Sie fahre aber kein aussergewöhnliches oder gar luxuriöses Auto, mahnt Tanja Gutmann schmunzelnd, als sie die AUTOMOBIL REVUE begrüsst und in der Tiefgarage entschwindet. Als sich das Tor öffnet, ist ein Dieselmotor zu hören, der ihres Peugeot 3008. Ein Auto müsse zweckmässig sein. «Ich bin zwar gerne mit dem ÖV unterwegs. Für längere Strecken fahre ich oft mit dem Zug, weil ich da die Zeit sinnvoll nutzen kann. Aber darüber hinaus bin ich als Mami und als Geschäftsfrau lieber unabhängig und deshalb meist mit dem Auto unterwegs», erklärt die ehemalige Miss Schweiz, die heute als Mentalcoach und als Moderatorin arbeitet, unter anderem beim TV und bei Events. Im Auto geniesse sie vor allem die Ruhe, es sei jener Moment während eines Tages, an dem sie abschalten könne. Sie sortiere ihre Gedanken, ihr kämen im Auto die besten Ideen in den Sinn, oder aber sie höre Musik.
Stress beim Autofahren kenne sie eigentlich nicht mehr, auch nicht in einer Situation, in welcher wohl die meisten Verkehrsteilnehmer rasch hektisch werden oder gar in Rage geraten: «Ich nehme es gelassen, wenn ich in einen Stau gerate. Warum soll ich mich aufregen? Ich kann es ja sowieso nicht ändern.» Zudem habe sie lernen müssen, sich als Fahrzeuglenkerin verbal zurückzuhalten. «Ganz einfach, weil ich, als mein Sohn noch klein war, verhindern wollte, dass er von mir Fluchwörter aufschnappt.» Es sei bisweilen aber schon vorgekommen, dass sie sich auf die Zunge habe beissen müssen, sagt sie und lacht. Bei einer Situation im Strassenverkehr verstehe sie allerdings absolut keinen Spass: «Es macht mich rasend, wenn mir jemand hinten auffährt. Ganz einfach, weil eine solche Situation sehr schnell wirklich sehr gefährlich werden kann.» Es gab aber auch eine Zeit, in der Autos Tanja Gutmann grundsätzlich aufregten, und es gab auch eine Zeit, in der ein Auto der heute 45-jährigen Solothurnerin offenbar nicht schnell genug sein konnte.
Schwarz, tiefergelegt und mit Pfupf
«Als Teenager hatte ich eine grüne Phase. Autos, Töffli und so weiter, das ging gar nicht! Allerdings musste ich deswegen auch leiden. Während meiner Zeit im Welschland war ich immer mit dem Velo unterwegs. Ich hatte damals eine Fuchs-Phobie, weshalb ich nach dem Ausgang spätabends immer in horrendem Tempo durch die Pampa nach Hause radeln musste», erinnert sie sich und lacht. Jahre später, nach ihrer grünen Phase, besass sie dann aber doch ein Auto: «Mein erstes war ein schwarzer und tiefgelegter VW Golf GTI. Der gehörte meiner Tante, und sie wollte das alte, bereits arg verrostete Auto eigentlich entsorgen, was ich aber gerade noch verhindern konnte. Der Mann meiner Gotte hatte eine Werkstatt, dort wurde der Golf wieder instand gestellt.» Vom Pfupf, den diese alte, überholte Karre gehabt habe, schwärmt Tanja Gutmann noch heute, «der Nachteil war halt, dass der Golf GTI keine Servolenkung hatte und du dir beim Kurven fahren jeweils fast die Handgelenke gestaucht hast», sagt sie.
