Beide haben sie im Autorennsport bisher eine steile Karriere hingelegt. Julien Apothéloz, der Gewinner der Young Driver Challenge 2018, schaffte es über die ADAC-TCR-Meisterschaft 2019 und als Gesamtdritter der GT4 Germany letztes Jahr in die GT World Challenge. Miklas Born räumte 2020 mit dem Zürcher Team Autorama in der Langstreckenmeisterschaft 24H-Serie ab, gewann unter anderem die Juniorenwertung und kam so nach nur einem Jahr im Autorennsport in die GT World Challenge. Apothéloz fährt für das deutsche Team Allied Racing einen Porsche 911 GT3 R und innerhalb der Serie im Pro-Am-Cup. Born gehört zum ebenfalls deutschen Rennstall SPS Automotive Performance, der mit Mercedes-AMG GT3 Evo den Silvercup bestreitet.
Viel Lob für die Nachwuchsfahrer
Mit dem Rohdiamanten Miklas Born wollte Autorama in der 24H-Serie sogar einen Zacken zulegen. Neben den Autos für die TCR-Kategorie sollte auch ein GT3-Bolide her. Das Projekt musste aber Anfang Jahr aus finanziellen Gründen, verursacht durch Corona, auf Eis gelegt werden. Stefan Tanner, Teamchef von Autorama, schwärmte schon vergangenen Herbst während der Titeljagd von Born: «Er hat vom ersten Rennen in Dubai bis bis heute praktisch keinen Fehler gemacht und war auch in extremen Situationen immer sehr abgeklärt. Es macht wahnsinnig viel Spass, mit einem so jungen und talentierten Fahrer den Titel zu holen.» Born hat aber vor allem einen Förderer: Yannick Mettler, selber Rennfahrer und mit seinem Schützling letztes wie auch dieses Jahr im selben Cockpit. Mettler hat trotz des Rückziehers von Autorama nicht locker gelassen. «Er hat sich umgesehen. Einfach ist es nie, weil der Motorsport viel Geld kostet, und es braucht auch immer etwas Glück. Aber offenbar kann man die GT3-Autos besser an die Sponsoren verkaufen», sagt Born.
Julien Apothéloz erhält nicht weniger Lob. Es ist allein eine Auszeichnung, dass Bernd Schneider, deutsche Rennlegende und immer noch DTM-Rekordchampion (hier zu lesen), auf den Zürcher aufmerksam geworden ist und ihn seit diesem Jahr unter Vertrag hat. «Ich bin sehr optimistisch, weil er sich brutal entwickelt hat. Ich habe selten einen so jungen Mann gesehen, der so akribisch arbeitet und Fortschritte macht. Bei den ersten Tests hinkte er noch hinterher, man hatte sich von ihm mehr erhofft. Aber er hat seine Leistung analysiert und sich verbessert – Ende letzten Jahres war er einer der schnellsten Fahrer in der ADAC GT4 Germany. In der Regel sind solche jungen Fahrer nicht geduldig genug, sie probieren mit Gewalt etwas hinzubiegen, was aber meistens nicht funktioniert. Julien ist offen, denn der Motorsport ist heute sehr viel anders, als er es in meinen jungen Jahren war. Bevor es zu einem Rennen geht, stehen Arbeiten im Simulator an, es werden Daten ausgewertet, soziale Medien sind wegen der Sponsoren wichtig. Julien ist in dieser Hinsicht der Wahnsinn! Er schaut sich um, und er redet mit allen», sagt Bernd Schneider über die Qualitäten seines Schweizer Schützlings.
Gelungene Umstiege
Auf den Lorbeeren ausruhen will sich aber weder Julien Apothéloz noch Miklas Born. Im Cockpit ihrer GT3-Boliden fühlen sich die beiden schnellen Schweizer wohl. Beide hatten schon vor dem offiziellen, zweitägigen Test der GT World Challenge in der letzten März-Woche in Le Castellet (F) Kilometer mit den neuen Renngeräten zurückgelegt. Apothéloz legte seine ersten Testkilometer eine Woche zuvor in Monza (I) zurück: «Eigentlich war früher im Jahr noch ein Test auf dem Nürburgring angesagt, doch richtig fahren konnte ich dort wegen Schneefalls noch nicht». Born stieg noch früher um. Im Januar durfte der Teenager in Vallelunga (I) einen Lamborghini Huracán fahren – und Teambesitzer Vincenzo Sospiri, der die flache Flunder stellte, traute mit Blick auf die Rundenzeiten seinen Augen nicht. «Niemand hat mir geglaubt, dass Miklas zuvor noch nie einen GT3 gefahren ist», erzählte Stefan Tanner von Autorama damals.
