Ein Paradigmenwechsel – so lautet die Mission des neuen Sportwagens aus Hethel (GB). Als Leader (so die Bedeutung seines Namens) soll der Emira Lotus in eine radikal neue Zukunft führen, die ganz anders als die bisherige Geschichte der Marke verlaufen soll. Als Nachfolger des legendären Trios Elise, Exige und Evora hat dieses Modell die schwierige Aufgabe, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu vereinen und Lotus’ Weg in die Zukunft zu begründen.
Sturzhelm und Dosenhalter
Fangen wir ausnahmsweise mit einem Detail an, einem von besonderer Bedeutung: In der Mittelkonsole ziert den Schalter für die Regulierung der Luftströmung aus der Klimaanlage die Darstellung eines Rennfahrers – inkusive Helm! Das ist eine vielversprechende Ansage. Und tatsächlich, der Emira strotzt vor Sportlichkeit mit seinen Lear-Sitzen in Anspielung auf ein Flugzeugcockpit direkt vor dem rückwärtigen Motorabteil und der typischen Position mit ausgestreckten Beinen. Die Sitzposition erscheint allerdings noch etwas hoch. Dafür gibt es einen triftigen Grund: Das Exponat ist lediglich ein motorloses Mock-up, und die Sitze im Serienmodell sollen tatsächlich niedriger ausfallen. Laut Lotus wird der Serien-Emira ab Juni oder Juli auf den Schweizer Strassen erstmals zu sehen sein. Aus diesem Grund können wir noch kaum schlüssige Aussagen zur Fertigungsqualität des Innenraums, geschweige denn zur Fahrdynamik des Emira machen. Wie gesagt, dient das handgebaute Demonstrationsmodell, motorlos wie es ist, primär zum Sammeln optischer Eindrücke und zur Sitzprobe. Tatsächlich scheint das Ambiente des Interieurs durchaus schick und angenehm, nach dem Geschmack einiger hartgesottener Fans der Marke womöglich gar zu komfortbetont: Elektrisch verstellbare Sitze, KEF-Soundsystem, zwei grosse Bildschirme, davon ein 10.25 Zoll grosser Touchscreen, oder auch ein Dosenhalter – sitzt man da wirklich noch in einem Lotus? Diese Frage ist auch in Anbetracht der grosszügigen Raumverhältnisse zwischen Fahrer und Beifahrer berechtigt, genauso verhält es sich bei den wenig ausgeprägten Türschwellern, die keine extremen Körperverrenkungen beim Ein- und Aussteigen mehr erfordern wie bei Elise und Exige.
Alles relativ
Aber genau diese Radikalität ist die eigentliche Würze, die die britischen Sportwagen auszeichnet. Die im Vergleich zum Exige aufgewertete Hightech-Ausstattung erhöht das Mindestgewicht des Emira auf 1405 Kilogramm – also Schluss mit Colin Chapmans Konstruktionsphilosophie «Light is right»? Nicht unbedingt, meint Lotus, wo man die Frage unter einem anderen Blickwinkel beantwortet. «Der Emira wiegt nur wenige Dutzend Kilogramm mehr als ein Evora», bemerkt Frank Ammann, Geschäftsleiter bei Kumschick. Man weist uns ausserdem auf die Tatsache hin, dass sein Gewicht in der Grössenordnung der Konkurrenz liege, meist etwas darunter. Und schätzen eingefleischte Lotus-Fans diesen Wandel hin zu einem mehr alltagstauglichen Sportwagen? «Das Feedback ist ausgezeichnet», betont Georg Prisner, Territory Manager für Zentraleuropa bei Lotus. «Der Emira sorgt für zahlreiche positive Reaktionen bei neuen, aber auch traditionellen Kunden. Das beweisen die eingehenden Vorbestellungen.» Einige trauern natürlich den früheren Modellen nach, aber für diese gab es keine Zukunft. «Als Nischenhersteller konnten wir bisher Modelle ohne Airbag und Fahrerassistenzsysteme homologieren. Dies ist in absehbarer Zukunft nicht mehr möglich. Deshalb mussten wir ein völlig neues Modell entwickeln, das den künftigen Normen entspricht. Aber die Nostalgiker können beruhigt sein, selbst wenn der Emira der letzte Lotus mit Verbrennungsmotor sein wird. Wir beabsichtigen, die Modelle mit der vergleichbaren Technologie des Emira so lange wie möglich anzubieten, solange sie gefragt sind.» Die Fertigungsanlagen in Hethel erlauben eine Produktion von 5000 Einheiten jährlich. Der Emira wird also die DNA von Lotus behalten, es aber gleichzeitig der englischen Firma ermöglichen, sich der schnell wandelnden Automobilbranche anzupassen.