Das Beste aus zwei Welten

Der Cayman GTS bekommt zwei zusätzliche ­Zylinder und einen weniger restriktiven Auspuff. Stört das seinen Sonderstatus als idealen Begleiter für Alltag und Rennstrecke?

Der Porsche 718 Cayman GTS ist genügend komfortabel für lange Fahrten. Auch wenn man es ihm von aussen nicht aussieht, bietet er erstaunlich viele Staumöglichkeiten.

Das Jahr 2005 markierte die Geburt des Porsche Cayman mit sechs Töpfen und natürlichem Ansaugtrakt, also einem Boxer frei von jeglichen Turboanhängseln. Elf Jahre später liessen sich die Zuffenhausener von den Lockgesängen des Downsizing verführen und pflanzten ihrem Kleinen einen aufgeladenen Vierzylinder-Boxer ein. Schockierend war das vielleicht nicht, denn die Anfänge der Tradi­tionsfirma gründen in einer ähnlichen Motorarchitektur. Bei den Puristen zog das Argument allerdings nicht. Sie protestierten lautstark. Nur ein guter alter Sechszylinder mit 180 Grad Spreizwinkel ist ihnen gut genug, um für den Vortrieb eines Porsche zu sorgen.

Die Verantwortlichen in Zuffenhausen (D) hätten sehr wohl taube Ohren vorschützen können, aber schliesslich lebt der Hersteller von der besonders engen Beziehung zu seinen Kunden. Gleichzeitig wurde 2019 die Bezeichnung GT4 wiederbelebt, die schon 2015 den Cayman der zweiten Generation veredelt hatte. Das Topmodell war ein Riesenerfolg in der Fachpresse und beim zahlenden Publikum. Für seine zweite Auflage war den Technikern nur das Beste gut genug, einschliesslich eines neuen Motors. Als Basis nahmen sie sich den aufgeladenen Dreiliter des grossen Bruders 911 vor, kappten die beiden Turbos und verpassten ihm mehr Hubraum. Heraus kam dabei «eines der begeisterndsten Autos auf dem Markt», wie unsere Redaktoren damals anlässlich des Tests des Cayman GT4 schwärmten. Keine Frage also, dass es schade gewesen wäre (und nicht zuletzt finanziell unsinnig), die herrliche Maschine nur dem schärfsten 718 (und Boxster Spyder) vorzubehalten. Porsche teilte diese Ansicht zum Glück und gab vor Kurzem bekannt, dass auch der 718 Boxster und der Cayman GTS mit dem Sechser versehen würden. Die GTS-Modelle (das Kürzel steht für Gran Turismo Sport) sind traditionell – und fast immer höchst geschickt – im Grenzbereich zwischen Sport- und Reisewagen angesiedelt. Damit kommen wir zu einer der Hauptfragen unseres Tests: Fällt der neue GTS 4.0 für den Alltag nicht zu radikal aus?

Der 400 PS starke Motor ist im Prinzip derselbe wie im GT4. Das kleine Leistungsmanko von 20 PS ergibt sich aus der niedrigeren Nenndrehzahl von 7000 U/min, der GT4 darf bis 7600 U/min orgeln. Das Drehmoment von 430 Nm (für die Version mit Doppelkupplungsgetriebe, mit Schaltgetriebe sind es 420 Nm) bleibt identisch. Dieser Wert ist vergleichbar mit der Durchzugskraft des Vorgänger-GTS mit dem aufgeladenen 2.5-Liter-Vierzylinder-Boxer. Dessen Höchstleistung betrug 365 PS. Die Verfügbarkeit des Doppelkupplungsgetriebes ist übrigens eine recht neue Entwicklung.

Zum Fahrwerk gibt es weniger Aufregendes zu berichten. Wegen der schmaleren Reifen (235 mm vorne, 265 mm hinten) reduzieren sich die Spurbreiten. Auch die vorderen Bremsscheiben schrumpfen gegenüber dem für die Rennstrecke gedachten GT4 von 380 auf 350 Millimeter. Im Übrigen ist der GTS bestens ausgestattet, etwa mit ­einem mechanischen hinteren Sperrdifferenzial, dem serienmässigen Sport-Chrono-Paket oder den PADM (Porsche Active Drivetrain Mounts), also der aktiven Motorlagerung. Dieses System reduziert die Motorvibrationen und lässt nur einen kleinen Teil der Verwindungen des Antriebsstrangs zum Fahrwerk durchdringen. Bei schneller Fahrt sorgt die Vorrichtung dank geringerer Lastwechsel für deutlich präzisere Reaktionen des Fahrzeugs. Das als zusätzliche Option angebotene Sportfahrwerk PASM erlaubt ein Tieferlegen um 20 Millimeter.

Ein echter Porsche?

Der Zündschlüssel liegt traditionell links vom Lenkrad, er weckt den Motor des kleinen Porsche lautstark zum Leben. Der tolle Sound ist vertraut und begeistert, besonders in einer Zeit, in der die Verbrennungsmotoren um ihre Existenz kämpfen müssen. Der Gesang des Sechszylinder-Boxers ist unter Hunderten von Motoren identifizierbar und unterhält die Insassen umso mehr, als er gleich hinter ihren Köpfen liegt. Der Testwagen war zudem mit dem aktiven Auspuff versehen, für den es in der Mittelkonsole einen eigenen Schalter gibt. Der Flat-6 mag nicht ganz so eindringlich beschleunigen wie der Turbo, aber seine Geschmeidigkeit ist ein Gedicht. Das Schmuckstück fühlt sich bei 2500 U/min genauso wohl wie bei 6500 U/min und wirkt immer spontan. Dennoch hat der Boxer ­einen Lieblingsdrehzahlbereich zwischen 4500 und 5000 U/min, wo er geradezu explosiv auf das Gaspedal reagiert. Keine Frage, der Cayman GTS 4.0 ist ein echter Porsche.

