Alfa Romeo Giulia GTAm: ein erhabener Name

GTA stand bei Alfa einst für viel Sportlichkeit. Danach war lange Pause. Bis die Giulia GTA(m) die Geschichte wieder in die richtige Bahn lenkte.

Das ist wahrscheinlich das, was man unter einem Generationenkonflikt versteht. Gibt man «GTA» in die Suchmaschine ein, stösst man auf Ergebnisse wie Grand Theft Auto, eine sehr erfolgreiche Videospielserie. Andere Zeiten, andere Sitten. Es gab einmal eine Zeit, in der diese drei Buchstaben nur eines bedeuteten: Gran Turismo Alleggerita. Zwischen 1965 und 1979 prägte Alfa Romeo den Ruf des Kürzels im Trubel der europäischen Rennstrecken. Die Waffe des Biscione, der Schlange im Markenlogo, war die Giulia Sprint GTA, die 1965 enthüllt wurde. Die GTA hatte das gewisse Etwas – deutlich weniger Gewicht! Die Giulia Sprint war in der Extremversion 200 Kilogramm leichter – 20 Prozent des Gewichts der ursprünglichen Version! – und erreichte ein Leergewicht von 750 Kilogramm. Die AUTOMOBIL REVUE schrieb in der Ausgabe von 8. Juli 1965: «Das Auto bietet eine beispiellos gelungene Kombination aus Tourenwagen und reiner Rennmaschine.»

Trotz dieses prestigeträchtigen Stammbaums verschwand der GTA-Schriftzug zeitgleich mit der Giulia. Dann tauchte er mehr oder weniger geschickt noch ein paarmal auf, zum Beispiel beim Alfasud 1.5 105 PS für den südafrikanischen Markt. Nach diesen Irrfahrten kehrte Alfa Romeo wieder auf den richtigen Weg zurück, mit Autos, die auch mal etwas schräg sein konnten: Alfa kam 2016 mit der Giulia zurück zum Heckantrieb und verhalf dem Namen GTA 2020 wieder zu seinem alten Glanz. Das A in GTA bedeutete Alleggerita – Abnahme, denn die Giulia GTA verlor im Vergleich zum Quadrifoglio 60, ja sogar 100 Kilogramm in der hier getesteten Version GTAm.

Sehr exklusiv

Zusätzlich zu den Gewichtseinsparungen an der Motorhaube, dem Dach, den Kotflügeln und den vorderen Stossfängern – allesamt aus Karbonfaser – legt die ultimativ sportliche GTAm durch Scheiben aus Lexan und den Wegfall der Rückbank noch ein paar weitere Kilo ab. Hinten wurden stattdessen ein Überrollbügel in Karosseriefarbe sowie eine Zierleiste für zwei Helme angebracht. Ja, denn die GTAm soll wie ihre Vorgängerin aus dem Jahr 1965 die Variante für alle diejenigen sein, die ihre Sonntagsausfahrt gerne auf der Rennstrecke unternehmen. Weiterer Beweis dafür sind die Sechspunktgurten (ein normaler Gurt ist aus Zulassungsgründen immer mit dabei) und die Schalensitze. Weil die Fahrerposition nahezu perfekt ist, sparen wir uns die Kritik an den fehlenden Einstellmöglichkeiten. Denn wir fühlten uns privilegiert in diesen Sitzen: Die GTA ist auf insgesamt 500 Stück limitiert, wie die Nummerierung auf dem Armaturenbrett verrät. Dieses ist mit Alcantara bezogen und verleiht dem Ambiente eine exklusive Note. Abgesehen davon halten sich die Unterschiede zur Giulia Quadrifoglio im Inneren in Grenzen, im Guten (Design) wie im Schlechten (Infotainment).

In voller Kriegsmontur

Leichter, exklusiver und schärfer – die Giulia GTA hat alles, was es braucht, um das Versprechen der Marke zu erfüllen. Die Radikalisierung würde jedoch einen unvollständigen Eindruck hinterlassen, wenn das Modell nicht auch noch ein paar zusätzliche PS bekommen hätte. Der 2.9-Liter-V6-Biturbo wurde um 30 PS auf insgesamt 540 PS aufgestockt. Diese erwachen mit einem kraftvollen, kernigen Knurren zum Leben und geben gewaltig den Ton an. Die Giulia GTAm lässt mit ihren rennwagenähnlichen Details – Radlaufverbreiterungen aus Karbon, verstellbarer Frontsplitter und Heckflügel – hinsichtlich Komfort das Schlimmste befürchten. Wir erwarten, dass wir bei jedem Schlagloch etwas verlieren, aber wie durch ein Wunder meistert die adaptive Aufhängung der Giulia GTAm die Unebenheiten des schlechten Asphalts mit Leichtigkeit. Das Niveau ist natürlich nicht mit einem Rolls-Royce vergleichbar, aber besser als bei der Giulia Quadrifoglio. So beugt sich die Italienerin trotz ihrer angriffslustigen Erscheinung widerstandslos den Torturen des Alltags, selbst der riesige Heckflügel schränkt die Sicht nach hinten nur geringfügig ein. Alles wäre perfekt, triebe nicht ein wichtiges Detail einem vor jeder Schwelle kalten Schweiss auf die Stirn: der verstellbare Frontsplitter. Besser, man meidet die Tücken der Stadt und bietet der GTAm eine natürlichere Umgebung.