Die grosse, weite Welt stand ihr vorerst aber noch nicht ganz offen. Sozusagen auf die Bremse gestanden sei immer wieder ihre Mutter, erinnert sich Tanja Gutmann. Bei Lernfahrten habe ihre Mutter stets die eine Hand – für den Ernstfall parat – an der Handbremse gehalten. «Und als ich erstmals nach Zürich zur meiner ersten Liebe gefahren bin, mahnte sie mich, auf der Autobahn nur 80 km/h schnell und nur auf der rechten Spur zu fahren.» Vielleicht war der Mutter in bester Erinnerung geblieben, dass ihre Tochter einst noch als Fahrlehrling einmal das Auto des Vaters aus der Garage fuhr, beim Rangieren mit dem einen Radkasten vorne irgendwo hängen blieb und dabei ein grosser Teil der Frontschürze des Autos weggerissen wurde. «Das Auto war das Heiligtum meines Vaters. Ich glaube, ich hatte zuvor und danach nie mehr derart vom Weinen gerötete Augen wie an jenem Tag», erinnert sich Tanja Gutmann – heute allerdings mit einem Schmunzeln.
Die Fahrprüfung bestand Tanja Gutmann im Frühsommer 1997, da war sie 20 Jahre alt, «vermutlich hatte ich mich wegen des Malheurs mit dem Auto meines Vaters zurückgehalten». Kein halbes Jahr später wurde sie zur Miss Schweiz gekürt und durfte deshalb während eines Jahres einen Mercedes der A-Klasse fahren. «Von der Optik und von der Sicherheit her war dieses Auto im Vergleich zu meinem Golf natürlich eine klare Verbesserung – aber vom Tempo her, ähm, nun ja, der Golf GTI ging halt wirklich ab wie eine Rakete!»
Der Floh im Ohr
Heute müsse es aber keine schnittige Karre mehr sein, sagt Tanja Gutmann, als sie nach dem Fotoshooting zusammen mit der AUTOMOBIL REVUE im Peugeot 3008 zum Kaffee fährt. Ihr achtjähriger Sohn Ian hingegen, der fahre wirklich auf sportliche Autos ab. «Ich weiss beim besten Willen nicht, woher er das hat. In der Familie gibt es keine Person, die ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt haben könnte», sagt Tanja Gutmann.
Familie und Freunde hätten früher jeweils gestaunt, wenn auf dem Boden in der Wohnung rotes Isolierband klebte. «‹Du, Tanja, was ist das da am Boden?›, fragten mich die Leute immerzu etwas irritiert. ‹Das sind Strassenmarkierungen, die Ian aufgeklebt hat›, habe ich ihnen erklärt.» Ihr Sohn sei gerne mit seinem Bobbycar durch die Wohnung gefahren, erzählt sie weiter, «und ich musste hinterherrennen und Geräusche machen wie ‹Brumm, brumm!›. Ich musste jeweils ein anderes Auto nachahmen.»
Beim Bobbycar sei es aber nicht geblieben. Denn Tanja Gutmanns Sohn will einmal Auto-Designer werden, verrät sie uns. Und Ian, der zwischenzeitlich von der Schule kommend zu Hause eingetroffen ist, zeigt der AUTOMOBIL REVUE schliesslich auch seine Zeichnungen von Autos – und spricht dabei unter anderem auch über die Aerodynamik! «Seine Traumautos sind – und das bitte in dieser Reihenfolge! – der Lamborghini Huracán Evo 2, der Bentley Continental GT und der Bugatti Chiron», hält Tanja Gutmann fest. Die entsprechenden Modellautos hat der Sohnemann nebst vielen anderen natürlich auch in seinem Zimmer, aber im Unterschied zu den anderen Spielzeugautos – und wie es sich für Traumautos geziemt, ist man geneigt zu sagen – stehen diese versteckt und gut behütet im Bücherregal. «Ginge es nach meinem Buben, sollte ich unseren Familien-Peugeot durch einen solchen Boliden ersetzen», sagt Tanja Gutmann – und riskiert nochmals einen kurzen Blick auf die exquisiten Modellautos. «Versprochen, ich arbeite daran!», sagt sie und lacht herzlich.
Autofahren – oder der Moment der Ruhe
Fragebogen
Das Frage-Antwort-Spiel von Marcel Proust ist weltberühmt. Bei der AR wird aus Proust Prost.
AUTOMOBIL REVUE: Wer ist Prost für Sie?
