Gut ist nicht gut genug

Die ­Solothurnerin und das Team der Iron Dames bekamen beim Start zur Lang­strecken-WM viel ­Experten-Lob. Einen «exzellenten Job» zu machen, reicht ihnen aber nicht.

Es habe sich bezahlt gemacht, dass sie über den Winter sehr viel gearbeitet hätten, begründet Rahel Frey fast nüchtern den fünften Platz, den sie, die Dänin Michelle Gatting und die Belgierin Sarah Bovy in der Klasse LMGTE-Am (12 Autos) beim Auftakt zur Langstrecken-WM am vorletzten Wochenende in Sebring (USA) erreichten. Das Attribut nüchtern passt aber eigentlich nicht zum Traumstart der Iron Dames im Ferrari 488 GTE Evo. «2021, unser Debütjahr in der Langstrecken-WM, haben wir beim Finale in Portugal mit Platz sieben, unserem bis dahin besten Resultat, abgeschlossen. Nun haben wir die Latte noch etwas höher gelegt», sagt Frey. Nüchtern sieht sie hingegen ihre Ambi­tionen: «Wir sind auf einem guten Weg, wir sind wirklich zufrieden mit diesem fünften Platz. Aber wir wollen besser werden.»

Und zwar nicht nur auf der Rennstrecke. Den Rennstall Iron Lynx gibt es seit 2019, das Projekt Iron Dames in der Langstrecken-WM startete letztes Jahr. Während Iron Lynx aus Frauen und Männern besteht, setzen sich die Iron Dames ausschliesslich aus Frauen zusammen – in allen Positionen, von den Rennfahrerinnen über die Mechanikerinnen und Ingenieurinnen bis hin zu den Managerinnen. Insgesamt acht Rennfahrerinnen gehen in den sechs Rennserien Langstrecken-WM, European Le Mans Series, GT Challenge, Le Mans Cup, Ferrari Challenge und der italienischen Formel 4 an den Start. Hinter Iron Lynx steht die französische Geschäftsfrau Deborah Mayer, hinter den Iron Dames steht aber auch der Autoweltverband FIA, der das Projekt mit der Kommission Women in Motorsport (WIM) unterstützt. Für dieses Team und dieses Projekt beendete Rahel Frey vor rund vier Jahren ihr Werksengagement bei Audi. «Ich habe es nie bereut, dass ich bei Audi ausgestiegen bin», betont die Solothurnerin.

Seit 1998 gibt die heute 36-Jährige auf den Rennstrecken Gas, erst im Kart, dann ging es über Formel-Nachwuchsserien bis in die Langstrecken-WM, bevor sie 2011 bei Audi einen Vertrag erhielt und in der DTM fuhr, später auch im ADAC GT Masters, in der Nordschleifen-Serie VLN (heute NLS) oder der GT Asia. Auf die Bremse treten will sie aber noch lange nicht. «Früher habe ich gedacht, ich fahre Rennen bis 30. Dann kam immer noch ein Jahr mehr dazu. Heute kann ich mir gut vorstellen, auch mit 40 noch Gas zu geben», sagt Frey und lacht. Und wenn nicht auf der Rennstrecke wie dieses Jahr in der Langstrecken-WM, den European Le Mans Series und der GT Challenge, dann eben beispielsweise in einer Managerposition, wie sie sie heute bei den Iron Dames schon innehat. Denn: «Motorsport ist mein Leben.»

Der Status der Frau im Rennsport

Rahel Frey ist im Rennsport längst eine Marke. Seit dieser Saison ist sie neben Landsfrau Simona de Silvestro und der Britin Katherine Legge – auch eine Iron Dame – eine von nur drei Rennfahrerinnen weltweit, die den zweithöchsten FIA-Fahrerstatus Gold erhalten hat. Einfach erklärt: Bronze-Status erhalten Gentleman Driver, Silber hoffnungsvolle Nachwuchs- sowie  etablierte Piloten, Gold Sieger sowie Titelgewinner. Platinum gebührt den Weltmeistern. Trotzdem hadert Frey mit der Antwort auf die Frage, was ihr diese Aufwertung bedeute: «Sie ist auch ein Nachteil, denn sie wiegt auf als Zusatzgewicht bei der BoP (die Balance of Performance regelt innerhalb einer Klasse den Leistungsausgleich der Autos – Red.). Und das bremst dich ein.» Aber natürlich, fährt sie fort, ehre sie dieser Status auch, «erst recht als eine von sehr wenigen Frauen auf der ganzen Welt».

Ein Blick auf diese Statusliste verdeutlicht auch eindrücklich, wie es um die Frauen im Motorsport steht. Allein die Gold-Liste enthält weit über 350 Fahrer – überwiegend Männer. Auch Beth Paretta machte 2021 im Interview mit der AUTOMOBIL REVUE klar, welche Hürden ihr Frauenteam für die 500 Meilen von Indianapolis zu bewältigen hatte: Frauen kämpfen nicht nur um Cockpits, der Krampf beginnt schon bei Teilen der Ausrüstung wie den Schuhen oder den Overalls.

Rahel Frey kennt diese Hürden auch. Aber jammern mag sie nicht. Ihre Devise als Rennfahrerin passt: «Es gibt immer jemanden, der schneller ist als du. Also stehe zurück, stell dich in Frage und lerne.» Für jene, die sich für eine Sache einsetzten, öffne sich immer eine Türe, sagt sie: «Engagement macht sich immer bezahlt!» Was wäre demnach der nächste Lohn nach Platz fünf in Sebring? «Jetzt, wo wir ein Jahr in der Langstrecken-WM dabei sind, zuerst vielleicht mit etwas zu hohen Ansprüchen, wissen wir, wo wir hingehören. Die Top Fünf in der Gesamtwertung sind ein realistisches Ziel.» Die Iron Dames wissen nach WM-Rang zehn 2021, wo sie als Nächstes hinwollen. 

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