Toyota baut seit 23 Jahren den Prius und liegt in Sachen Hybrid-Erfahrungen entsprechend weit vor allen anderen Herstellern. Die Japaner haben es verstanden, ihre Expertise in Verkaufserfolge umzusetzen und bauen heute gar mehr Modelle mit Hybridantrieb (ca. 60 %) als solche mit reinem Verbrennungsmotor (ca. 40 %). Ein dermassen hoher Anteil ist nur möglich, weil Toyota inzwischen für die meisten Modelle im Katalog bis hin zu den Kleinwagen eine Hybridversion vorsieht. Für die neue, vierte Generation des Yaris brachten die japanischen Entwickler all ihr Know-how ein und übernahmen überhaupt nichts vom Vorgänger. Der Kleine muss sich schliesslich mit solch gelungenen Herausforderern wie dem Renault Clio E-Tech und Honda Jazz Hybrid messen. Wir haben es also mit einem völlig neuen Design, Antrieb, Fahrgestell und Interieur zu tun. Die AUTOMOBIL REVUE liess sich deshalb die Gelegenheit nicht nehmen, dem komplett neuen Toyota Yaris Hybrid auf den Zahn zu fühlen.
Mutiges Design
Der Auftritt erinnert stark an den martialischen Yaris GR, der mit seinem Allradantrieb, einem irren, 261 PS starken Dreizylinder und einem Federgewicht von nur gerade 1281 Kilogramm jeden Motorsportbegeisterten zum Träumen bringt. Der Yaris unterstreicht die Ansage des Konzernchefs Akio Toyoda, leidenschaftliche Autos bauen zu wollen. Man mag sie, oder man mag sie nicht, aber kalt lassen sie niemanden. Der rassige Stadtflitzer protzt sogar in seiner zivilen Version mit muskulösen Flanken und kauert wie zum Sprung bereit auf der Fahrbahn. Am Bug findet man eine riesige Lufteintrittsöffnung und seitliche Kiemen, welche die Strasse regelrecht aufzusaugen scheinen. Das Design des umweltfreundlichen Kleinwagens ist mehr von den Teufeln als von den Engelchen inspiriert.
Hybrid der vierten Generation
Als Kind von Toyota setzt der Yaris auf die Vorzeigetechnologie des japanischen Konzerns, den Parallelhybrid. Das Konzept geht bei Toyota auf den Prius der ersten Generation und damit das Jahr 1997 zurück, aber der Hersteller verkündet mit Stolz, dass es sich hier um die vierte Entwicklungsstufe des Systems handle. Wie beim Prius 4 ist auch im Yaris der Verbrennungsmotor über ein epizyklisch wirkendes Koaxialgetriebe, also ein Planetengetriebe, mit den zwei E-Maschinen gekoppelt.
Angesichts der beschränkten Platzverhältnisse unter der Haube des Yaris muss das Hybridsystem durchgehend mit kompakteren Komponenten auskommen. So setzen die Techniker in diesem Fall anstelle der zwei und 2.5 Liter grossen Vierzylinder, wie bei den grösseren Modellen, auf einen 1.5 Liter grossen Dreizylinder mit intelligenter, weil variabler Ventilsteuerung (VVT-i). Die Maschine arbeitet mit Magergemisch nach dem Atkinson-Prinzip und setzt die indirekte Saugrohreinspritzung ein. Der Verzicht auf die Direkteinspritzung ist im geringeren Ausstoss von Feinpartikeln im Abgas begründet. Man kann also ruhig zusammenfassen, dass die besten grünen Resultate hier auf die altbewährte Technik zurückzuführen sind.
Konventioneller Hybrid
Der Verbrennungsmotor bringt eine Leistung von 91 PS ins System ein, die beiden Elektromotoren steuern zusammen 80 PS bei, was unter dem Strich zu einer Systemleistung von 116 PS führt. Der Strom wird in neuen Lithium-Ionen-Akkus gespeichert, die laut Toyota 27 Prozent mehr Kapazität aufweisen als die Nickel-Metallhydrid-Batterien aus dem Vorgänger. Leider gibt das Werk die Energiedichte der Batterien nicht bekannt. Der Yaris ist übrigens ein konventioneller Hybrid, der seine Batterie gemäss dem wenig elegant formulierten Datenblatt «eigenständig oder durch Energierückgewinnung nachlädt». Das System ist also kein Plug-in-Hybrid und verzichtet damit auf eine Nachlademöglichkeit via externen Stecker
Neues Fahrgestell
Der japanische Kleinwagen basiert auf der GA-B-Variante der neuen Modulplattform TNGA (Toyota New Global Architecture). Der Wechsel erlaubt einen gegenüber dem bisherigen Yaris um etwa 15 Millimeter tieferen Schwerpunkt und garantiert eine Gewichtsoptimierung auf lediglich 1170 Kilogramm. Das ist angesichts des umfassenden Technologieaufwandes eine bemerkenswerte Leistung. Das Chassis legt bei der Torsionsfestigkeit um 37 Prozent zu. Vorne werden die Räder per MacPherson-Federbeinen geführt, hinten kommt eine Torsionsstabachse zum Einbau. Und wie verhält sich der kleine Japaner im Fahrbetrieb?
