Die Legende kehrt zurück

Ganze 17 Jahre vergingen, bis sich Toyota wieder an einen Supra traute. Mit Erfolg: Der Deutsch-Japaner wird seinem Namen gerecht.

Das Heck des neuen Toyota GR Supra ist markant, die Motorhaube lang, die Statur muskulös. Der Gesamtauftritt zitiert ­stilistisch aussen wie innen den 2000 GT, ebenso seinen Vorgänger, den Mk4, und auch der GT86 schimmert durch.

Er wurde Kult, obwohl er sich in Europa eigentlich überhaupt nicht gut verkaufte. Die ersten beiden Supra-Modelle (A40 und A60) basierten auf dem Celica und sorgten ausserhalb von Japan vor allem in den USA für Furore. Doch der Anfangserfolg hielt nicht lange an. Das änderte sich mit dem A70, dem Strict Supra, dem ersten eigenständigen Modell. Diese Generation hat den grössten Anteil an den bis heute knapp 600 000 verkauften Autos der Baureihe. Weltweit zu Ruhm gelangte der Supra mit dem A80, der vierten Generation ab 1993, posthum. Befeuert von Filmen wie «The Fast and the Furious» und Videospielen wie «Need for Speed» wurde der Toyota Supra Mk4 immer verrückter, brutaler, stärker. 700 PS und mehr waren keine Seltenheit, der Sechszylinder gab das her, mit einem riesigen Turbolader gar locker. Dazu der – ausser in der Schweiz – serienmässig heftige Heckflügel, ein Bodykit und möglichst knallige Farben: fertig war einer der grössten Tuningträume der Millennials. Doch auch ohne Extremtuning war der Supra bereit, es mit Godzilla (Nissan Skyline GT-R) und der gesamten Rennwagenelite aufzunehmen. Ein Problem hatte der Mk4 allerdings. Der Preis lag rund 50 Prozent höher als beim Vorgänger. Er wurde geliebt, aber nicht gekauft, was ihn heute zum beliebten Sammlerstück macht.

17 Jahre vergingen, bis sich Toyota nun wieder an einen Wagen mit dem prestigeträchtigen Namen herantraute. Auch aus finanziellen Erfahrungen der Vergangenheit haben sich die Japaner für die Entwicklung des GR Supra mit BMW zusammengetan, die mit dem Z4 eine interessante Basis im Portfolio hatten. Beide stehen sie auf der CLAR-Plattform, die von X3 über Z4 bis hin zum M8 Competition so ziemlich jedes Modell mit oder ohne Batterie aufnehmen kann. Einzige Bedingung: Frontmotor und Allradantrieb – oder wie im Fall von Z4 und GR Supra natürlich Heckantrieb. Den Mk5 gibt es mit bravem BMW-B48-Vierzlinder (ab 59 900 Fr.) und dem hier getesteten BMW-B58-Sechszylinder (ab 79 900 Fr.).

Dass auf das Angebot auf München zurückgegriffen wurde, hat auch ideelle Gründe. Die heute selten gewordene Kombination aus Sechszylinder-Frontmotor und Heckantrieb war beim Supra in Anbetracht seines Erbes Pflicht. Schon beim legendären 2000 GT der 1960er-Jahre war dies der Leitsatz. Und um Hollywood nochmals aufzugreifen: Ein offenes Exemplar des 2000 GT war der erste japanische Dienstwagen von James Bond.

Der goldene Schnitt

Nun folgt der A90, modern soll er sein, dabei den romantisch-klassischen Sportwagenstil in die Neuzeit transportieren. Gemeint sind in erster Linie die lange Motorhaube, die kompakte Karosserie und die breite Spur. Allein: Die vielen Lufteinlässe rundherum, am prominentesten vor den ausgestellten Hinterläufen, hätten für einen Sportwagen dann doch nicht nur angedeutet sein müssen. Zumal die Aerodynamik direkt vom Rennsport inspiriert ist und in den Erfahrungen von Gazoo Racing, der Rennsportabteilung von Toyota, gründet. Das Double-Bubble-Dach reduziert den Luftwiderstand, der gewölbte Heckspoiler den Auftrieb und luftmengenregulierende Lamellen am Unterboden sorgen bei hohen Tempi für zusätzlichen Abtrieb. Ein leichter und steifer Stahl-Aluminium-Verbundrahmen verhilft dem GR Supra zu mehr Präzision in den Kurven. Achslenker und Lager aus Aluminium reduzieren das Gewicht.