Und nicht nur das. Mit seinem Mittelmotorkonzept darf sich der Cayman mit der perfekten Sportwagenarchitektur brüsten, ein Pluspunkt gegenüber dem grossen Bruder 911. Im Fahrbetrieb konnten wir nicht genug bekommen von seiner verblüffenden Handlichkeit. Die äusserst präzise Lenkung reagiert blitzschnell, die Gewichtung, Übersetzung und das Ansprechen um die Mittellage sind genau richtig. Der Cayman wechselt die Richtung fast telepathisch. Das Fahrverhalten ist ungemein neutral, man muss schon sehr beherzt mit dem Auto umgehen, bis das Heck ausschwenkt. Die gleichmässige Kraftentfaltung des Sechser-Boxers und das Sperrdifferenzial sorgen für ausgezeichnete Traktion. Der Fahrer kann sofort nach dem Kurvenscheitelpunkt aufs Gas. Die Distanz zwischen den Kurven verpufft, wenn man bis in den roten Bereich hochdreht.

Zu lange übersetzt

Die AUTOMOBIL REVUE monierte bereits anlässlich des Tests des GT4 im vergangenen Jahr, dass das Schaltgetriebe zu lang übersetzt sei. Die Schwäche trifft auch auf die Auslegung des PDK in diesem Testwagen zu. Schade, denn der Sechszylinder zeigt sich im oberen Bereich von seiner besten Seite. Und der Cayman will schnell, ja, sehr schnell, gefahren werden, will man seinen vollen Charme erleben. Das ist in der Schweiz nicht einfach, schliesslich erreicht der Sportler unsere Tempolimite schon im zweiten Gang. An den Fahrleistungen gibt es indes nichts auszusetzen: Den Sprint von null auf Tempo 100 schafft der Testwagen mit PDK in vier Sekunden, mit Sechsgang-Handschaltung benötigt er 4.5 Sekunden. In der Spitze sind 288 km/h drin. Wie erwartet fährt der kleine Porsche im Normalmodus recht straff. Der Komfort ist aber auch für den Alltag durchaus annehmbar. Im Vergleich zum GT4 bügeln die Stossdämpfer des GTS Unebenheiten geschmeidiger aus.

Der Aufenthalt an Bord ist ein Genuss, die Ausstattung ist so gepflegt, wie man das von den Zuffenhausenern gewohnt ist. Das Sport-GT-Lenkrad hat einen Alcantara-Bezug, Augen und Hände geniessen die Kohlefaserteile am Armaturenbrett. Das GTS-Pack für das Cockpit (3610 Fr.) umfasst unter anderem einen rot hinterlegten Drehzahlmesser. Hervorragende Verarbeitungsqualität und viel Bewegungsfreiheit sind zwei Highlights des Cayman. Nicht zuletzt bietet der Mittelmotorsportler zwei Gepäckräume (einen vorne und einen hinten). Damit bietet er sich auch für ein langes Sportwochenende an, zumal selbst Ski unter der Heckklappe verstaut werden können. Die Transportkapazität tröstet ein wenig über das Versäumnis hinweg, dass der Motor den Blicken verborgen bleibt. Schade, denn wir hätten die Präsentation der Mechanik im Schaufenster sehr genossen. Die Preisgestaltung lässt viel Distanz zum GT4. Der Grundpreis des Cayman GTS 4.0 liegt bei 103 400 Franken (gegenüber 121 700 Fr.). Damit es aber bei diesem Tarif bleibt, muss der Kunde den üblichen Optionenversuchungen von Porsche widerstehen können, wie beispielsweise etwa den Integral-Schalensitzen für 6510 Franken.

Testergebnis

Gesamtnote 84.5/100

Antrieb

Der Cayman GTS ist jetzt mit einem Doppelkupplungsgetriebe erhältlich. Es ist blitzschnell und verbessert die Fahrleistungen nochmals. Dies geht allerdings auf Kosten des Vergnügens, das beim Handschaltgetriebe stärker ausgeprägt ist.

Fahrwerk

Das Fahrwerk des GTS, das schon in der Grundausstattung hervorragend war, erhielt besondere Aufmerksamkeit. Das Ergebnis? Ein Fahrzeug, das auf der Strasse klebt und sehr solide abgestützt ist.

Innenraum

Die Kabine des GTS ist sehr gut verarbeitet und profitiert von einigen willkommenen Akzenten aus Alcantara und Karbon.

Sicherheit

Der 718 Cayman GTS ist mit modernster Sicherheitstechnik ausgestattet, bietet aber dennoch einen gewissen Spielraum bei den Einstellungen. Die Fahrassistenzsysteme arbeiten solide, aber nicht überragend.

Budget

Mit Ausnahme des GT4 ist der GTS das teuerste Modell der Cayman-­Baureihe. Der Grundpreis von knapp über 100 000 Franken ist gerechtfertigt, die happige Aufpreispolitik einmal mehr eher weniger.

Fazit 

Ohne so radikal zu sein wie ein GT4, bietet der GTS Sportlichkeit in Hülle und Fülle. Trotzdem ist er zivilisiert und bietet eine gesunde Por­tion an Vielseitigkeit. Das ist sehr erfreulich. Vor allem, wenn es um den täglichen Einsatz des Coupés geht.

Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.

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