Erstkontakt mit der Alfa Romeo Giulia GTA und GTAm: die Legende lebt

Mit der Giulia GTA facht Alfa Romeo ein Fieber wieder an, das bis in die 1960er-Jahre zurückreicht. Das verspricht Fahrspass in Reinstform.

Wenn Alfa Romeo einlädt, die Prototypen von Giulia GTA und GTAm auf der Rennstrecke von Balocco (I) zu fahren, zögern wir keine Sekunde. Selbst ohne Monate der erzwungenen Abstinenz und Homeoffice-Pflicht könnten wir ein solches Angebot kaum ablehnen. Und fahren dafür auch 700 Kilometer an einem Tag, um dann gerade einmal vier Runden pro Auto drehen zu dürfen.

Kohlenstoff-Diät

Der GTA-Zusatz – für Gran Turismo Alleggerita – entstand 1965 und prangte zuerst an der bösen Giulia Sprint. Mehr als die bescheidene Steigerung der Leistung (+9 PS auf 115 PS) beschäftigte die Ingenieure seinerzeit vor allem die Reduzierung des Gewichts: Das Coupé mit der Handschrift von Bertone kam statt auf 950 auf 745 Kilogramm Leergewicht! Mehr als 55 Jahre später haben die verschärften Homologationsvorschriften ein solches Kunststück fast unmöglich gemacht. Die Techniker mit dem Biscione im Herzen haben es geschafft, das Gewicht des GTA im Vergleich zum Quadrifoglio um 60, beim GTAm sogar um 100 Kilogramm zu reduzieren. Ergebnis: Mit rund 1520 Kilogramm (GTAm) braucht sich die Giulia nicht zu verstecken, sie ist damit eine der leichtesten Limousinen auf dem Markt. Um dieses Ergebnis zu erreichen, griffen die Ingenieure grosszügig zu Karbon: Kotflügel und Stossfänger vorn, das Dach und die Motorhaube nutzen diese wundersame Diät. Karbon-Schalensitze, hintere Scheiben aus Polycarbonat und der Verzicht auf eine Rückbank senken das Gewicht des GTAm weiter.

Hilfe aus der Luft

GTA, das verspricht auch ein Fahrwerk der Superlative. Die Mailänder Ingenieure haben hart gearbeitet, um diesem Ruf gerecht zu werden, und zahlreiche Änderungen vorgenommen. So liegt die Giulia dank einer um 25 Millimeter verbreiterten Spur vorne und 50 Millimeter hinten besser auf der Strasse.

Die Techniker verliehen dem Fahrzeug durch neue Federn und Dämpfer ausserdem eine geduckte Haltung, sodass das Fahrzeug vorne niedriger ist als hinten. So strömt die Luft besser unter dem Unterboden hindurch, und der Anpressdruck wird erhöht. Die Mitarbeiter von Alfa Romeo meinten in Balocco, dass die Aerodynamik im Vergleich zum Quadrifoglio um 50 Prozent verbessert worden sei. Der GTAm sei, dank einstellbarer aerodynamischer Anbauten, sogar um ganze 200 Prozent besser.

Aber was wäre eine Sportversion, wenn nicht auch der Motor ein paar PS mehr bekäme? Die Zauberer von Alfa Romeo haben aus dem 2.9-V6-Biturbo 30 PS mehr herausgeholt, sodass er nun auf 540 PS kommt. Der Zuwachs an Pferdestärken mag bescheiden klingen, aber er reicht aus, um beim Sprint von 0 bis 100 km/h (3.6 Sekunden) drei Zehntelsekunden zu gewinnen.

Telepathisch

Damit endet das technische Briefing, und wir dürfen uns endlich auf die Alfa-Teststrecke begeben. Zum Glück zeigt sich kein Wölkchen am Himmel, und die Temperatur ist geradezu ideal (18 Grad). Auch wenn das Auto noch ein Prototyp ist, versichert man uns, dass die Feinabstimmung abgeschlossen sei.

