Franzosen mochten vier Türen. Alle grossen Nachkriegswagen aus dem Hexagon hatten vier Türen, die Crèmeschnitte Renault 4CV, der Döschwo Citroën 2CV oder auch dessen reichlich spät nachgereichter Konkurrent der Régie Nationale des Usines Renault, der R4L. Aber hier stand nun im Januar 1972 ein kleines, in vielen bunten Farben angebotenes Auto von Renault, das in Frankreich als Coach bezeichnet wird, ein Dreitürer mit vier Fenstern respektive Seitenscheiben. Die Händler waren sich nicht ganz einig, ob die Käufer das akzeptieren würden. Immerhin sorgte eine fast die gesamte Rückseite des Autos öffnende Klappe für eine hervorragende Zugänglichkeit des ordentlich grossen Kofferraums. Der Innenraum des auf der Mechanik des Renault 4L und Renault 6 basierenden Autos wirkte grosszügig, selbst wenn es Renault aus Kostengründen verpasst hatte, ein neues Getriebe zu konstruieren und den Motor wie etwa beim Konkurrenten Simca 1100 oder dem etwas grösseren Peugeot 204 quer einzubauen. Einen kleinen Vorteil aber hatte die Einbaulage längs hinter dem Getriebe: Das Reserverad fand wie beim grossen Renault 16 unter der Motorhaube Platz. Während der neue Wagen mechanisch eher altmodisch daherkam und auch die Motoren alte Bekannte waren, so machte er dies optisch wieder wett. Eine Sensation waren die erstmals verbauten, in die Karosserie integrierten Kunststoffstosstangen. Der Designer des Renault 5, der im hauseigenen Kreativbüro beschäftigte Michel Boué, hatte erstmals am 26. April 1967 zwei Skizzen eines hochmodernen Zweitürers signiert und datiert. Der Entwurf galt dem Projekt 122, mit dem Renault erkannt hatte, dass die Freizeitgesellschaft nach anderen Autos verlangte als die Nachkriegsgeneration. Zudem hatte sich dank Kühlschrank und Waschmaschine der Alltag verändert. Der Kofferraum sollte exakt das Volumen eines Einkaufswagens aufnehmen können. Die breite Farbpalette hingegen sollte besonders auch eine Zielgruppe ansprechen, die sich gerade dank Pille und sexueller Revolution vom Hausmütterchendasein verabschiedet hatte: die Frauen.
Zwei kleine zum Anfangen
Zwei Versionen des Renault 5 gab es zum Start der Serie, einen winzigen Renault 5 L mit nur 782 Kubikzentimetern Hubraum und 34 PS oder vier Chevaux-vapeur (CV) nach französischer Steuerformel und den Renault 5 TL mit fünf CV und effektiv 1108 Kubikzentimetern und 45 PS. Beiden gemein war der Krückstock-Schalthebel, wie ihn auch der Renault 4 hatte. Das war das wohl altmodischste Feature dieses durch und durch modernen Autos. Ansonsten kann man den Renault 5 aus heutiger Sicht als Pionier bezeichnen, auf Chromzierrat verzichtete er weitgehend. Und während sich in den lieferbaren Aussenfarben die angebrochenen 1970er-Jahre in ihrer bunten Pracht so richtig austoben durften, so galt dies auch für den Innenraum.
Das orange Wunder
Mehr Orange, als es der 1974er-Renault 5 TL trägt, mit dem wir die Qualität und den Charakter dieses Autos zu ergründen versuchen, geht nicht. Zehn Farben standen zur Disposition, als der Renault 5 1972 lanciert wurde, darunter sieben Buntfarben neben Weiss, Grau und Schwarz. Und Farbe gab es auch innen satt: Unser Begleiter ist in orangem Kunstleder ausgeschlagen.
Was sofort auffällt, ist die Zweckmässigkeit aller Teile in diesem Auto, Extras gibt es keine, nicht einmal einen Zigarettenanzünder im Land der kettenrauchenden Philosophen. Das Raumgefühl ist hervorragend, die Krückstockschaltung gibt sich recht präzise. Kunststück, greift sie doch über den Motor hinweg direkt in das davor angeflanschte Getriebe ein. Mit nur 730 Kilogramm ist der Renault 5 etwa 20 Kilogramm leichter als ein VW Käfer und zeigt, wie altmodisch der Wolfsburger damals gewirkt haben muss. Und heute? Zunächst ist es diese Leichtigkeit, die der Renault 5 sofort spüren lässt. Dass er mit seinen 45 PS keine Bäume ausreisst, ist unmissverständlich, aber schwerfällig wirkt er deswegen gewiss nicht, höchstens etwas schauklig. Denn ohne Querstabilisatoren neigt sich der Fünfer so mächtig in die Kurven, als gelte es dem dafür bekannten Citroën 2CV Paroli zu bieten. Allerdings fährt sich der Renault 5 wesentlich kultivierter als Letzterer, und obwohl er nur ein Zweitürer war, konnte er die Franzosen zweifellos überzeugen. Teilweise betrug der Marktanteil des Renault 5 gegen 16 Prozent, ein bis heute nie mehr erreichter Rekord.
