Es gab eine Zeit, da war Toyota bekannt für seine Rennwagen. Und dann gab es eine Zeit, da war Toyota bekannt für sein Know-how bei Hybridfahrzeugen. Und jetzt? Neben den grossen Investitionen in alternative Antriebe sind die Sportwagen auch wieder im Kommen. Denn auf Bestreben seines rennerfahrenen Präsidenten Akio Toyoda hat der weltweit grösste Automobilhersteller eine echte Palette an Sportmodellen entwickelt. Die von der Tochter GR (für Gazoo Racing) vertriebenen Modelle Supra und Yaris werden nun durch den GR86 bereichert, der ebenfalls unter derselben Marke firmiert. Aber was versteckt sich hinter dieser japanischen Namensänderung? Denn der GR86 ist ja nicht komplett neu, nur hiess er bisher GT86.
Bevor wir diese Frage beantworten, müssen wir erst einmal Cäsar geben, was Cäsar gehört. Ebenso wie der gemeinsam mit BMW entwickelte Supra ist der GT beziehungsweise GR86 das Resultat einer Kooperation mit einer anderen Marke. So schloss man sich für die Entwicklung des GR86 mit Subaru zusammen (an dem Toyota 20 Prozent Anteile hält). Genauer gesagt: Subaru entwickelte das Coupé und montiert es in seinem Werk Gunma in Japan. Toyota wiederum überarbeitete die zweite Generation des BRZ, ein Modell, das in Europa leider nicht im Angebot ist. Der Grund dafür sind die von allen Herstellern einzuhaltenden Emissionsgrenzwerte, die Subaru vor echte Probleme stellen. Toyota hingegen verfügt diesbezüglich über viel Spielraum – dank der anfangs erwähnten Hybridmodelle.
Der Chef als Fan
Für Toyota ist der GR86 nicht weniger als eine Hommage an den Corolla AE-86 aus den 1980er-Jahren, ein inzwischen ikonisches Coupé, das – stark modifiziert – noch immer bei Driftrennen zum Einsatz kommt. Er ist die Fortsetzung des Coupé-Geistes mit Schwerpunkt auf Fahrvergnügen und Fahrspass. «Als grosser Fan des Modells hat der Toyota-Chef Akio Toyoda seine Ingenieure angewiesen, den Schwerpunkt des GR86 auf den Fahrspass zu legen», bestätigt Yasonori Suezawa, Chefingenieur des GR86-Projekts. Somit verfügt das Coupé über einen freisaugenden Frontmotor und einen Heckantrieb mit manuellem Schaltgetriebe. Toyota bietet auch eine Getriebeautomatik an, die aber wohl nur einen marginalen Anteil zu den Verkaufszahlen beisteuern wird – zu einem solchen Auto gehören drei Pedale.
Trotz der zum Vorgänger identischen technischen Basis wurde der GR86 in wesentlichen Punkten weiterentwickelt, wie Rennfahrer Herwig Daenens der AUTOMOBIL REVUE erklärt. Es gibt kaum optische Unterschiede, auch nicht bei den Abmessungen. Mit 4265 Millimetern Länge, 1775 Millimetern Breite und einer Höhe von 1310 Millimetern ist er nur etwas niedriger (10 mm) als das Vorgängermodell. Das hat einen nochmals tieferen Schwerpunkt des Autos zur Folge. Das Gewicht stieg trotz einer erhöhten Anzahl von Alukomponenten für Dach, Kotflügel und Motorhaube, denn der GR86 kommt natürlich mit neuen Sicherheitsfeatures. Somit ergibt sich ein Gesamtgewicht von 1275 Kilogramm. Das ist eindeutig schwerer als eine Lotus Elise oder eine Alpine A110, bleibt unter dem Strich aber doch korrekt. Dazu kommt eine nahezu perfekte Gewichtsverteilung von 53 zu 47 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse.
Ein hochgezüchteter Motor
Unter der Haube des GR86 arbeitet das berühmte Vierzylinder-Boxeraggregat mit doppelter Einspritzung sowohl ins Saugrohr sowie auch direkt in die Brennkammer. Der Motor erfuhr eine Leistungssteigerung von 200 PS im GT86 auf nun 172 kW (234 PS) bei 7000 U/min. Noch wichtiger: Das Drehmoment wurde ebenfalls gesteigert und liegt früher an. Die 250 Nm stehen bei 3700 U/min zur Verfügung, im Gegensatz zum Vorgänger, der nur 205 Nm bei 6600 U/min brachte. Neben dieser Motoroptimierung überarbeiteten die Ingenieure auch das Chassis, wie Herwig Daenens erklärt.