Die Rennstrecke ist die beste Umgebung für ein so wildes Tier. Einen Vorgeschmack auf die Fähigkeiten der GTA haben wir bereits auf dem Kurs in Balocco (I) bekommen (hier zum Bericht). Auf dem idealen Asphalt der piemontesischen Strecke waren wir fasziniert von der Präzision der Vorderachse, die noch direkter ist als diejenige der Giulia Quadrifoglio, die bereits eine Referenz in diesem Segment ist. Also machten wir uns auf den Weg zu einem Bergpass, wo die GTAm die ersten Eindrücke aus Balocco bestätigen konnte. Der Charme wirkt Kurve um Kurve, und jede Lenkbewegung – ein Höchstmass an Präzision und Kommunikation – brachte das Herz zum Schmelzen. Es ist schwer, sich nicht in diesen Wagen zu verlieben, der dank der zusätzlichen Unterstützung noch rasanter in die Kurve stürmt. Beim Beschleunigen schliesst die Hinterachse die Linie progressiv und mit dem richtigen Ruck, den es braucht, damit das Auto um die Kurve kommt. Beschleunigt man noch stärker, bricht das Heck gerne aus, doch nicht auf heimtückische Weise, die Fahrhilfen haben ein wachsames Auge darauf. Zur Not helfen die Karbon-Keramik-Bremsen, die ausdauernd jeder Herausforderung gewachsen sind.

Von Kurve zu Kurve verliebter

Aber erst wenn man der Giulia von Angesicht zu Angesicht begegnet und seine Schutzengel herausfordert, verliebt man sich wirklich in die Italienerin. Im Race-Modus schiesst die GTAm von Kurve zu Kurve, beschleunigt ebenso stark wie sie verzögert. Die Natürlichkeit der Reaktionen ist verblüffend und macht süchtig, sodass man diesen Tango nur so schnell wie möglich wiederholen möchte. Die 600 Nm Drehmoment schiessen die gemessenen 1660 Kilogramm – 80 mehr als angekündigt – blitzschnell aus den Kurven, der Klang des V6-Biturbo versüsst die Zeit auf der Geraden zusätzlich. Die GTAm absolviert den Sprint von 0 auf 100 km/h unseren Messungen zufolge in blitzschnellen 3.8 Sekunden, doch so beeindruckend der Schub durch die 540 PS auch ist, der Antriebsstrang ist nicht der gelungenste Teil der GTAm. Die Beschleunigung erfolgt etwas zu linear und endet etwas zu schnell bei 6500 U/min. Hinzu kommt, dass die Achtgang-Automatik nicht so schnell arbeitet wie ein Doppelkupplungsgetriebe. Ach ja, wenn wir schon dabei sind, sollten wir auch erwähnen, dass der Treibstoffverbrauch nicht ganz ohne ist, und der Preis von 188 000 Franken für die GTA beziehungsweise 193 000 Franken für die GTAm extrem erscheint. Der hohe Preis ist in Wahrheit ein Scheinproblem, denn alle 500 Exemplare wurden bereits verkauft.

Was die anderen Mängel betrifft, handelt es sich um Kleinigkeiten, die kaum von den grossen Leistungen ablenken, welche die GTA(m) zu einer Referenz unter den Sportlimousinen machen, wie es ihre Vorgängerin schon 1965 war. Die Geschichte ist wieder in Ordnung.

Testergebnis

Gesamtnote 87.5/100

Antrieb

Die Darbietung ist atemberaubend, aber sie leidet unter einer gewissen Geradlinigkeit. Auch wird der V6-Motor zu früh vom Begrenzer eingefangen. Die Automatik ist im Gesamtkonzept nicht gerade der Brüller.

Fahrwerk

Grosse Kunst: Die Natürlichkeit der Reaktionen vermittelt sofort Vertrauen, der Vorderwagen ist unglaublich präzise. Die Referenz im Segment.

Innenraum

Als GTAm ist die Giulia spartanischer, was den Innenraum verkleinert. Die Verarbeitung ist jedoch sehr gut. Das Infotainment ist veraltet.

Sicherheit

Die Giulia GTAm glänzt mit einem Bremsweg von 32.8 Metern aus 100 km/h. Die Fahrhilfen sind ansonsten schlicht gehalten.

Budget

Der Verbrauch ist relativ hoch, und der Grundpreis setzt GTA und GTAm fast auf eine Stufe mit dem Porsche 911 GT3. Das ist sehr teuer, allerdings aber kein Problem: Alle 500 Stück sind bereits verkauft.

Fazit 

Die Alfa Romeo Giulia GTAm ist nicht ganz perfekt, vor allem das leicht träge Getriebe und die minimale Kurzatmigkeit des Motors verwehren ihr die Bestnoten. Ansonsten liefert der Alfa eine Glanzleistung ab, vor allem was die Strassenlage angeht. Dank seiner Kommunikationsfreudigkeit wirkt er leichter und kleiner, als er tatsächlich ist. Dahingehend ist er ein würdiger Erbe des Autos, das die Legende der drei Buchstaben begründete, der Giulia Sprint GTA von 1965. Was für ein Kompliment!

Die technischen Daten und unsere Messwerte zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe und im E-Paper der AUTOMOBIL REVUE.

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