Endlich ein freies Feld auf diesem grossen, mit blauen Rechtecken unterteilten Platz. Aber wie soll man sich einfädeln? Links steht ein dicker Allradler mit zwei Rädern genau an der Markierung, rechts ein Kombi, der sich gerade noch in den Platz schlängeln konnte. Aber wir können diese Gelegenheit nicht auslassen: Rückwärtsgang rein, Millimeterarbeit, Aussenspiegel eingeklappt … wir haben es geschafft. Jetzt kommt aber noch das Aussteigen. Die Türe geht nur 30 cm auf und das auf der Beifahrerseite. Das Ganze erinnert an eine Komödie von Jacques Tati, aber solche Mühen gehören für die Autofahrer immer häufiger zum Alltag. Und es gibt noch Schlimmeres, vor allem in den Parkgaragen, wo die Stützpfeiler bis in die Markierungen hineinreichen.
Die elektronischen Parkhilfen sind weit verbreitet und hoch geschätzt. Sie sind keine Spielereien mehr, sondern bald schon unverzichtbar. Aber sie helfen nur bei einer Hälfte des Problems. Die Technologien, so intelligent sie auch sind, kommen in der Raumnot an ihre Grenzen. Wenns keinen Platz hat, dann hats keinen Platz. Die Dimensionierung der Parkfelder hält nicht Schritt mit der voranschreitenden Grössenentwicklung der modernen Autos. Das bestätigt sich Jahr für Jahr. Der stets steigende Anteil der grossen Allradfahrzeuge kompliziert die Sache noch mehr. Die gemäss den Vorgaben von vor zwanzig Jahren markierten Flächen müssen zwingend neu ausgelegt werden. Ganz zu schweigen von den Kreisrampen mancher mehr-stöckiger Parkgaragen, die Ende des vergangenen Jahrhunderts gebaut wurden: Die Eigner mittlerer und grosser Autos haben diese schon lange auf ihre schwarze Liste gesetzt.
Das Gewicht der Zahlen
Gemäss dem Katalog der «Automobil Revue» mass der Mini, der typische Stadtwagen seiner Zeit, im Jahr 1985 3.5 m in der Länge und 1.41 m in der Breite. 2016 kommt der Mini One schon auf 3.87 m Länge und 1.73 m Breite. Da braucht man niemandem eine Skizze zu machen. Ein weiteres Beispiel: Der VW Golf als meistverkauftes Auto in der Schweiz mass damals 3.98 m auf 1.66 m; heute sind es 4.25 m auf 1.79 m. Und diese Beobachtung gilt für praktisch jedes Serienfahrzeug.
Das Grössenwachstum der Autos ist nicht nur eine Modeerscheinung, sondern auch durch die erhöhte Sicherheit bedingt, weil dadurch die Insassen bei einem Unfall besser geschützt sind. Das Dumme ist nur, dass diese Zentimeter von Seite zu Seite und vom Bug bis ans Heck einen Riesenunterschied ausmachen, wenn man die drei «Komfort»-
Abmessungen kennt, wenn es um die Grösse der Parkflächen geht. Im schlimmsten Fall sind es 1.9 m, im besten 2 m Breite. Und ein Land Rover Discovery ist breiter als 2 m. Wer weiss, wie das die Polizisten handhaben, wenn sie ein Fahrzeug mit zwei Rädern ausserhalb der Markierungen in der Fahrspur entdecken.
Die Behörden stellen sich derzeit noch taub, aber die Betreiber privater Parkanlagen erkennen die Notwendigkeit, sich anzupassen. Und zwar vor allem, wenn sie zum Ziel haben, die Nutzung der Einkaufszentren zu fördern, welche sich an die autofahrenden Kunden richten. Vor den Toren von Lausanne VD weist das Migros-Zentrum Romanel 1032 ausgesprochen geräumige Parkplätze auf. In Vevey VD reserviert eine unterirdische Parkhalle des Coop schon seit mehreren Jahren eine Reihe von grösseren Parkflächen für die stattlicheren Autos und SUV, ohne dass dafür ein Mehrpreis verlangt würde. Im Kontrast dazu hat das Parking Bellefontaine im Zentrum von Lausanne kleiner dimen-sionierte Parkplätze für den Smart vorgeschlagen. Noch sieht man kaum eine Preisstaffelung gemäss der benötigten Fläche, aber das wird nicht lange dauern. Vorreiter sind mehrere Parkgaragen in den grossen französischen Städten, in denen für das Parkieren eines Smart oder anderer winziger Autos nur der halbe Tarif verlangt wird.
Grössenanpassung unumgänglich
Wenn die Hersteller ihre Modelle für jede neue Generation weiter wachsen lassen und die eidgenössischen Autokäufer dicke Limousinen und SUV bevorzugen, dann wird die Grössenanpassung der Parkplätze unumgänglich. Aber das
verursacht Mehrkosten. Sofern die Kleinstwagen nicht doch einmal einen Boom erleben sollten, führt das zwingend zu einer Verminderung des Parkplatzbestandes. Schlägt sich das geringere Angebot in einer Verteuerung dieser somit wertvolleren Kommodität nieder? Sicher ist das nicht.
Das Betreiben von Parkieranlagen geht zunehmend auf private Unternehmen über, weil die Städte und Gemeinden ihr Angebot reduzieren. Die Konkurrenz ist umso härter, als die Restriktionen für den Individualverkehr beim Zugang in die Stadtzentren dieses bisher lukrative
Geschäft belasten. Die Grossen der Branche, allen voran die Da Vinci-Gruppe, lassen sich kreative Lösungen einfallen, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Der Kampf wird im Moment noch nicht über die Preise geführt, sondern über die Annehmlichkeiten, die Sicherheit und über eine ganze Palette von Dienstleistungen, die man den Benützern anbietet. Der Erfolg ist garantiert, solange bloss das Manövrieren beim Parkieren erleichtert wird.
Marc Audar