Die kurze Antwort: Der Toyota Yaris macht seine Sache gut. Er ist komfortabel und gleichzeitig sehr handlich. Die neue Hinterradführung ist mit ihrer von 320 auf 580 Nm/Grad gestrafften Auslegung ausschlaggebend für die geringere Karosserieneigung in Kurven. Die dynamischen Eigenschaften und die Handlichkeit profitieren auch von einer präzisen Lenkung und von der gelungenen Fahrwerksabstimmung, welche jegliches Aufschaukeln im Keim erstickt. Der Stadtflitzer macht im Kurvengeschlängel Spass, lenkt spontan ein und bleibt stabil in der Spur. Die gut dosierbaren Bremsen (der Hybrid verzögert über vier Scheibenbremsen) geben keinerlei Anlass zur Kritik. Der Übergang von der elektrischen Rekuperation zur mechanischen Verzögerung ist nicht bemerkbar und deshalb nie störend.
Der kleine Japaner schlägt sich auch im Stadtverkehr ausgezeichnet. Als typischer Vertreter der Elektrofahrzeugzunft beschleunigt er spontan, gleichmässig und kräftig. Das sollte nicht weiter überraschen, denn laut den Ingenieuren bleibt der elektrische Antrieb normalerweise zu beinahe 80 Prozent zugeschaltet. Während unserer Testfahrten war das weniger häufig der Fall und noch seltener bei flotter Fahrt. Das Anfahren erledigt der Yaris in jedem Fall mit Strom. Der Dreizylinder schaltet sich erst zu, wenn mehr Leistung nötig wird oder wenn der Wagen eine bestimmte Geschwindigkeit überschreitet.
Eine dritte Einschränkung für das abgasfreie Fahren betrifft die Batteriekapazität. Die rein elektrische Reichweite liegt bei zwei bis drei Kilometern, dann startet der Verbrennungsmotor mit seiner leichten Tendenz zum Sägen oder zu unregelmässigen Drehzahlen. Diese Unart ist von mehreren japanischen Motoren her bekannt. Toyota war sich der Kritik bewusst und hat merkliche Verbesserungen erreicht, ganz abstellen konnten die Entwickler diese Eigenart aber noch nicht. Das Laufverhalten des Dreizylinders profitiert nicht zuletzt von einer Ausgleichswelle, und die Geräuschdämmung sorgt für akustische Zurückhaltung von Seiten des Motors.
Die Beschleunigungszeit von 0 auf 100 km/h von 9.7 Sekunden (2 s schneller als bisher) und eine Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h sind ganz ansehnlich. Aber bedeutet das auch, dass der Yaris einen guten Reisewagen abgibt? Nein, das ist nicht unbedingt der Fall. Der Kleine gibt sich bei Autobahnfahrten eher laut (gemäss unseren Messungen 74 dB bei 120 km/h), und die Lenkung ist um die Mittellage etwas vage, sodass der Fahrer den Geradeauslauf oft korrigieren muss. Erfreulicher erwies sich das Verbrauchsverhalten bei Autobahnfahrten (5.2 l/100 km). Noch besser schnitt der Yaris Hybrid mit 4.6 l/100 km auf unserer AR-Normrunde ab. Das ist 0.2 l/100 km besser als der Renault Clio E-Tech und 0.1 l/100 km besser als der Honda Jazz Hybrid. Das gute Resultat rührt nicht zuletzt von den Anstrengungen der Toyota-Techniker her, die innere Reibung des Getriebes und des Dreizylindermotors zu optimieren; sie wollen bis zu 40 Prozent Verbesserungen erreicht haben.
Nur als Fünftürer
Wie in dieser Klasse üblich, ist der kleine Toyota nur als Fünftürer verfügbar, die Dreitüren-Karosserie bleibt dem heissen GR vorbehalten. Immerhin sind die Türöffnungen vorne gross genug, sodass das Einsteigen keine Probleme ergibt. Die Sitzposition des Fahrers ist bequem, man nimmt tiefer Platz als im Vorgänger. Das Lenkrad steht jetzt steiler (6 Grad), und die Sitze sind vielfach verstellbar. Die Sicht nach vorn ist gut, aber breite B-Säulen, eine hohe Schulterlinie und kleine Fenster machen das Manövrieren schwierig. Zum Glück hilft die Rückfahrkamera mit Liniendiagrammen beim Zurücksetzen. Die Anzeige ist in einem Acht-Zoll-Touchscreen untergebracht, über den auch das digitale Radio (DAB) bedient wird. Die Mittelkonsole enthält einen USB-Stecker, man erhält eine Bluetooth-Verbindung und die Möglichkeit zur Smartphone-Integration via Apple Carplay und Android Auto. Ein Navigationssystem gibt es als Option.
