Der langjährige SVP-Nationalrat Albert Rösti ist diese Woche zum neuen Präsidenten der Importeursvereinigung Auto-Schweiz gewählt worden. Im ersten Interview nach dem Amtsantritt gibt er der AUTOMOBIL REVUE Auskunft über die Ziele, die er für die Branche hat, die Überwindung des autofeindlichen Zeitgeists und seinen grössten Wunsch an Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga.
Automobil Revue: Herr Rösti, herzliche Gratulation zu Ihrer Wahl! Sie übernehmen bei Auto-Schweiz eine Aufgabe in einem extrem dynamischen, aber auch herausfordernden Umfeld. Wie beurteilen Sie die Ausgangslage?
Albert Rösti: Ich freue mich sehr, dass mir diese Aufgabe übertragen wurde. Ich habe aber auch grossen Respekt, da die Ausgangslage und das Umfeld für die Mobilität der Zukunft äusserst herausfordernd sind. So gilt es, die grosse technologische Reform weg von fossilen Treibstoffen hin zur Elektromobilität oder zu wasserstoffgetriebenen Fahrzeugen zu meistern. Ebenso müssen die steigenden Bedürfnisse an die Mobilität und die dadurch entstehenden Engpässe im Bereich der Infrastruktur gemeistert werden.
Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Ich werde alles daransetzen, meinen Beitrag dazu zu leisten, dass die Automobilbranche als moderner, innovativer Wirtschaftsbereich wahrgenommen wird, der den technologischen Fortschritt und grossen Wandel geschickt nutzt und damit Lösungen für die freie Mobilität für alle Bedürfnisse findet. Dies natürlich immer unter Einhaltung der politischen Rahmenbedingungen im Bereich des Umweltschutzes.
Wie sehen Ihre kurz- und mittelfristigen Meilensteine aus, um dieses Ziel zu erreichen?
Kurzfristig werde ich mir mit Besuchen bei unseren Mitgliedern einen Überblick über die Erwartungen an den Verband verschaffen. Mittelfristig steht sicher der politische Kampf zur Erhaltung der freien Mobilität im Vordergrund. In diesem Zusammenhang müssen vor allem technologieneutrale Lösungen zur Finanzierung der Strasseninfrastruktur entwickelt werden. Diesbezüglich gilt es insbesondere, alle Arten von Roadpricing, die den Individualverkehr gegenüber dem öffentlichen Verkehr massiv benachteiligen, zu unterbinden.
Als langjähriger Nationalrat bringen Sie eine reiche politische Erfahrung mit. Wenn Sie die vergangenen Jahre überblicken: Täuscht der Eindruck, oder haben sich die verkehrspolitischen Rahmenbedingen für die Automobilbranche laufend verschärft?
Der Eindruck täuscht überhaupt nicht. Der öffentliche Verkehr wird gegenüber dem Individualverkehr politisch sehr stark bevorteilt. Während insbesondere in den Städten ein laufender Ausbau des öffentlichen Verkehrs stattfindet, wird das Auto je länger je mehr aus den Stadtzentren verdrängt. Dies zum Beispiel durch rigide Parkplatzvorschriften oder durch generelle Fahrverbote in den Quartieren.
Was kann man diesem autokritischen Zeitgeist entgegensetzen?
Die Automobilbranche hat sich mit der Elektrifizierung ein hohes Ziel gesetzt, mit dem sie den Umweltanliegen gerecht werden will. Gleichzeitig ist zu betonen, dass infolge des Bevölkerungswachstums in der Schweiz und der steigenden Mobilitätsbedürfnisse alle Verkehrsarten gebraucht werden. Wollen wir die Mobilität zukünftig nicht massiv einschränken müssen, ist neben dem öffentlichen Verkehr deshalb auch die Infrastruktur für den Privatverkehr dringend auszubauen, damit die heutigen enormen Stauzeiten und damit einhergehenden wirtschaftlichen Verluste gemildert werden können.
