Das vorherige Ziel wurde mit Bravour erreicht, also gilt es, noch ehrgeiziger zu werden. So könnte man das neue Ziel im Fahrplan für Elektromobilität zusammenfassen, der am 16. Mai in Biel BE von Vertretern der Automobil- und der Immobilienbranche, des Bundes, der Kantone und der Städte unterzeichnet wurde. Das Ziel für 2022, das vor vier Jahren in der ersten Roadmap bestimmt wurde, legte den Anteil von Steckerfahrzeugen (Elektro und Plug-in-Hybrid) an den Verkäufen auf 15 Prozent fest. Dieses Ziel wurde bei Weitem übertroffen: Im April 2022 überstieg dieser Anteil bereits 25 Prozent. Jetzt möchte Bundesrätin Simonetta Sommaruga diese Zahl bis 2025 verdoppeln. Der neue Fahrplan zielt auf 50 Prozent Elektro-Neuwagen ab. Um dies zu erreichen, setzten die 59 Unterzeichnenden des Dokuments 75 Massnahmen um, 44 davon sind neu. Dazu gehört unter anderen die Ausweitung des Ladenetzes, das bis 2025 von heute 7150 auf 20 000 Ladepunkte ausgebaut werden soll. Die explosionsartige Zunahme von Elektroautos auf unseren Strassen bringt jedoch zahlreiche Herausforderungen mit sich wie zum Beispiel die Sicherheit der Energieversorgung. In einem exklusiven Interview nimmt die Bundesrätin Stellung zu den Herausforderungen.
Automobil Revue: Die neue Roadmap sieht für 2025 bei den Neuwagen einen Anteil von
50 Prozent Steckerautos vor. Müsste nicht zuerst die Energieversorgung sichergestellt werden? Ihr Departement wies für 2025 eine mögliche Knappheit aus.
Simonetta Sommaruga: Wir glauben, dass es aufgrund der grossen Begeisterung für Elektroautos möglich ist, bis 2025 einen Anteil von 50 Prozent neuen Steckerfahrzeugen zu erreichen. Für das Jahr 2022 zielten wir auf 15 Prozent ab und sind nun bei 25.5 Prozent. Für die Energieversorgung hat der Bundesrat eine sehr klare Strategie, um die Energieproduktion in unserem Land zu erhöhen. Das Parlament hat bereits eine Investition von zwölf Milliarden Franken gesprochen, die bis 2030 getätigt werden kann. In einem weiteren Gesetz wird eine Beschleunigung der Verfahren gefordert. Ich gebe zu, wir haben uns in den letzten zehn Jahren zu sehr auf Energieimporte verlassen. Allerdings habe ich die Versorgungssicherheit zu einer Priorität gemacht. Mit den laufenden Projekten sind wir auf dem besten Weg, die Stromproduktion in unserem Land zu steigern. Es muss aber noch viel schneller vorwärtsgehen. Hierfür müssen wir alle am selben Strick ziehen.
Das stimmt, aber 2025 ist nicht sehr weit weg.
Das wichtigste ist es, die Energieversorgung in unserem Land zu sichern, man denke nur einmal daran, dass im vergangenen Winter zeitweise die Hälfte der Atomkraftwerke in Frankreich abgeschaltet war. Die Bevölkerung nimmt die Dinge auch selbst in die Hand. So haben wir in den letzten zwei Jahren eine starke Zunahme bei der
Installation von Sonnenkollektoren festgestellt. Ausserdem ist es sehr interessant, Solarenergie mit einem Elektroauto zu kombinieren, denn das Auto kann als Batterie zur Energiespeicherung dienen. Der neue Fahrplan sieht auch eine Förderung bei der Installation von Ladestationen bei Arbeitgebern oder in Miethäusern vor.
Wozu braucht es dann noch eine politische Roadmap, wenn die Bevölkerung die Ziele sowieso bereits von allein umsetzt?
Die Roadmap wird auf breiter Ebene unterstützt: von Städten, Gemeinden, Automobilverbänden, von den Importeuren und so weiter. Er betrifft nicht nur das Elektroauto, sondern die gesamte Elektromobilität, wie die Ladestationen oder das Batterierecycling. Wir haben gemeinsam entschieden, bis 2025 20 000 Ladestationen zu errichten, um die Umstellung auf Elektromobilität zu unterstützen.