Um eine gute Balance zwischen Agilität und Stabilität zu finden, kombiniert der GR Supra ­einen kurzen Radstand (2470 mm) – das sind über zehn Zentimeter weniger als beim Toyota GT86, dem eigentlichen kleinen Bruder – mit einer breiten Spur (1594 mm vorne, 1589 mm hinten). Das Verhältnis von 1.55 gilt als beinahe ideal für ein gleichermassen agiles wie stabiles Fahrverhalten am Limit. Kombiniert wird dieser Umstand mit ­einem niedrigen Schwerpunkt und einer beinahe optimalen Gewichtsverteilung. Und auch wenn unsere Messungen (52:48) die von Toyota angegebene, optimal ausbalancierte Gewichtsverteilung nicht ganz bestätigen, sorgt dies trotzdem für ein – mit Vorbehalt – neutrales, vor allem aber einschätzbares Fahrverhalten. Einziger Verbesserungswunsch: Der Supra dürfte mit einem Gewicht von 1530 Kilogramm noch etwas abspecken. Die Konkurrenz von Audi, Porsche oder Alpine wiegt – wenn teilweise auch nicht viel – weniger.

Verwandtschaftsverhältnisse geklärt

Wobei das eigentlich auch egal ist. Mit 340 PS und 500 Nm unter dem Hintern kommt man kaum jemals an einen Punkt, an dem man sich über ein paar Kilogramm zu viel beschweren könnte. Dass der Motor von BMW kommt, ist alles andere als ein Nachteil. Zwar überrascht Toyota in letzter Zeit immer wieder, jüngstes Beispiel dafür ist der GR Yaris, allerdings liegen die wirklichen Stärken der Japaner dennoch vor allem im Hybridbereich. BMW hingegen konnte seine Kompetenzen beim einfach aufgeladenen und drei Liter grossen Sechszylinder vollends ausspielen. Und sorgt damit nicht nur für viel Kraft, sondern auch für eine hervorragende Fahrbarkeit: Je mehr Zylinder, desto harmonischer der Lauf. Mit der Reihenbauweise des B58-Triebwerks laufen jeweils zwei Kolben gleich und wechseln sich in ihren Arbeitstakten ab. Durch die ausgeglichenen Massenkräfte ist keine Ausgleichswelle nötig. Dadurch kommt es zu ­einem ruhigen, gleichförmigen und vibrationsarmen Motorlauf, was beim GR Supra vor allem bei niedriger Beanspruchung positiv anzumerken ist. 

Im Schleppbetrieb röchelt der Motor etwas, ansonsten gibt er sich im Alltag durchzugsstark, zahm, gutmütig. Interessanter wird es, wenn mehr gefordert wird. Blitzschnell bietet die hervorragende und ebenfalls von BMW stammende Achtgang-Automatik den passenden Gang auf, der B58 erwacht mit prominenten, aber nicht aufdringlichen Tönen zum Leben und dreht nach einer minimalen Gedenkpause wunderbar hoch. Spätestens durch das charakteristische Klangbild sollten die deutsch-japanischen Verwandtschaftsverhältnisse endgültig geklärt sein. Im obersten Drehzahlbereich allerdings passiert nicht mehr ganz so viel.

Schön, dass es das noch gibt

Nichts von japanischer Zurückhaltung also. Was vor allem fahrdynamisch das grösste Unterscheidungsmerkmal zur Konkurrenz, beispielsweise zu einem Porsche Cayman S, darstellt. Während sich der Zuffenhausener mit dem mittig platzierten Boxermotor nur mutwillig aus der Ruhe bringen lässt, fordert das Heck des Toyota Supra permanent zum Tanz auf. Was wiederum zu einem frühen und kompromisslosen Eingreifen der Elektronik führt. Doch nur auf den ersten Blick wirkt der Regelbetrieb übertrieben. Sind alle Fahrhelfer auf Sport eingestellt, spürt man, wie leicht das Heck ist – und auch wie plump der Gasfuss. Komplettes Abschalten ist nur nach längerer Gewöhnungszeit zu empfehlen, nur wenige Autos haben einen so schmalen Grenzbereich. Er kommt spät, die Traktion ist lange hervorragend. Dann aber meldet sich das Heck mit dem aktiven Hinterachs-Sperrdifferenzial blitzschnell. Schön, dass es so etwas noch gibt! 

Ach, und ja: Brutal schnell den Berg hoch kommt man im GR Supra trotzdem, es braucht nur Feingefühl, um das Driftmonster im Zaum zu halten. Wenn es dann trocken ist. Mit den nasskalten Strassenverhältnissen dieser Tage bekundet der Supra selbst geradeaus seine liebe Mühe. Keine Chance, die angegebene Zeit (4.3 s) von null auf Tempo 100 auch nur ansatzweise zu erreichen.