Miklas Born bekam mit dem Huracán einen ersten GT3-Eindruck, aber sein neuer Bolide, der Mercedes-AMG GT3, fährt sich trotzdem anders, wie er vor rund zwei Wochen in Le Castellet feststellte: «Das Motorenkonzept der Autos ist unterschiedlich. Der Lamborghini hat einen Mittelmotor, der Mercedes einen Frontmotor, weshalb ich meine Fahrweise, vor allem aber die Arbeit mit der Bremse anpassen musste.» Nach den letzten Testfahrten vor dem Meisterschaftsauftakt am übernächsten Wochenende in Monza glaubt Born, dass er und das Team eine Chance haben: «Das Team ist wirklich top! Diese Leute sind echte Profis. Wohl auch deshalb verlief unser Test zufriedenstellend und reibungslos. Natürlich waren es Testfahrten, und wir wissen deshalb beispielsweise nicht, wie viel Benzin die Konkurrenten getankt hatten. Wir können betreffend der Qualifikationsläufe noch zulegen, aber die Renn-Pace stimmt. Wer weiss, vielleicht holen wir den einen oder anderen Podestplatz.»
Herausforderung Aerodynamik
Nur mitfahren wollen auch Julien Apothéloz und das Team Allied Racing, das seine Premiere in der GT World Challenge hat, nicht. Nach seinem erfolgreichen GT4-Jahr im Mercedes-AMG muss der Zürcher mit dem Porsche aber erst in der Spur bleiben. «Die Gewichtsverteiltung der Fahrzeuge ist völlig anders. Der Mercedes mit seinem Frontmotor war ausgewogen und liess sich angenehm und ruhig fahren. Der Porsche mit dem Heckmotor hat eine top Traktion, aber die Vorderachse ist vergleichsweise leicht, was für mehr Untersteuern sorgt. Ich habe andere Piloten sagen hören, dass der Porsche 911 GT3 R der wohl am schwierigsten zu fahrende Rennwagen der Kategorie ist. Aber dieser Herausforderung stelle ich mich sehr gerne», sagt Apothéloz mit einem Lächeln. Die grösste Umstellung sei aber – und das gilt auch für Born – die Aerodynamik. «Wenn du erstmals in einem solchen Auto sitzt, bist du von der Leistung beeindruckt. Wenn du diese Leistung dann auch durch die Kurven halten kannst, dann macht das unheimlich viel Spass! Zugegeben, ich musste mich erst an diese Kurvengeschwindigkeiten gewöhnen. Aber ich darf behaupten, dass ich mich viel schneller als erwartet an diese GT3-Wagen gewöhnt habe», sagt Apothéloz.
Der Fahrplan für die diesjährige GT World Challenge ist überschaubar – wegen Corona aber auch alles andere als sicher. Nach dem Saisonauftakt in Monza (16.–18. April) folgen die Läufe in Le Castellet (28.–30. Mai), Spa-Francorchamps (B, 29. Juli–1. August), auf dem Nürburgring (D, 3.–5. September) und in Barcelona (E, 8.–10. Oktober). Sowohl Apothéloz wie auch Born planen mit ihren Teams weitere Rennstarts, vor allem aber bei den berühmt-berüchtigten 24 Stunden am Nürburgring am ersten Juni-Wochenende. «Den Permis für die Nordschleife muss ich aber erst noch machen», gibt Apothéloz grinsend zu.
Das zweite Standbein
So oder so geben die beiden Schweizer Rennfahrertalente aber auch neben der Rennstrecke Gas. Trotz des steilen Werdegangs Richtung Profi wollen sie ihre Zukunft absichern. Julien Apothéloz hat im Sommer die Matura bestanden, den Beginn des Studiums musste der Zürcher aber verschieben, weil die Pandemie weltweit für einen dichtgedrängten Motorsportkalender im Herbst sorgte. «Diesen September will ich das Studium beginnen, wahrscheinlich in Betriebswirtschaft. Obwohl mein Fokus derzeit auf dem Rennsport liegt, ist es mir wichtig, dass ich mir dieses zweite Standbein schaffe», sagt der 20-jährige Apothéloz. Der zwei Jahre jüngere Miklas Born besucht noch die Wirtschaftsmittelschule, «die dauert noch ein Jahr, dann folgt ein anderthalbjähriges Praktikum. Aber das liegt neben dem Rennsport drin.»
Auch wenn ihre Karrieren hin zum Rennfahrerprofi in Schuss gekommen sind, so wollen sich die beiden Schweizer Nachwuchstalente davon nicht blenden lassen. Auf dem Boden bleiben, heisst die Devise. «Das Level im Silbercup der GT World Challenge ist schon hoch, da sind auch Profis unterwegs», zollt Miklas Born den Mitstreitern Respekt. «Für mich geht es in diesem ersten Jahr darum, möglichst viel zu lernen – und mich in dieser GT-Welt zu zeigen.» Nicht anders möchte es Julien Apothéloz handhaben: «Ziel ist es, auf dem Boden zu bleiben und damit die Karriere hin zum Profi im Fokus zu behalten. Sicher, in diesem ersten Jahr geht es ums Lernen. Aber nur? Ich möchte mich in der Pro-Am-Kategorie schon zeigen und das eine oder andere Ausrufezeichen setzen. Wir zielen Richtung Titel.»
Das ist nicht frech. Ein gesundes Selbstvertrauen gehört auf dem Weg nach oben auch dazu.