Runde Geburtstage sind oft Anlass für den Blick in den Rückspiegel. John Gretener (16. Juli 1926) bringt zu seinem 90. das Gespräch mit Freude auf sein Lieblingsauto von einst, einen einmaligen AC Bristol Zagato von 1958. Der Gentleman-Fahrer erinnert sich aber auch gerne an Triumph. Er besucht die Firma noch immer regelmässig und nimmt mit seinem Freund Edouard Burkhalter an Markenausfahrten der Engländer teil. Wir wollten in einem Interview mehr erfahren.
AR: Weshalb ein AC Bristol Zagato?
John Gretener: Ende 1956 oder Anfang 1957 hatte mich Hubert Patthey, der Schweizer Importeur der Marken AC und Alvis angesprochen. Ich kannte die AC recht gut, denn ich fuhr an mehreren Bergrennen und Rallyes mit einem AC Roadster und war mit diesem sehr zufrieden. Leider war ich eines Morgens um zwei Uhr etwas zu schnell auf der Avenue du Léman in Lausanne unterwegs und zerstörte den Wagen an einem Baum. Zum Glück wurde ich nicht verletzt, aber der Unfall hat mir eine Busse von 99 Franken eingebracht. Ein Eintrag ins Strafregister blieb mir zwar erspart, nicht aber die Standpauke des Polizeichefs, der mir auferlegte, ich dürfe nie wieder schneller als 100 km/h fahren! Aber so konnte ich mein Permis behalten. Es gab damals noch keine Tempobeschränkungen. Weil das Auto gut versichert war, verlor ich nicht viel Geld.
Wie haben Sie das Versicherungsgeld ausgegeben?
Ich wollte mir einen Sportwagen kaufen, mit dem ich weiter Amateurrennen fahren konnte. Toulo de Graffenried führte die Alfa-Vertretung in Lausanne, und er legte mir ein Coupé nahe. Weil ich aber zögerte, meinte er: «Ich sehe schon, du willst keinen Italiener, du magst die Engländer. Ich habe eine Idee, komm mit.»
Was hatte Toulo im Sinn?
Im März 1958 lenkte mich Toulo auf dem Genfer Salon zum Stand von AC, den Hubert Patthey betrieb. Dieser hatte ein fahrbereites Chassis ausgestellt, die Nummer BEX 477 mit Motor und Getriebe. Wir haben es auf der Stelle gekauft. Und weil Toulo de Graffenried auch die Vertretung von Zagato für die Schweiz innehatte, wollten wir die Karosserie in Mailand bauen lassen.
Wie teuer war diese verrückte Idee?
Der Preis war nicht abgehoben; der Wagen kostete etwa gleich viel wie ein serienmässiger AC Aceca, der mit 18 000 Fr. angeschrieben war (heute etwa 74 000 Fr.). Ich war während der Bauzeit zweimal bei Zagato. Anstelle des Original-Benzintanks mit ca. 50 l stipulierte ich einen doppelt so grossen Tankinhalt, weil ich auch Langstreckenrennen fahren wollte. Zwei Monate später, im Mai 1958, war der Wagen fertig. Zagato selbst hatte eine Probefahrt damit gemacht und war mit dem Resultat zufrieden. Aber ich fand die Lenkung zu hart. Dies aus gutem Grund: Es hatte kein Öl im Lenkgetriebe! Nachdem die Techniker das nachgeholt hatten und die Rechnung beglichen war, bin ich mit dem Auto in die Schweiz zurückgefahren. Weil die Zollsteuer über das Gewicht berechnet wurde, kam ich an der Grenzstation am Simplonpass mit leerem Tank an.
Sie waren mit dem Zagato zufrieden?
Of course! Überall, wo ich mit dem Auto auftauchte, hagelte es Komplimente von den Passanten. Und dank dem 2-l- Sechszylinder von Bristol sammelte ich viele Erfolge bei Bergrennen, Slaloms und Langstreckenrennen. Ich habe zum Beispiel 1958 auf dem Circuit de Montlhéry den Klassensieg beim «Coupes de Paris» geholt. Das Auto sah nicht nur schnell aus, es fuhr auch ganz toll.
Welche war die Originalfarbe?
Zagato hatte die Karosserie rot lackiert, mit einem weissen Streifen, der vom Kühlergrill bis zum Heck reichte. Weil ich den Wagen aber auch in der Stadt fuhr und sich so einige Rempler und Dellen anhäuften, liess ich ihn 1960 zum Anlass meiner anstehenden Hochzeit neu lackieren, und zwar in Grün mit einem dreifachen gelben Streifen, von der Lufthutze über die gesamte Motorhaube.
Wie lange hatten Sie den AC Zagato?
Etwa sieben Jahre. Es war mein einziger persönlicher Wagen. Meine Frau liebte ihn, aber mit der Geburt der Kinder brauchte es mehr Platz. Jo Siffert stand damals am Anfang seiner Karriere, und er hatte auch eine Occasionenhandlung in Freiburg. Er machte mir eine Offerte, weil er schon einen Interessenten hatte.
Wie viel haben Sie verlangt?
Jo war ein Kollege. Ich glaube, er zahlte mir 7000 oder 8000 Franken, das war 1965, und das Auto hatte etwa 60 000 km. Es war gerade erst eingefahren.
Vermissen Sie den AC?
Nicht wirklich. Was würde ich heute auch damit machen? In meinem Alter könnte ich nicht mehr damit fahren (lacht). Ich behalte ihn in bester Erinnerung. Der AC bereitete mir in den sieben Jahren keine ernsthaften mechanischen Schwierigkeiten, er brauchte nur die regelmässigen Service. Der Käufer hat wirklich ein gutes Geschäft gemacht.
Was ist aus dem AC Zagato geworden?
Er hatte mehrere Schweizer Besitzer und kam dann nach England. Dort wurde er leicht modifiziert, um breitere Räder aufziehen zu können. Die Kotflügel wurden verbreitert, was bedeutete, dass die Chromleisten entlang den hinteren Kotflügeln abmontiert werden mussten. Schade drum. 25 Jahre später, 1990, habe ich erfahren, dass der AC Zagato in die Sammlung Rosso Biancos in Aschaffenburg (D) aufgenommen worden war. Ich wollte den Wagen nochmals sehen, aber bei meinem Besuch hiess es, dass Auto sei in der Werkstatt.
Und heute?
Heute, 58 Jahre nach seiner Fertigung, lebt BEX 477 noch immer in den USA. Der AC Zagato kommt immer wieder zur Versteigerung, um den Preis nach oben zu treiben. Es wurde schon eine Million Dollar geboten. Ich werde mich immer gern an das Auto erinnern, meine sieben Jahre damit waren die reine Freude. Dank dem AC Zagato konnte ich zudem solch wunderbare Menschen kennenlernen wie Hubert Patthey, Toulo de Graffenried, Elio Zagato, Jo Siffert und all die anderen, die nicht mehr leben.
Jean-Marc Kohler