Die Automobilbranche fordert lautstark den Ausbau des Ladenetzes. Wie soll dieses finanziert werden?
Das ist genau, was das neue CO2-Gesetz vorsieht. Der Bundesrat will künftig die Installation von Ladestationen finanziell unterstützen. Das Gesetz, das von der Bevölkerung abgelehnt wurde, sah jedoch mehr Geld vor. Die Unterzeichnenden der Roadmap werden sich dafür einsetzen, die Anzahl Ladestationen zu erhöhen. Aber die Quantität ist nicht die einzige Herausforderung, die Qualität der Stationen ist ebenfalls wichtig. Zum Beispiel wird die Hälfte der 100 Raststätten in der Schweiz bis Ende 2022 mit Schnellladestationen ausgestattet sein. Das ist ein interessantes Geschäft, das Unternehmen anziehen wird.
Sie sprachen von Gaskraftwerken, um die Versorgung sicherzustellen. Haben der Ukraine- Krieg und ein möglicher Boykott von russischem Gas Ihre Meinung über diese Lösung geändert?
Die Gaskraftwerke würden nur im Notfall in Betrieb gehen, und es sind auch Wasserkraftreserven geplant, um die Situation im Winter zu stabilisieren. Eine Energieknappheit ist für die Wirtschaft sehr kostspielig, deshalb muss man Lösungen für extreme Notfälle vorsehen. Unsere Strategie besteht darin, unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren und die Energieproduktion im Inland zu erhöhen. Man muss wissen, dass die Schweiz Jahr für Jahr acht Milliarden Franken für Öl und Gas ans Ausland bezahlt. Das ist viel Geld, das in unserem Land investiert werden könnte. Der Krieg in der Ukraine hat die Sensibilität für die Herkunft der Energie sicherlich erhöht.
Um ihr Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 zu erreichen, will die EU den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor verbieten und Elektroautos fördern. Halten Sie dies für sinnvoll? Sollte sich die Politik nicht eher auf das Festlegen von Zielen beschränken, statt Technologien vorzugeben?
Alle Länder, die das Pariser Abkommen unterschrieben haben, auch die Schweiz, arbeiten auf eine CO2-Neutralität hin. In der Schweiz gibt die Politik keine Technologie vor und spricht keine Verbote aus, um diese Ziele zu erreichen. Wir setzen mehr auf Anreize: Bei uns bezahlen zum Beispiel auch Wasserstofflastwagen keine Schwerverkehrsabgabe. Wir sind also technologisch neutral. Abschliessend sei jedoch gesagt, dass es auch die Automobilindustrie ist, die den Weg vorgibt, und die Hersteller haben sich in den letzten Jahren für Elektroautos entschieden. Der Verbraucher wählt aus dem zur Verfügung stehenden Angebot.
Ist damit zu rechnen, dass der Strom in der Schweiz teurer wird?
Die Sensibilität für die Versorgungssicherheit hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Früher hielten wir es für selbstverständlich, dass wir immer Öl und Gas haben würden. Viele haben aber auch gemerkt, dass uns diese Situation vom Ausland abhängig macht. Diese Abhängigkeit hat auch einen Preis, wie man an den steigenden Öl- und Gaspreisen sieht. Dennoch kostet Sicherheit immer etwas – egal in welchem Bereich.
Also wird es teurer?
Das bleibt abzuwarten. Zur Zeit ist in Europa Krieg, das sorgt für Unsicherheiten und Schwankungen, die sich auf die Preise auswirken. Wenn wir einen Teil der acht Milliarden Franken, die jedes Jahr ins Ausland gehen, in unserem Land investieren, wird es nicht teurer. Wir können dadurch innovative Arbeitsplätze und Mehrwert bei uns schaffen. Unsere Abhängigkeit zu verringern ist auch eine Möglichkeit, die Versorgung zu sichern.
Zur Person
Simonetta Sommaruga (62) sitzt seit 2010 für die SP im Bundesrat, wo sie das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) leitet. Die ausgebildete Pianistin wurde 1993 Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz. Zwischen 1999 und 2003 war sie im Nationalrat, bevor sie 2003 in den Ständerat wechselte.
Und weshalb hat die Bevölkerung die Sahce selbst an die Hand genommen? Weil diese lahme Bundesrätin uns bezüglich Energieversorgung ab 2025 ins Offside laufen lässt.