Der Fahrer sitzt im tief eingebauten Schalensitz des GR86 sehr wohl, direkt vor dem nahezu senkrecht stehenden Lenkrad, die Beine sind fast waagerecht positioniert. So, wie es sein soll. Die knackige Gangschaltung liegt in perfekter Reichweite der rechten Hand. Nach Starten des Motors ist der erste Fahreindruck sehr nachhaltig: Von 0 bis 100 km/h braucht man dank eines verbesserten Leistungsgewichts von 5.45 kg/PS nur 6.3 Sekunden (zuvor 7.6 s) . Der Motor des Vorgängers GT86 musste stets im oberen Drehzahlbereich bei Laune gehalten werden – der Neue zeigt sich viel durchzugsstärker und linearer. Der Flat Four beschleunigt spürbar ab 2000 U/min und explodiert förmlich ab 4000 U/min, bevor er bei über 7000 Umdrehungen in den Begrenzer stürmt. Dabei wird der Sound nie aufdringlich, sondern bleibt immer präsent und natürlich, obwohl sich auch Toyota einer Unsitte ergeben hat: der teilweisen Wiedergabe des Motorengeräuschs über die Lautsprecher.
Perfekt abgestimmtes Chassis
Mehr noch als dem Motor gebührt dem Fahrwerk uneingeschränktes Lob. Die Abstimmung ist ausgewogen und sportlich, genau die richtige Voraussetzung für das schnelle Durcheilen von Kurven. Beim scharfen Anbremsen kann das Coupé genau platziert werden und wird dann vom Heck in die Kurve hineingeführt, der ganze Ablauf geschieht unter genauer Aufsicht des mechanischen Sperrdifferenzials. So erlebten wir es im Parcmotor Castellolí, einer kleinen Rennstrecke in der Nähe von Barcelona (E). Der Fahrzeuglenker des GR86 darf sich ganz als Drift-Rennfahrer fühlen, der bestens von der Hinterachse unterstützt wird. Dazu braucht lediglich das ESP teilweise (im Track-Modus) oder vollständig ausgeschaltet zu werden.
Die Rückmeldung der Lenkung des GR86 ist grossartig, sie ist ebenso kommunikativ wie direkt. Man spürt, dass die Entwicklung von Rennfahrern für Rennfahrer geleistet wurde. Laut Toyota arbeiteten die Ingenieure Hand in Hand mit den Rennfahrern von Toyota Gazoo Racing, wobei das Auto sich dennoch als absolut alltagstauglich erweist. Das gilt auch für die etwas härtere Abstimmung der Stossdämpfer des GR86, denn die vier Insassen (Coupé 2+2) reisen mit einem absolut ausreichenden Alltagskomfort.
Geräumiger Sportwagen
Der gut verarbeitete Innenraum des Toyota verfügt über einen digitalen Instrumentencluster und zahlreiche klassische Bedienelemente, was man erfreut zur Kenntnis nimmt. Auch grossgewachsene Insassen verfügen auf den vorderen Sitzen über ausreichend Platz – mit einer gewissen Einschränkung, falls der Fahrer einen Helm aufsetzen will. Der Kofferraum ist mit 226 Litern Fassungsvermögen für den Wochenendausflug ausreichend dimensioniert, die umklappbare Sitzbank ist ein weiterer Pluspunkt.
«Als analoges Auto im digitalen Zeitalter soll der GR86 eine wachsende Anzahl von Interessenten in die GR-Welt bringen», führt Yasonori Suezawa aus. Hilfestellung leistet dabei auch der Preis von rund 40 000 Franken – das ist günstiger als ein Yaris GR und ein attraktives Angebot in Anbetracht des gebotenen Fahrspasses. Vorsicht ist allerdings bei der Benzinrechnung geboten, denn der Vierzylinder-Boxermotor ist für seinen relativ grossen Durst bekannt.
Tuning ist schon geplant
Der Toyota GR86 wird nicht nur zu einem konkurrenzlos günstigen Preis angeboten (ungefähr 40 000 Franken laut ersten Informationen), Toyota wird sein Coupé auch als nacktes Einstiegsmodell anbieten. Denn warum eine Vollausstattung kaufen, wenn man weiss, dass einige Exemplare von Rennsportspezialisten und verrückten Tunern komplett zerlegt und neu aufgebaut werden? Das hat Toyota eingeplant und bietet eine komplett abgespeckte Version des kleinen Sportwagens an. Dazu gehören Stahl-felgen und der Entfall von Infotainment und Ledersitzen. Diese GR86 RC genannte Version ist in der Schweiz leider nicht erhältlich.
Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.