Die Digitaltechnik hält auch Einzug im Cockpit. Toyota ersetzt die traditionellen Anzeigen durch einen 4.2 Zoll grossen Multifunktionsbildschirm und zwei LED-Anzeigen. Letztere fallen aber so klein aus, dass sie kaum ablesbar sind. Bemerkenswert ist das in dieser Klasse noch seltene Head-up-Display, auch wenn die Auflösung besser sein könnte. All das bedeutet aber nicht, dass wir die Ergonomie kritisieren müssten. Ganz im Gegenteil: Alle Schalter liegen gut zur Hand, vor allem aber gibt es noch eine physische Interaktion für viele Funktionen.
Auch bei den Fahrhilfen lässt sich der Yaris nicht lumpen. Schon die Basisversion ist mit einem Notbremsassistenten, einer Verkehrszeichenerkennung, einer Spurhaltehilfe und einem adaptiven Tempomaten versehen. Im Fahrbetrieb erwiesen sich einige der Systeme jedoch als übereifrig, weshalb wird Toyota ein Lob dafür aussprechen, dass sich diese einfach abschalten lassen.
Viele Ablagen
Die Abdeckung des Armaturenbretts ist jetzt in aufgeschäumtem Plastik gehalten und wirkt wertiger. Nur schade, dass andernorts wieder einige billig wirkende Kunststoffe verbaut werden. In einer Klasse mit scharf kalkulierten Margen ist das allerdings nichts Ungewöhnliches. Die Verarbeitung und die Sitze sind tadellos, auch wenn Letztere nicht ganz das Niveau des Renault Clio erreichen. Ablagen gibt es genug, etwa unter der mittleren Armstütze (hier findet man auch die induktive Ladeschale für das Smartphone) und in der Mittelkonsole unterhalb des Bildschirms.
Der Beifahrer des Yaris Hybrid muss beim Platzangebot keine Zugeständnisse an die Technik und an die Batterien machen. Dennoch hinkt das Volumen des Gepäckraums mit 286 Litern hinter der Konkurrenz her: Der Honda Jazz bietet 304, der Clio 318 Liter. Die Variabilität beschränkt sich beim Toyota auf die asymmetrisch umlegbaren Rücksitze (60:40). Mit seinen vielfach zu konfigurierenden Magic Seats kann es der Honda Jazz diesbezüglich viel besser.
Angemessener Preis
Den im französischen Toyota-Werk in Valenciennes gebaute Yaris Hybrid gibt es ab 23 900 Franken. Das sind 6000 Franken mehr als der konventionelle Yaris (17 900 Fr.). Angesichts der aufwändigen Technik ist dies ein durchaus faires Angebot. Während der Renault Clio Hybrid 24 200 Franken kostet, liegt der Preis des Honda Jazz ebenfalls bei 23 900 Franken: Zufall oder bewusste Marketingstrategie? Werden noch einige Optionen hinzugefügt, übersteigt der Preis des Yaris dann aber auch die magische Grenze von 30 000 Franken: Unser gut ausgestatteter Testwagen war mit 31 790 Franken angeschrieben.
Testergebnis
Gesamtnote 80.5/100
Antrieb ★★★★☆
Mit dem Yaris beweist Toyota, dass Hybridisierung und Fahrspass nicht unbedingt antagonistische Begriffe sind.
Fahrwerk ★★★★☆
Der Yaris steht auf der von seinen grösseren Brüdern inspirierten GA-B-Plattform und hat damit Anspruch auf das Beste des Konzerns.
Innenraum ★★★★☆
Obwohl weniger geräumig als seine Konkurrenten behält der Yaris das gleiche Volumen wie seine fossilen Brüder.
Sicherheit ★★★★☆
Der Toyota Yaris kommt mit einer ganzen Reihe an Fahrassistenten wie beispielsweise dem aktiven Spurassistenten.
Budget ★★★★☆
Der Toyota Yaris wird zum gleichen Preis wie seine direkten Konkurrenten verkauft und ist damit weder teuer noch günstig.
FAZIT
Mit dem Versprechen «Fun to Drive», welches die Toyota-Verantwortlichen ihrem Yaris mit auf den Weg geben, liegen sie tatsächlich nicht falsch. Der für Europa entwickelte Kleinwagen gab sich im Test dynamisch und doch komfortabel und meisterte den Stadtverkehr mit guter Handlichkeit. Zudem überzeugt das ausdrucksstarke Design. Wenn man bedenkt, dass der Yaris Hybrid der abtretenden Generation (der weltweit erste Vollhybrid im B-Segment) enorme Verkaufserfolge feiern konnte (mehr als 500 000 Stück in Europa), dann müssen sich die Toyota-Manager um die Neuauflage keine Sorgen machen.
Die technischen Daten und unsere Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.