Schade, wenn nicht

Natürlich ist der Japaner nicht nur giftig, mittels Fahrmodi lässt sich die Charakteristik verändern. Lenkung, Dämpfung, Motor und Getriebe können zweistufig eingestellt werden. Das Einlenken geschieht stets agil, die Lenkung aber bleibt immer leichtgängig, etwas zu indirekt und kommunika­tionsfaul. Trotz kleinen Federwegs fährt sich der Supra ausreichend komfortabel, Bodenwellen aber sind nicht sein bester Freund. Der Alltag gestaltet sich auch dank 7.0 l/100 km auf der AR-Normrunde angenehm. Einzig Übersichtlichkeit sowie Zugänglichkeit dürften grosszügiger sein.

Trotz kleiner Abmessungen überzeugt das Platzangebot im zweisitzigen Coupé. Auch gross Gewachsene werden in den gut gepolsterten Sportsitzen eine angenehme Position finden. Hinten beträgt das Fassungsvermögen 290 bis 435 Liter. Das Gepäckabteil ist nach vorne offen, Domstrebe und Tieftöner der Musikanlage sorgen für eine Kante dazwischen, sodass die Ladung nicht wild im Auto umherfliegt. Allein, wäre doch schon fast schade, wenn nicht …

Konzentration aufs Wesentliche

Der Chefentwickler des Supra soll sich geweigert haben, einen BMW Z4 zu fahren, um sich in seiner Abstimmung nicht stören zu lassen. Die Entwicklung der beiden Modelle wurde strikt getrennt. Abgesehen von den fahrdynamischen Kompetenzen des Japaners ist der grösste Unterschied zum BMW die Tatsache, dass es den Supra vorerst nur als Coupé, den BMW nur als Roadster gibt. So differenziert das japanische Kleid auch sein mag, innen drückt München durch. Die Gangschaltung, das klobige Lenkrad, die Dreh- und Bedienschalter, der zentrale 8.8-Zoll-Bildschirm samt Software – all das stammt von BMW. Zum Infotainment gesellt sich der bekannte iDrive-Controller von BMW in einer allerdings veralteten Version, der Z4 kommt bereits mit neuem Betriebssystem und Bedienkonzept. Das hat zur Folge, dass der Supra nur bedingt auf Touchbedienung ausgelegt ist, die Symbole sind insgesamt zu klein und die Menüs zu verschachtelt. Einzig beim digitalen Cockpit geht Toyota einen etwas eigenen Weg und stellt den Drehzahlmesser prominent in die Mitte.

Ohne Toyota irgendwelche Kompetenzen in Sachen Verarbeitungsqualität absprechen zu wollen: Schlecht steht der deutsche Einfluss dem Japaner nicht, BMW spielt in Sachen Materialqualität bekanntermassen ganz vorne mit. Und weil das auch für die Motoren gilt, konnte sich Toyota auf das Erscheinungsbild und die fahrdynamischen Tugenden kümmern. Womit das Comeback des Supra vollends gelungen ist.

Testergebnis

Gesamtnote 85.5/100

Antrieb

BMW hat hier ganze Arbeit geleistet. Der Sechszylinder bietet viel Kraft, noch mehr Souveränität, klingt schön, macht einfach Spass. Dazu ist er sparsam, laufruhig und drehmomentstark. Was will man mehr.

Fahrwerk

Gazoo Racing hat hier ganze Arbeit geleistet. In Verbindung mit den vielen aerodynamischen Komponenten gelingt es Toyota, dem Supra einen unverkennbaren Fahrcharakter mit auf den Weg zu geben.

Innenraum

BMW hat hier ganz Arbeit geleistet. Raumangebot und Materialqualität passen. Das Infotainment dürfte noch moderner sein, ist aber gerade im Vergleich zu dem, was Toyota sonst so verbaut, einwandfrei.

Sicherheit

Toyota hat hier ganze Arbeit geleistet. Assistenzseitig steht alles, was die Japaner zu bieten haben, grösstenteils zuverlässig zur Verfügung.

Budget

Toyota hat hier ganze Arbeit geleistet. Der Supra ist viel günstiger als die deutsche Konkurrenz, weil Dinge wie die Assistenzsysteme Serie sind.

Fazit

Der Supra sollte nie perfekt sein, Rundenzeiten waren grösstenteils egal. Bei der Entwicklung standen das Fahrerlebnis und die Balance im Vordergrund. Der Supra darf sich in Kurven bewegen, er darf Traktion verlieren, er darf verspielt sein. Das gefällt nicht allen, zeugt aber vom Charakter des altehrwürdigen Japaners – wobei dieser mit etwas mehr Eigenentwicklungen noch ausdrucksstärker hätte ausfallen können.

Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.

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