Die Treibstoffpreise haben Höhen erklommen, die für Normalverdienende, aber auch für KMU eine schwere Belastung darstellen. Wie kann die Politik hier Gegensteuer geben?
Rund 80 Rappen von jedem getankten Liter Benzin und Diesel gelangen zurzeit in die Staatskasse. Nur ein Teil davon wird aber tatsächlich für die Finanzierung der Infrastruktur des Verkehrs benutzt. Ein grosser Anteil davon fliesst einfach in die allgemeine Bundeskasse. Vor diesem Hintergrund wurden entsprechende politische Vorstösse zur mindestens temporären Reduktion dieser Steuern eingereicht. Eine solche Reduktion würde unmittelbar eine Entlastung der Treibstoffpreise bewirken.
Sie haben als SVP-Parlamentarier aktiv und erfolgreich gegen das CO2-Gesetz gekämpft. Wie geht es hier nun weiter?
Mit der Ablehnung des CO2-Gesetzes konnten massive Belastungen der Familien verhindert werden, die dem Klima kaum etwas gebracht hätten. Es wird auch beim neuen CO2-Gesetz darauf zu achten sein, dass dieses nicht unnötig zu einer Verteuerung von Treibstoffen oder der Mobilität generell führen wird. Diesbezüglich gilt es nun auch, auf die neuen Vorlagen zum CO2-Gesetz, die bald ins Parlament kommen, ein wachsames Auge zu haben.
Eines der grossen ungelösten Probleme der Schweiz ist die drohende Versorgungslücke im Energie- und Strombereich. Das hat auch Auswirkungen auf die Mobilität. Welche Strategie führt hier zum Ziel?
Tatsächlich ist die erste grosse Voraussetzung für das Gelingen der Elektrifizierung die dauernde Verfügbarkeit von genügend Strom. Aus heutiger Optik ist das aus meiner Warte nur möglich, wenn endlich der Widerstand gegen Zubauten, beispielsweise für Wasserkraftwerke oder Speicherseen, aufgegeben wird, damit der wegen des Wegfallens fossiler Energieträger zusätzlich notwendige Strom produziert werden kann. Aus heutiger Sicht brauchen die notwendigen Investitionen ihre Zeit. Allgemein wird deshalb bereits davon ausgegangen, dass die bestehenden Kernkraftwerke länger als ursprünglich geplant am Netz bleiben werden. Dies natürlich nur, solange sie sicher sind.
Sie haben es angesprochen: Eine besondere Auto-Feindschaft schlägt einem in den links-grün regierten Städten entgegen, Stichworte Tempo 30, Parkplatzabbau, Roadpricing, Verbot von Verbrennungsmotoren. Müssen wir damit rechnen, dass unsere Städte mittelfristig zu autofreien Zonen werden? Und was hiesse das für das Gewerbe?
Gerade für das Gewerbe in den Städten ist es sehr wichtig, dass der Individualverkehr auch in Zukunft seinen Platz hat, indem zum Beispiel vermehrt Parkplätze unterirdisch erstellt werden. Diesbezüglich müssen sich die Betroffenen auch unbedingt politisch stärker zur Wehr setzen. Dazu bedarf es eines noch stärkeren bürgerlichen Einsatzes bei städtischen Exekutiv- und Parlamentswahlen.
Mit dem Trend zur Elektrifizierung sinken die Einnahmen aus der Mineralölsteuer. Wie lässt sich die Strasseninfrastruktur in Zukunft finanzieren?
