Das Rundstreckenverbot ist weg! Und jetzt?

Seit mehr als 60 Jahren haben Schweizer Motorsportfans für die Abschaffung des Rundstreckenverbotes gekämpft. Vergangene Woche war es soweit und der Ständerat hat das Verbot von Rundstreckenrennen in der Schweiz aufgehoben. Damit ist eine erste Hürde gefallen, viele weitere verbleiben. Ein Kommentar von Sportredaktor Werner Haller.

Das Rundstreckenverbot auf nationaler Ebene ist gefallen. © Porsche/Michael Deckbar

Es sei gut, dass dieses überholte Verbot für Rundstreckenrennen in der Schweiz weg sei, sagt Marcel Fässler. Denn nun täten wir zumindest nichts Verbotenes mehr, wenn wir Rennen auch ohne Sondergenehmigung fahren, begründet der dreifache Le-Mans-Sieger. Böse Zungen jedoch behaupten: Über 60 Jahre haben wir dafür gekämpft, dass dieses Rundstreckenverbot wegkommt. Nun werden wir über 60 Jahre kämpfen, bis wir eine Rennstrecke haben.

Als der Ständerat am 31. Mai nach dem Nationalrat ebenso den Antrag der Verkehrskommission gutgeheissen und damit das Verbot von Veranstaltungen öffentlicher Rundstreckenrennen mit Motorfahrzeugen in der Schweiz aufgehoben hat, war der Jubel in der nationalen Motorsportgemeinde riesig. Natürlich, der Sicherheitsaspekt hatte keine Relevanz mehr. Seit dem Unfall 1955 in Le Mans (F), bei welchem über 80 Menschen ums Leben kamen und der der Grund für das Rundstreckenverbot in der Schweiz war, haben sich wie die Renn­wagen auch die Rennstrecken entwickelt. Jedes Bergrennen und jede Rallye auf öffentlichen Strassen in der Schweiz ist gefährlicher als ein Grand Prix der Formel 1 auf Pisten mit weiten Auslaufzonen. Dass die Formel E 2018 in ­Zürich und 2019 in Bern dank Sondergenehmigung Runden drehen durfte, passte nicht ins Bild, denn Motorsport auf Stadtkursen ist gefährlich – ob mit Elektro­rennern oder Verbrennerboliden.

Die grösste Hürde ist die Wirtschaft

Nein, an Sicherheitsbestimmungen wird eine moderne Rennstrecke in der Schweiz ganz sicher nicht scheitern. Es gebe vor allem drei Gründe, weshalb sich der Bau einer Rund­strecke in der Schweiz noch sehr lange verzögern könne, sagen die Experten im Gespräch mit der AUTOMOBIL REVUE: die Wirtschaft, die Politik und ganz zuletzt auch der Sport selbst. Die grösste Hürde, meint auch Paul Gutjahr, ehemals Formel-1-Kommissar und heute Mitglied der Geschäftsleitung des nationalen Verbandes Auto Sport Schweiz (ASS), sei die Wirtschaft. Wer hat Interesse daran, eine Rennstrecke in der Schweiz zu bauen, und wo soll sie hin? Kantone und Gemeinde werden ein solches Projekt nicht finanzieren, man erinnere sich nur an verhinderte Baupläne für Stadien in Bern und Zürich. In der Politik haben Umweltschutz und Grüne Aufwind, Letztere werden auch in Zukunft Gründe (und mehr Befürworter) finden, damit es weiter keine Rundstreckenrennen in der Schweiz geben wird. Man erinnere sich an die vielen Anläufe, um zumindest wieder die Olympischen Winterspiele in die Schweizer Berge zu bekommen. Und schliesslich sind die Macher von grossen, glamourösen Rennserien mit vielen Autoherstellern am Start nicht am inexistenten Schweizer Markt interessiert. Und man erinnere sich an den finanziellen Schaden durch Chaoten, den die Formel E in Bern davongetragen hat.

Ja, es habe Projekte für Rundstrecken in der Schweiz gegeben, zuletzt deren drei, heisst es beim ASS. Aber selbst wenn sich ein Ort und Geld und zwei oder drei kleinere Rennserien finden liessen, bleibt der Bau einer Rennstrecke in unserem Land unwahrscheinlich. Denn die will unterhalten und finanziert sein. Eine multifunktionale Piste mit mehreren Kursvarianten, mit der Möglichkeit für Konzerte und andere grosse Freiluft-Events oder für Fahrsicherheitstrainings – die braucht es kaum, und sie würde wohl noch viel weniger goutiert. Pisten für Fahrtrainings, wenn auch kleine, sind vorhanden. Die einzige homologierte Rennstrecke in der Schweiz, jene in Lignières NE, kann aus Platzgründen nicht ausgebaut werden. Festivals finden der Lärmbelästigung wegen – da wollen wir gar nicht erst an das Brummbrumm beim Im-Kreis-Fahren denken – immer mehr und lauter argumentierende Anwohner. 

Lokalpolitik als Hindernis

Es gibt diesen einen Kollegen, der im Kanton Bern versuchte, eine Rallye zu organisieren. Wohlgemerkt, bloss eine Rallye, wie es sie in unserem Land auch in Zeiten des Rundstreckenverbots massenhaft gegeben hat und noch gibt. Er scheiterte grandios, weil er den Spiessrutenlauf von Landbesitzer über Gemeinden bis hin zum Kanton irgendwann satt hatte: «Diese Kurve gehört dieser Gemeinde, die nächste aber einer anderen, und die Strasse dazwischen ist eine kantonale – und überhaupt, der Senklochdeckel dort drüben, der ist auf einem privaten Grundstück …» Vermutlich war es leichter, ein längst überholtes Verbot aus der Verfassung zu streichen, als eine Rundstrecke in der Schweiz zu bauen.

Das Verbot sei endlich weg, und das sei super, betont Marcel Fässler abermals. Er und Gutjahr plädieren für Ideen. Wenn sich keine Rennstrecke bauen lässt, dann ist es vielleicht möglich, eine nicht permanente Rundstrecke auf einem Flughafenareal oder in einem Industriegebiet zu schaffen. Das wäre doch ein Anfang.

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