Alles andere als ein weiterer Sieg von Eric Berguerand anlässlich des Auftakts zur Schweizer Bergmeisterschaft am kommenden Wochenende in Hemberg wär so erstaunlich wie eine Teilnahme der Berner Young Boys an der Champions-League. «Ich denke auch, dass da sehr viel Ungewöhnliches passieren müsste, damit Eric nicht gewinnt», sagt OK-Chef Christian Schmid. Wobei: Letztes Jahr hätte es um ein Haar geklappt mit der Sensation; sprich damit, dass der schnellste Tourenwagen den Lola FA99 von Buergerand vom Thron gekippt hätte. Dem Urner Ronnie Bratschi fehlten in seinem Mitsubishi Evo VIII am Ende nur nur 0,51 Sekunden, um den Formel 3000 hinter sich zu deponieren. Dies freilich mit gütiger Hilfe von Wettergott Petrus. Dieser konnte sich damals weder für Sonne noch Regen entscheiden und wechselte derlei putzmunter ab. Der 1. Lauf verkam so zur Lotterie. Bratschi hatte ebenso Glück wie der im selben Feld mit demselben Auto fahrende «Lokalmatador» vom Rennclub Untertoggenburg, Roger Schnellmann. Bei ihnen passte die Reifenwahl. Anders beim Schweizermeister aus dem Wallis. Berguerand verlor anno dazumal im 1. Lauf mehr als vier Sekunden auf Bratschi respektive den Laufschnellsten, Schnellmann. Im zweiten Durchgang konnte der Topfavorit und seit 2013 Seriensieger dann das Blatt mit einem Rekord-Ritt noch wenden. «Für heuer haben wir schönes Wetter gebucht», sagt Schmid. In dem Sinn soll sich ein solches «Regenreifen-Sonnenreifen-Vögi» bitte nicht wiederholen. 195 Rennfahrer/-innen sind gemeldet. Vom Elektroauto über den DTM-Bomber bis zum mit Motorsägen-Motor betriebenen Renn-Regenfass ist im Showprogramm alles am Start, was Räder hat. Den erwarteten 6000 bis 8000 Fans wird also etwas geboten.
Es wird eng und schnell
«Die Veranstalter geben sich sehr viel Mühe, das zeichnet das Rennen in Hemberg unter anderem aus», sagt Schnellmann. Der Schwyzer aus Wangen fuhr im Vorjahr, wie gesagt, im ersten Lauf Bestzeit und wurde am Ende Gesamtdritter. 2015 holte er sich bei den Tourenwagen bis 3.5 Liter den Klassensieg. Diesen möchte der 32-Jährige heuer natürlich wiederholen. Ein spannender «Fight» mit Bratschi, Hermann, Bollhalder (Opel Speedster), Thomas Kessler (Mitsubishi Evo) und Romeo Nüssli (Ford Escort Cosworth) ist also vorprogrammiert. «Ich und meine Crew werden unser Bestes tun», sagt Schnellmann. In einer eigenen Tourenwagen-Liga dürfte sich auch heuer Meister Reto Meisel aus Leuggern mit seinem Mercedes-Benz SLK340 bewegen. «Da sind in jeder Beziehung andere Möglichkeiten und Werte am Werk», sagt Schnellmann. Und: «Ich denke, da wird noch einiges mehr kommen, als letztes Jahr – und das war schon Extraklasse.» Das heisst dann für Konkurrenz: Zieht Euch die Wollmütze unter dem Helm an, sonst ziehts…
«Monster» ist aufgepeppt
Was sein feuerspeiendes und laut donnerndes Bergmonster mit 600+ Pferden am Zügel und 700+ Newton an den «Hufen» sprich «Redli» angeht, so sei dieses auf diese Saison hin noch etwas kräftiger, leichter und aerdynamisch optimiert worden, sagt Schnellmann. «Wir haben noch das eine oder andere gefunden.» Mitunter auch dank der feinfühligen Tessiner Motoren-Flüsterin Olivia Merlini und ihrem Verlobten. Die Tunerin, die selbst Rennen fährt, «haut» nicht einfach alles raus, was sie an Leistung im «Mocken» findet, sondern achtet darauf, dass die Mehrleistung auch zum Fahrer und Auto passt», sagt der Schwyzer. 50 PS mehr am Berg können theoretsich auch langsamer machen; dann nämlich, wenn diese den Fahrer und nicht umgekehrt beherrschen… Insofern passt diese Zusammenarbeit; «selbst wenn sie nicht ganz billig ist». Auch was das übrige Team angeht, ist Schnellmann prima aufgestellt. «Mein Vater ist Teambetreuer und kümmert sich um Sponsoren, meine Freundin macht alles Administrative und meine Mechaniker sind sowieso grossartig.» Allein, die Schnellmann-Schrauber haben schon angekündigt, dass sie für das Rennen in Les Paccots Ende Saison nicht zur Verfügung stehen. Dies infolge unverrückbarer Biertests am Oktoberfest in München. Was sein muss, muss sein. «Allenfalls werde ich deshalb nicht alle Rennen fahren», so Schnellmann.