Ein paar Meter genügen, um zu bemerken, dass die Lenkung, die schon beim Quadrifoglio vorbildlich war, noch einmal verbessert wurde. Das Fahrzeug wechselt mit atemberaubender Unmittelbarkeit und Natürlichkeit die Richtung, es scheint telepathisch jeden Richtungswechsel zu verstehen. Die Rückmeldung ist erstklassig, die Vorderachse ist wahnsinnig präzise, und wir fühlen uns in diesem Wagen sofort sicher unterwegs. Wir steigern uns also, mehr, immer mehr. Die Giulia geht dabei mit. Sie wechselt die Richtung mit kristalliner Natürlichkeit und Unmittelbarkeit. Selbst wenn wir sie grob über die Rüttelstrecke von Balocco hetzen, folgt sie mit einer unerschütterlichen Gelassenheit. Das Heck folgt treu der Vorderachse, der Italiener ist agil, ohne nervös zu sein. Beim Beschleunigen drückt das Heck förmlich um die Kurve und unterstützt das Manöver.

Tritt man das Pedal bei aktiviertem Race-Modus fester durch, geht das Heck in den Drift über: mächtig, aber immer noch beherrschbar. Das satte Drehmoment – der endgültige Wert ist noch nicht bekannt, liegt aber sicher über 600 Nm – schiebt einen aus jeder noch so engen Kurve, selbst wenn man einen Gang zu hoch schaltet. Der Sound aus den wunderbaren, zentral angeordneten Akrapovic-Doppelausgängen ist eher gedämpft, erfreut beim Hochdrehen aber mit einem aufregenden metallischen Crescendo.

Solche Drifts sehen spektakulär aus, gehen in der Giulia GTA aber völlig locker. Das Heck zieht wie von selbst in und durch die Kurve. 

500 Exemplare

Der Schub hat viel Punch, aber man kann nicht sagen, dass die zusätzlichen 30 Pferdestärken spektakulär sind. Und da wir pingelig sind, hätten wir uns einen etwas längeren Atem als die verfügbaren 6500 U/min gewünscht. Trotzdem zeigt der Tacho schnell mehr als 200 km/h an, während uns die nächste Kurve entgegenfliegt. Wir treten auf die Bremse. Zu früh, wir haben das enorme Potenzial der Karbon-Keramik-Bremsanlage unterschätzt. Die Dosierung erfordert etwas Übung, wurde aber gegenüber dem Quadrifoglio verbessert.

Nun ist es Zeit, in den radikaleren GTAm einzusteigen. Eigentlich sind die Unterschiede zur GTA-Version nicht so eklatant, aber das liegt vermutlich an den Grenzen des fahrerischen Könnens des Testfahrers. In den Händen eines Experten dürfte es möglich sein, die Rundenzeiten um ein paar Zehntelsekunden zu verbessern. Doch so umwerfend die Leistungen von GTA und GTAm auch sind, eine noch radikalere Auslegung des Fahrwerks wäre nicht fehl am Platz gewesen. Tatsächlich sind die Verbesserungen gegenüber dem Quadrifoglio spürbar, aber insgesamt marginal.

Dies ist ein weiterer Beweis für die hervorragende Basis, auf der der GTA aufbaut – und eine gute Nachricht für alle, die sich die 185 000 beziehungsweise 193 000 Franken für den GTA und GTAm nicht leisten können. Wer den legendären Schriftzug dennoch sein eigen nennen möchte, muss sich auf die Warteliste setzen lassen: Es werden nur 500 Exemplare gebaut – und bereits liegen 3000 Anfragen vor.

Radikal, aber trotzdem nicht illegal

Trotz ihrer geschärften Definition bleibt die Giulia GTAm für den Strassenverkehr zugelassen. Für den im Strassenverkehr nicht zugelassenen Sechspunktegurt gibt es einen normalen Sicherheitsgurt. Die hintere Sitzbank wurde zugunsten der Leichtigkeit entfernt, um Platz für zwei Ablageschalen zu schaffen, in denen man die Helme aufbewahren kann. Neben der extremeren Gewichtsreduzierung (–100 kg) zeichnet sich die GTAm-Version durch ihre manuell verstellbaren aerodynamischen Anbauteile aus. Der vordere Splitter ist in Längsrichtung um vier Zentimeter verstellbar, je nach Bedarf an Anpressdruck und Höchstgeschwindigkeit. Das gleiche gilt fürs Heck, wo das auffälligste Merkmal des GTAm der riesige verstellbare Spoiler ist. Der GTAm ist ausserdem die einzige Limousine der Welt, die serienmässig über Räder mit Zentralmuttern verfügt. Alfa Romeo behauptet, dass der GTAm auf dem Rundkurs von Vallelunga bei Rom 2.95 Sekunden flotter sei als der Quadri-foglio Verde – und auf der legendären Hochgeschwindigkeitsstrecke von Nardo soll der GTAm sogar 4.7 Sekunden schneller sein als der QV.

Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.

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