Modellpflege und mehr
Neue Modelle folgten Schlag auf Schlag. So reagierte Renault auf die Ölkrise mit dem 5 GTL und seinem eher unkonventionellen Konzept. Statt den kleinsten Motor zu optimieren, pflanzten die Ingenieure dem Bestseller einen grösseren ein, mit weniger Leistung als beispielsweise im Renault 8, wo der 1300er herkam, aber mit mehr Drehmoment. Mit nur 44 PS, aber einem damals völlig klassenunüblichen Fünfganggetriebe, lag der Verbrauch bei der in Frankreich üblichen Überlandgeschwindigkeit von 90 km/h bei 4.5 Litern Benzin auf 100 Kilometer. Doch auch am anderen Ende der Leistungsskala brachte der Renault 5 die Gemüter in Wallung. Der 5 Alpine mit 1.4-Liter-Motor und Weber-Doppelvergaser leistete eindrückliche 93 PS. 1981 setzte die Régie Nationale noch einen drauf und präsentierte mit dem Renault 5 Alpine Turbo gar den ersten aufgeladenen Kleinwagen überhaupt. 110 PS machten ihn zur französischen Antwort auf den VW Golf GTI. Der Längseinbau des Motors war hier ein eminenter Vorteil, gab es doch seitlich reichlich Platz für den Turbolader. Aus Kostengründen operierte der Alpine Turbo allerdings mit moderatem Ladedruck und einem einfachen Vergaser vor der Druckseite im Ansaugtrakt.
Von ganz anderem Kaliber war hingegen der Renault 5 Turbo. Doppelt so teuer wie der Alpine Turbo sollten von ihm zunächst 400 Stück als Homologationsmodelle für die Gruppe 4 entstehen. Zu diesem Zweck hatten die Ingenieure von Renault Sport ein komplett neues Auto mit Längs-Mittelmotor konstruiert. 160 PS schöpfte der Turbomotor aus 1.4 Litern Hubraum. Der Wagen mit wuchtigen Radhausverbreiterungen vorne und hinten war ein reiner Zweisitzer. 1981 gewann ein R5 Turbo die Rallye Monte Carlo (Ragnotti/Andrié), sein Erfolg auch bei Privatkäufern, über 4000 Stück wurden in zwei Serien bis 1986 produziert, brachte den 5 Turbo in weitere Rennserien – und natürlich auch in die Gruppe B. Deren Ende – und der fehlende Allradantrieb, ohne den er nicht mehr konkurrenzfähig war – bedeutete allerdings auch das Aus für den wildesten Renault 5 aller Zeiten. Zudem löste ab 1985 ein neuer Renault 5, in der Werbung Supercinq genannt, die erste Serie ab. Angesichts des grossen Erfolgs des Peugeot 205 war Renault zum Handeln gezwungen. Dem Wunderkind aus Sochaux wirklich Paroli bieten konnte allerdings erst der Renault Clio, doch das ist eine andere Geschichte.
Vergangenheit und Zukunft in Flins
Gebaut wurde der Renault 5 im Renault-Werk von Flins, seineabwärts etwa eine Autostunde von Paris entfernt. Heute werden hier noch der Nissan Micra und der Renault Zoe gebaut, doch deren Ende ist absehbar. Das Werk in Flins erhält eine neue Aufgabe, es mutiert zur Re-Factory, künftig werden hier Autos rezykliert.
Doch in Flins passiert noch mehr. Renault lagert hier einen Teil der über 860 Fahrzeuge aus der eigenen Vergangenheit. Darunter sind auch die Renault 5, die aktuell in einer temporären Ausstellung zum Jubiläum auf dem Firmengelände gezeigt werden. Leider besitzt Renault kein eigenes Werksmuseum. Wie der verantwortliche Marketingleiter von Renault Classic jedoch betont, ist die kleine Truppe von nur neun (!) Mitarbeitern aber ständig unterwegs, um Fahrzeuge aus der Sammlung irgendwo auf dieser Welt zu präsentieren. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs etwa war das Team mit den Nacharbeiten nach der Le Mans Classic und dem Goodwood Festival of Speed in der Woche zuvor beschäftigt. Der dort eingesetzte Renault 5 Maxi Turbo stand bei unserem Besuch frisch gewaschen wieder da. Hoffentlich nimmt Renault sich dereinst nicht nur zur Imagepflege seiner Vergangenheit an, sondern auch zur Unterstützung all jener mit Rat, Tat und Teilen, welche die Renault-Geschichte mit eigenen Mitteln pflegen und vermitteln: der Sammler und Liebhaber der Marke!