Die zukünftige Finanzierung der Strasseninfrastruktur ist wohl die grösste Herausforderung, vor der wir stehen. Dazu werden Lösungen für eine Abgabe pro gefahrenen Kilometer unabhängig der verwendeten Technologie diskutiert. Die Autobranche kann einer solchen Lösung aber nur dann zustimmen, wenn sie gleichzeitig auch für den öffentlichen Verkehr angewendet wird und nicht einfach den motorisierten Individualverkehr einseitig bestraft. Das heisst, wir sind offen für die Diskussion über ein Mobilitypricing, werden uns aber mit Händen und Füssen gegen ein Roadpricing zur Wehr setzen, welches nur die Autofahrer bestraft.
Der Verkauf von Elektroautos boomt, die Branche hat ihre Hausaufgaben offensichtlich gemacht. Trotzdem fährt das Bundesamt für Energie eine millionenteure Kampagne mit Steuergeldern, um den Kauf von E-Autos anzukurbeln. Was halten Sie davon?
Generell lebt die Automobilbranche von einem funktionierenden Markt, unnötige Eingriffe des Staates lehne ich grundsätzlich ab. Die staatlichen Gelder würden besser für den Bau neuer Stromproduktionsanalgen eingesetzt. Der Flaschenhals wird bei der Frage nach genügend Strom liegen – und kaum bei einer mangelnden Nachfrage nach Elektromobilen.
Die Politik könnte sich auch um die Ladeinfrastruktur kümmern. Welchen Beitrag kann und soll sie aus Ihrer Sicht leisten?
Ich bin der Auffassung, dass – wie der Bau von Nationalstrassen – durchaus auch die ausreichend zur Verfügung stehenden Ladestationen im öffentlichen Interesse liegen. Dies könnte beispielsweise aus dem Treibstoffzuschlag finanziert werden. Der Staat sollte mindestens die Rahmenbedingungen für Stockwerkeigentümer so gestalten, dass der Zubau von Ladeinfrastruktur in Wohnblöcken problemlos vonstattengehen kann.
Ohne Mobilität steht buchstäblich alles still. Was bedeutet Mobilität für Sie persönlich?
Wir leben in einem freien Land, und die Mobilität macht einen wesentlichen Teil des freien Lebens aus. Zu jedem möglichen Zeitpunkt bis in die hintersten Ecken unseres Landes zu gelangen, ist ein enormer Wert. Meine bisherigen beruflichen Tätigkeiten konnte ich auch nur dank des Autos ausüben.
Loten wir zum Schluss noch etwas Ihre Autoleidenschaft aus. Welches war Ihr erstes Auto? Welches besondere Erlebnis verbinden Sie damit?
Da ich nach der Autoprüfung noch studierte, hatte ich das Privileg, das Auto meiner Frau zu benutzen. Das war ein oranger Opel Kadett. Ich erinnere mich, dass ich es sehr genossen habe, selbst in den Ausgang fahren zu können, ohne auf eine Rückfahrgelegenheit angewiesen zu sein oder wegen des Zugs früher als die Kollegen nach Hause gehen zu müssen.
Was fahren Sie heute?
Aktuell fahre ich einen Volvo S90, freue mich aber natürlich besonders, als Präsident von Auto-Schweiz auch andere Marken testen und den jeweils aktuellen Stand der Technik, etwa bei Assistenzsystemen, im wahrsten Sinne des Wortes erfahren zu dürfen.
Letzte Frage: Wenn Sie einen Wunsch bei Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga frei hätten – wie würde er lauten?
Mein Wunsch wäre, dass dem dreispurigen Ausbau der Autobahnen auf den Schweizer Hauptachsen höchste Priorität eingeräumt wird, um den grossen Stauzeiten Einhalt zu gebieten.
Zur Person
Albert Rösti (54) wuchs in Kandersteg BE auf und studierte an der ETH Zürich Agronomie. Er war unter anderem Direktor der Schweizer Milchproduzenten und Präsident von Swissoil, dem Verband der Schweizer Brennstoffhändler. Er ist Mitglied der SVP, die er von 2016 bis 2020 präsidierte. Seit 2011 sitzt er im Nationalrat. Rösti ist verheiratet und hat zwei Kinder.