 bis 10 000 Kilowattsunden, was dem Jahres-Strombedarf von zwei Einfamilienhäusern entspricht – sagt Pascal Derron, Chef des Veranstalter Swiss E-Prix Operations, dass man sich mit Energie Wasser Bern geeinigt und beim Berner Energieversorger Ökostrom bestellt habe.

Automobil Revue: Alec von Graffenried, was bringt der Formel-E-Grand-Prix der Stadt Bern?
Alec von Graffenried: Grosse und kleine Ereignisse gehören zu einer Stadt. Die Formel E ist etwas Neues für Bern.

«E-Mobilität ist schon heute Realität»:
Berner Stadt präsident Alec von Graffenried.

Neu und sinnvoll?
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir den Verkehr elektrifizieren. Wenn sich Menschen am 22. Juni von einem Autorennen angezogen fühlen, können sie sehen und erfahren, dass die E-Mobilität nicht erst in fünf oder zehn Jahren stattfindet, sondern schon heute Realität ist.

Letztes Jahr kamen in Zürich 100 000 Besucher zum Rennen. Wenn heuer wieder so viele kommen, was zu erwarten ist, wird das eine ziemliche Herausforderung für Bern, oder nicht?
Nicht unbedingt. An der Fasnacht kamen auch mehrere Zehntausend, am Grand Prix waren es 32 000 Läuferinnen und Läufer und ebenso viele Zuschauer, da sehe ich kein Problem. Wir sind festgewohnt.

Wo können die Leute das Rennen verfolgen?
Die Idee ist, dass die Zuschauer mit dem Zug anreisen und vom Bahnhof durch die Stadt Richtung Bärengraben flanieren. Wir gehen davon aus, dass viele gar nicht bis an die Strecke kommen, sondern im Village in der Altstadt an einem der vielen Ständen hängenbleiben und sich das Rennen da auf einer Grossleinwand ansehen.

Und die, die es bis an die Strecke schaffen?
Für die ist im Bereich Aargauerstalden-Klösterlistutz der beste Ort, um live dabei zu sein.

Ein Rennen in Bern hat historischen Charakter. Das Rundstreckenrennverbot in der Schweiz wurde nach dem Rennen 1954 in Bern verfügt. Jetzt, 65 Jahre danach, fi ndet wieder ein Rennen in Bern statt. Fast ein bisschen emotional?
Wir hatten soeben eine Rückschau im Historischen Museum. Ich selber kann mich noch an die grosse Tribüne im Güterbahnhofareal erinnern, die noch lange nach diesem letzten Rennen dagestanden hat. Selber bin ich in der Länggasse aufgewachsen. Insofern kenne ich den Bremgartenwald sehr gut.

Wo werden Sie sich das Rennen am 22. Juni ansehen?
Ich werde sicher versuchen, an die Strecke zu kommen. Wo, weiss ich noch nicht genau. Einfach wird das nicht, ein Durchkommen wird schwierig. Der Obstberg ist gesperrt sprich reserviert für die Quartierbewohner. Mal sehen …

Stichwort Quartierbewohner. Gab es viele negative Reaktionen?
Die Anwohnerinnen und Anwohner im Obstberg werden quasi eingezäunt und sind natürlich im ersten Moment zurecht wütend geworden und haben ihrem Unmut Ausdruck verliehen. Dazu muss man sagen, dass Pascal Derron (Organisator des Rennens – Red.) einen guten Dialog mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Quartiers aufbauen und ihnen aufzeigen konnte, wie das Ganze zu ertragen ist. Aber es bleibt so, dass der Obstberg am Rennwochenende eine Insel sein wird.

Eine Oase mitten in der Stadt Bern sozusagen?
Ich hoffe sehr, dass der Obstberg die Einschränkung als Chance nimmt. Die Bewohner werden unter sich sein. Ich erachte das für die Menschen da als Chance, ihr Quartier für einmal für sich ganz allein zu geniessen. Ausserdem gibt es für die Bewohner einen privilegierten Zugang zur Rennstrecke und eine eigene Tribüne.

Konnte man alle Bewohner des Obstberg beruhigen?
Nein, es gibt auch die, die sagen, so ein Rennen sei ganz furchtbar und ganz schrecklich. Denen empfehle ich ein Wochenende in den Bergen.

Wann beginnen die Aufbauarbeiten? Und wie lange dauert der Abbau?
Das wird mehrere Wochen dauern. Der Aufbau beginnt Anfang Juni. In Zürich hatte man die Idee, das Stadtleben nicht zu sehr zu tangieren, darum hat man die Arbeiten in die Nacht verlegt. Das führte während der ganzen Dauer zu Nachruhestörungen. Jetzt ist es umgekehrt. In Bern müssen die Arbeiten tagsüber statt_ nden. Das werden heftige Bauarbeiten, die die Bevölkerung spüren wird. Absolut. Viele dürften überrascht sein, was alles auf sie zukommt. Wir reden hier von massiven Bauarbeiten – einem spürbaren Eingriff, der zu Verkehrseinschränkungen für die Bevölkerung führen wird. Allerdings ist die Durchlässigkeit immer gegeben. Die Schulwege zum Beispiel sind nicht tangiert. Diesbezüglich haben wir ganz viele Bedingungen in die Zusicherung des Rennens hineingepackt. Insofern bin ich zuversichtlich, dass alles verträglich über die Bühne geht.

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