Tanja Gutmann: Prost? Kenne ich nicht … (Also klärt die AR auf.) Aha! Ein Formel-1-Weltmeister. Wenn Sie mich jetzt über Rennsport ausfragen, wird das ein kurzes Interview (lacht).
Ihr erstes Mal im Auto?
Das erste Mal hinter einem Lenkrad war nicht in einem Auto, sondern auf einem Traktor. Meine Grosseltern waren Landwirte. Mein Grossvater liess mich fahren – und fiel fast vom Traktor herunter, weil ich etwas brüsk manövriert hatte.
Ihr erstes Auto?
Mein erstes Auto war ein alter VW Golf GTI, der meiner Tante gehörte und den sie entsorgen wollte. Der Mann meiner Gotte hatte eine Werkstatt, da wurde der Golf hergerichtet.
Was fahren Sie heute?
Schon länger einen Peugeot 3008. Ein Auto muss für mich zweckmässig sein, als Geschäftsfrau und Mutter bin ich viel unterwegs.
Ihr Traumauto?
(Überlegt lange) Porsche … Später auch der Audi TT. Aber da war ich sehr jung.
Ihre beste Fahrt im Auto?
Ich durfte einmal zusammen mit dem ehemaligen Radstar Urs Freuler in einem wunderschönen Mercedes-Cabriolet bei einer Classic-Rallye mitfahren. Das waren lässige, sehr schöne Tage.
Ein Alptraum im Auto?
Es gibt zwei, beide geschahen in Indien. Ich reiste als Backpackerin durch das Land. Ich war mit einem Fahrer eines Reiseunternehmens unterswegs. Es war sehr spät und damit die falsche Zeit, denn eigentlich, so hiess es, sollst du in der Nacht nicht mehr draussen sein, als Frau sowieso nicht. Es war stockdunkel, als wir durch die Pampa kurvten. Ich, hinten auf dem Sitz, hatte mir schon die schlimmsten Szenarien ausgemalt, als wir durch ein Dörfchen fuhren – und der Fahrer plötzlich schrie: «Lock the door! Close the window!» Dieser Ort sei sehr gefährlich, da fahre man eigentlich nicht durch, erklärte er mir. Auf der zweiten Horrorfahrt war ich mit einer Inderin unterwegs, sie hatte mich zu einem Ausflug in die Berge eingeladen. Ihr Chauffeur fuhr normalerweise nur in der Stadt. Aber auf dieser engen Bergstrasse verlor er offenbar die Nerven. Plötzlich fing er an, andere zu überholen, und irgendwann kam uns noch ein Lastwagen entgegen. Ich habe Blut geschwitzt.
Am Steuer Ihres Autos fühlen Sie sich …
Autofahren ist für mich während eines Tages der Moment, in dem ich Ruhe habe. Ich höre nicht nur Musik. Ich kann über Probleme sinnieren, ich habe die besten Ideen, ich kann Pläne schmieden.
Ein Leben ohne Auto?
Das geht für mich eigentlich nicht. Ich fahre gerne Zug, ohne Auto möchte ich trotzdem nicht sein.
Ein Tempolimit von 30 km/h in allen Schweizer Städten, wäre das eine gute Idee?
Auf Quartierstrassen mit Kindergärten oder Schulhäusern finde ich es sinnvoll, weil dir jederzeit ein Kind vors Auto laufen kann. Aber auf Dorfstrassen sollte es bei 50 km/h bleiben. Auf der Autobahn sollten 130 oder sogar 140 km/h möglich sein.
Selbstfahrende Autos: Lust oder Frust?
Ich bin zu skeptisch. Ich kann mir das noch nicht vorstellen, auch wenn ein solches Auto dereinst wohl sicherer fährt als viele Menschen.
Wen würden Sie am Strassenrand auf jeden Fall mitnehmen?
Nur Menschen, die ich kenne. Obwohl, an Schauspieler Keanu Reeves auf dem Nebensitz hätte ich nichts auszusetzen.
Und wen würden Sie nicht mitnehmen?
Prinzipiell nehme ich niemanden mit, den ich nicht kenne. Wahrscheinlich verpasst man so spannende Begegnungen.