Schnell verdammt schnell

Seit dieser Saison fährt der Berner einen VW Scirocco – und holte am Ende beinahe den Titel in der Schweizer Slalommeisterschaft.

Wie läuft es, noch nervös auf der Hinterachse? Diese Frage der AUTOMOBIL REVUE zur Begrüssung von Stephan Burri wurde zum Running Gag bei jedem Lauf der vergangenen Schweizer Slalommeisterschaft. Burri war auf diese Saison hin von einem VW Polo mit 1.6-Liter-Motor in einen Zweiliter-Scirocco umgestiegen. Damit war der 44-jährige Berner schon nach kurzer Zeit verdammt schnell. Aber auf die Titelchance angesprochen winkte Burri immer ab: «Nein, nein, ausgangs einer Kurve ist mir das Heck noch zu instabil, der Scirocco ist wilder als der Polo zuvor.» Und trotzdem: Ende Juni beim Slalom in Chamblon VD wäre das Saisonfinale nicht halb so dramatisch gewesen, wäre Burri astrein durch jeden der sechs Slaloms gekommen. Niemand hätte einen Rechnenschieber hervorgekramt, um die geschlagenen Klassengegner der punktegleichen Martin Oliver Bürki und Martin Bürki zu addieren. Stephan Burri hätte beide Bürki um Längen hinter sich gelassen, weil seine Klasse Interswiss bis 2000 Kubikzentimeter immer ein sehr stark besetztes Feld aufwies. 

Eine knappe Sekunde vom Titel entfernt

Hätte, wäre, wenn. Burri machte in der Saison nur einen Fehler, der ihn Punkte kostete. Beim ersten von zwei SM-Läufen in Ambri TI touchierte er mit seinem Scirocco eine Pylone und kassierte 20 Strafsekunden, was seinem Namensvetter Andreas Burri um 0.92 Sekunden den Sieg einbrachte – oder Stephan Burri um eine knappe Sekunden den Titel kostete. «Dafür gewann ich zuvor beim Lauf in Bière nur, weil Manuel Santonastaso wegen eines technischen Defekts an seinem BMW ausschied.» Natürlich sei er hauchdünn am Titel vorbeigerauscht, handkehrum gibt er zu: «Ich hatte vor der Saison nie damit gerechnet, dass ich mit dem neuen Auto am Ende Gesamtdritter würde. Denn meine Klasse ist nicht nur gross, sie hat auch einige Kaliber wie Manuel Santonastaso, Jürg Ochsner, Arnaud Donzé oder Ludovic Monnier, um nur ein paar zu nennen.»

Auch mit dem VW Scirocco hatte Burri einen Kampf auszutragen, nicht nur wegen der nervösen Hinterachse. «In Bière merkte ich, dass die originale Lenkung für Rennen ungeeignet ist. Ich kurbelte immerzu. Also tauschte ich sie aus. Dann probierte ich andere Federn aus, verstellte die Dämpfer und die Spur. Beim Saisonauftakt der Berg-SM Mitte Juni hatte ich bei einer Kurve immer den falschen Gang drin. Dasselbe eine Woche später beim Bergrennen La Roche–La Berra. Ich suchte den Fehler bei mir, auch weil die Kollegen schon lachten, man könne mit Wippschaltern doch nichts falsch machen. Erst beim Slalom in Chamblon entdeckte ich eine durchgebrannte Sicherung, ausgelöst durch einen defekten, überhitzten Kompressor.» Mit einem neuen Rennwagen müsse man sich eben Schritt für Schritt auseinandersetzen. «Ein neuer Rennwagen passt nie vom ersten Meter weg», sagt Burri, der gelernte Mechaniker, der in Affeltrangen TG eine Garage betreibt.

Nach einer Odyssee endlich bei Burri

Burri wollte den Scirocco aber schon länger haben. Er weiss bestens um die Geschichte des 1977 gebauten Sportcoupés, das auf seiner Odyssee von der Schweiz über Österreich, Deutschland und Luxemburg wieder in die Heimat zurückfand. Zwischenzeitlich habe er ein Angebot ausgeschlagen, «weil ich nicht gewillt war, den von mir aufgebauten VW Polo nach nur einem Jahr in die Ecke zu stellen». Den Scirocco kaufte Burri im letzten Spätherbst, den Polo vermietet er derzeit an den vormaligen Formel-Renault-Piloten Jannis Jeremias.

Mit dem Polo feierte Burri, der 2008 als Quereinsteiger mit Rennsport begann, seine bisher grössten Erfolge. 2016, 2019 und 2022 gewann er die Interswiss-Trophy (seit 2022 werden dafür die acht besten Resultate eines Piloten in der Slalom- und Berg-SM gewertet). 2015 (in der Klasse E1), 2016 und 2017 war er jeweils Dritter des Bergpokals, der Meisterschaft für Rennwagen mit bis zu zwei Litern Hubraum. Und 2017 und 2023 reichte es zu Gesamtrang drei in der Slalom-SM.

Nach dem hauchdünn verpassten Slalomtitel reize ihn der Gesamtsieg im Bergpokal der noch jungen Berg-SM umso mehr, «aber zuerst musst du eben die Resultate nach Hause bringen, alles muss an einem Wochenende passen». Apropos: Noch nervös auf der Hinterachse? Stephan Burri lacht. «Ich habe sie noch nicht vollends im Griff. Aber mein Gefühl dafür ist sehr viel besser geworden im Verlauf der Slalomsaison.» 

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