«Wir beleben den ­Schweizer Motorsport»

Wer ist dieser 60-Jährige, der nach Vorgängern wie Jean-Marie Balestre, Max Mosley und Jean Todt zum FIA-Präsidenten gewählt wurde?

Zwölf Jahren stand Jean Todt an der Spitze des Autoweltverbands FIA. Im Dezember wurde Mohammed bin Sulayem zum neuen Präsidenten gewählt. Wir trafen ihn zu einem exklusiven Gespräch.

Automobil Revue: Gleich zu Jahresbeginn besuchten sie die Rallye Dakar und reisten nach einem Zwischenhalt bei der FIA in Genf zur Rallye-WM-Präsentation nach Salzburg. Wie wichtig ist Ihnen der Kontakt zu den Aktiven?

Mohammed bin Sulayem: Zuallererst braucht es einen guten Plan. Um die Formel 1 mache ich mir keine grossen Sorgen. Wichtig ist eine klare Struktur. Wir haben uns früh mit der Formel 1 beschäftigt und mit den Teams Gespräche geführt. Deshalb bin ich mir sicher, dass alle an ­einem Strang ziehen und wir eine gute und spannende Saison vor uns haben. Auch in anderen Serien, ob Langstrecken-WM oder Tourenwagen-Sport, ist es wichtig, klare Strukturen zu haben. Dies trifft auch auf die Rallye-WM zu. Dort ist der Promoter sehr engagiert. Aber egal, über welche Meisterschaft wir reden, Nachhaltigkeit, angefangen beim Sprit bis hin zu neuen Antriebstechnologien, ist essenziell. Der Rallyesport ist ein gutes Beispiel. Dort sind die neuen Rally-1-Autos mit Hybridtechnologie die Spitze der Pyramide. Aber der Rallyesport ist viel mehr als die WM. Man kann die Spitze nicht einfach vom Rest trennen. Es geht darum, die ganze Bandbreite bis hinunter an die Basis zu integrieren.

Was meinen Sie damit?

Ganz einfach: Seit meiner Aktivzeit haben sich An- und Herausforderungen geändert. Es geht nicht darum, dass wir künftig CO2-neutral sein müssen, sondern, dass wir proaktiv sein wollen.

Ein Beispiel bitte?

Vor ein paar Monaten hatten einige Topfahrer aus der Rallye-WM ernste Bedenken bezüglich der Performance der neuen Hybridautos – zu schwer, zu langsam und so weiter. Und nun: Auch sie sind begeistert. Der Motorsport soll nicht nur einen Beitrag zur Verringerung des CO2 leisten, sondern auch wieder vermehrt als Testfeld und Beschleuniger für neue Technologien dienen.

Sie sind unter anderem 14-maliger Rallye-­Champion des Nahen Ostens und haben deshalb eine besondere Beziehung zum Rallyesport. Haben Sie deshalb im Vorjahr einen Lauf zur Rallye-EM in Tschechien besucht?

Der Rallyesport ist mir wichtig, er ist ein Teil meines Lebens. Man sitzt zu zweit im Auto, ich lernte, zusammenzuarbeiten und zusammenzuhalten. Es ist kein Sprint, es geht auch um Ausdauer und Leidenschaft. Zudem konnte ich durch den Sport andere Länder und Kulturen kennenlernen. Der Besuch in Tschechien war aus mehreren Gründen wichtig. Die Rallye-EM ist nicht nur die älteste FIA-Serie, sondern auch die bedeutendste kontinentale Rallyemeisterschaft. Ich konnte aktuelle Strukturen anschauen, Fahrer, Teams und Herstellervertreter treffen, und ich konnte mir am Steuer eines Rally-3-Autos auch einen Eindruck von dieser neuen Kategorie und den Sicherheitsstandards bei den Autos und den Strecken verschaffen.

Deutschland ist eine der führenden Autonationen. Was muss geschehen, damit dort wieder grosse Veranstaltungen wie ein Formel-1-Grand-­Prix oder ein Rallye-WM-Lauf stattfinden?

Die FIA braucht Deutschland, die Kultur und die grossen Hersteller. Gemeinsam mit dem nationalen Verband und den Promotern müssen wir herausfinden, was es braucht, damit in Deutschland wieder grosse Veranstaltungen stattfinden. Motorsport gehört auch in die Schlüsselmärkte. Braucht es dabei meine Hilfe, stehe ich gerne bereit. Das gilt nicht nur für eine Autonation wie Deutschland.

Dann sprechen wir doch über die Schweiz. Was kann die FIA tun, damit der Motorsport in diesem Land wieder mehr Bedeutung erlangt?

Ich war schon in meinen FIA-Büro in Genf, ich habe gute Beziehungen zum Schweizer Verband. Es gab in der Schweiz grosse Rennveranstaltungen, und es wäre toll, wenn es die eine oder andere wieder geben würde. Ich binde gerne Menschen mit ein, und das werde ich tun. Es geht nicht darum, was die FIA für die Schweiz für richtig hält, sondern darum, was die Schweizer brauchen. Auf Youtube sehe ich Videos, die zeigen, wie gross die Autobegeisterung auch in diesem Land ist. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit dem Schweizer Verband neue und nachhaltige Konzepte entwickeln werden, um den Motorsport auch hier zu beleben und vorwärts zu bringen.

Abschliessende Frage: Welche Motorsportveranstaltung werden Sie als nächstes besuchen?

Ich weiss nur, dass mein Terminkalender voll ist, nicht aber, welche Veranstaltung ich als nächstes besuche. Ich hatte mal ein Angebot, in Le Mans zu fahren, trotzdem war ich nie dort. Dieses Jahr werde ich sicher hingehen. Gleiches gilt für den Nürburgring. Die Nordschleife ist nicht nur Kult, sondern wird von der Autoindustrie für Test- und Erprobungsfahrten genutzt.

Zur Person

Neben Erfolgen im Rallyesport kann der in Dubai aufgewachsene Mohammed bin Sulayem (60) auch Bachelor–Abschlüsse der Betriebswirtschaft an der American University in Washington sowie an der britischen Ulster University vorweisen. Er initiierte und etablierte die Abu Dhabi Desert Challenge und war daran beteiligt, einen Grand Prix nach Abu Dhabi zu holen. Neben seiner Verbandstätigkeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Nahen Osten war er von 2008 bis 2013 und nach seiner Wiederwahl ab 2017 FIA-Vizepräsident für Sport und Mitglied des FIA-Weltrats.

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