Das Hill Climb Masters für welches er sich letztes Jahr im tschechischen Šternberk zusammen mit Fabien Bouduban (Norma-Honda), Frédéric Neff (Porsche) und Romeo Nüssli (Ford Escort Cosworth), Max Beltrami (Citroën) und Chris Steiner (Porsche) qualifiziert hat, findet heuer nicht statt. «Mich dafür aus eigener Kraft zu qualifizieren war ein grosses Ziel, das ich letzte Saison erreicht habe», so Schnellmann. Mit der Schweizer Equipe erreichte er 2016 den zweiten Rang hinter der Slowakei und vor Österreich. Ohne dieses «Highlight» sind vor allem «möglichst gute Klassierungen», das Ziel des ehrgeizigen Quereinsteigers. 2017 ist die vierte Saison in der E-Klasse für den Maurer, Bagger- und Stapplerfahrer und neuerdings auch Kranführer aus Wangen. Was seinen Job angeht, könnte der Adrenalin-Freak also jederzeit eine Baustelle im Alleingang besetzen.
Im Fahrerlager fing es an
Die Tests im Autodromo die Franciacorta vor wenigen Wochen verliefen für die Schnellmann-Truppe «sehr gut. Wir sind zuversichtlich und freuen uns auf den Start der Bergmeisterschaft.» In die Provinz Brescia zum Testen ist man der Tessiner Motorentuner von J-Spec wegen. Dass man in Italien testete war in dem Sinn auch «ein Entgegenkommen und ein Dank von uns an unsere Tessiner Partner.»
Was die Strecke in Hemberg betrifft, so ist es für den Pilot des Rennclubs Untertoggenburg die nächstgelegene von seinem Wohnort aus. Insofern also quasi sein Heimrennen. «Es sind deshalb viele Freunde und Bekannte vor Ort. Insofern ist das Rennen für mich schon etwas Besonders.» Allein, die Lieblingsstrecke von Schnellmann ist Hemberg nicht. «Nein, das ist Les Rangiers.» Die Piste im Toggenburg ist mit einer Fahrzeit von knapp einer Minute sehr kurz. «Da mag es nicht den kleinsten Fehler leiden; sonst bist Du nur noch am Schaden begrenzen», sagt der pfeilschnelle Mann aus dem Schwyzer Bezirk March. Ergo sind ihm lange Strecken lieber. «Dafür ist es im Fahrerlager in Hemberg umso schöner.» Dieses Fahrerlager ist für den Ostschweizer denn auch etwas ganz Besonderes – quasi seine «Entbindungsstation» zum Rennfahrer. Dahin hatte er sich nämlich einst mit seinem Strassen-Mitsubishi Evo quasi «verfahren». Nicht weil das Navi durchdrehte, sondern weil ihn der Verkehrsdienst nach fachkundigem Blick auf sein Auto prompt und ohne Zögern dahin verwies. Dies in der festen Annahme, dass so ein Bolide nur dahin gehören kann… «Im Fahrerlager hat man mich dann sofort angezündet, dass ich mit diesem Auto Rennen fahren solle.» Gesagt getan; knapp zehn Jahre später gehört Schnellmann zu den schnellsten Bergauf-Autofahrern der Schweiz. Wer sich davon überzeugen will, kann dies am Wochenende in Hemberg tun.