Den Zeitgeist voll getroffen

MODERNISIERUNG Der Hyundai i10 ist längst keine abgespecke Version seiner grösseren Brüder mehr. Die Rundumerneuerung macht ­gerade mit Blick auf die Konkurrenz Sinn.

Wie viel Auto braucht man wirklich? Wie viel Spass kann ein Kleinwagen machen? Es sind Fragen, die rund um den neuen Hyundai i10 häufig gestellt werden. Zur Erläuterung müssen wir die Fragen allerdings umformulieren.

Als Enthusiasten mit Benzin im Blut erfreuen wir uns an sportlichen, technisch ausgefeilten oder grossen Fahrzeugen mit möglichst viel Raffinesse. Als Beobachter der verkehrs-, wirtschafts- und umweltpolitischen Diskussionen wissen wir aber natürlich auch, dass Kleinwagen vor allem in den dicht gedrängten Ballungszentren viel Sinn machen. In Kerndisziplinen wie Übersichtlichkeit, Einparkieren oder Wendekreis sind Kleinstwagen, wie eben der Hyundai i10 einer ist, die ganz Grossen. Nun sind die meisten Kaufentscheide, gerade bei so teuren und emotionalen Investitionen wie bei einem Auto, stark von Eventualitäten geprägt. Wieso sonst verfügt beinahe jedes zweite verkaufte Auto in der Schweiz über Allradantrieb? Am vielen Schnee im Flachland liegt es wohl kaum. Man will mit dem eigenen Auto in die Ferien verreisen können. Oder in die Berge. Und bei ­einem allfälligen Umzug will man nicht extra ein grösseres Fahrzeug mieten. Und nicht zuletzt steigt mit der Grösse des Autos das Sicherheitsgefühl und das Prestige. Die Frage, wie viel Auto man nun wirklich braucht, ist deshalb hinfällig. Vielmehr kann man sich fragen, ob der kleinste Hyundai tatsächlich zu klein, zu wenig komfortabel und zu leistungsschwach ist. Die Antwort dazu haben wir Ihnen zu Beginn dieses Tests bereits gegeben.

Natürlich ist der i10 mit 3670 Millimetern Länge, 1490 Millimetern Breite und 1480 Millimetern Höhe alles andere als gross, im Innenraum bietet der Koreaner aber dank des Radstands von 2425 Millimetern für dieses Segment ausreichend Platz. Zumindest vor der nächsthöheren Klasse muss sich der i10 nun wirklich nicht verstecken. Denn auch dort setzt man sich in den meisten Modellen aufgrund der zwar minimal grösseren, aber nach wie vor beschränkten Platzverhältnisse für Kopf und Beine nur ungern auf die Rückbank.

Auf den vorderen, ansprechend bequemen Sitzen lässt es sich gut aushalten. Und weil der i10 eben nicht als Familienauto konzipiert ist, relativiert sich auch das bescheidene Kofferraumvolumen von 252 bis 1050 Litern. Wer höchstens zu zweit reist, was in den allermeisten Fällen mit dem Auto der Fall sein dürfte,
der kann die Rückbank umlegen und den fast ebenen Ladeboden von bis zu 140 Zentimeter Länge nutzen. Einzig die mit 70 Zentimeter nach wie vor vergleichsweise hohe Ladekante (–29 mm) dürfte noch tiefer liegen.

Modernes Infotainment
Die Zeiten sind definitiv vorbei, als Kleinstwagen nur stark abgespeckte Versionen ihrer grösseren Brüder waren. Damit kann auch gesagt werden, dass der i10 einigermassen komfortabel ist oder sich aber zumindest allergrösste Mühe gibt, es zu sein. Der i10 bekommt, allerdings erst ab der höchsten Ausstattungslinie, die (fast) aktuellste Version des Hyundai-Infotainmentsystems spendiert. Im Unterschied zur neusten Version kommt im i10 der um 2.25 Zoll kleinere, acht Zoll grosse Touchscreen zum Einsatz. Die Schnellwahltasten sind seitlich und nicht unterhalb angeordnet. Hinsichtlich Funktionsumfang sowie Menüführung findet man im i10 alles, was das digitale Herz 2020 begehrt. Und auch das Smartphone will gut vernetz sein: Dessen Integration und eine induktive Ladeschale sind ebenfalls mit an Bord.

Helferlein wie ein Notbremssystem mit Fussgängererkennung, ein rudimentärer Spurhalte­assistent, die souveräne Fernlichtassistenz, eine bescheiden auflösende Rückfahrkamera und eine einigermassen zuverlässige Verkehrszeichenerkennung sind serienmässig. Die Bedienung des Tempomaten erfolgt intuitiv und grösstenteils über das Lenkrad. Hinter diesem eröffnet sich ein 3.5 Zoll grosses LCD-Display zwischen den analogen Anzeigen für den Drehzahlmesser und die Geschwindigkeit0. Es ist immer noch die übersichtlichste aller Arten, wie wir finden, die wesentlichen Inhalte auf einen Blick zu präsentieren, ohne sich auf Nebenschauplätzen zu verzetteln. Ob die Anzeigen in den Nicht-N-Line-Varianten auch mit dem dynamisch anmutenden Karomuster hinterlegt sein müssen, ist eine andere Frage.

Niedriger Verbrauch
Denn zumindest auf dem Papier ist der i10 kaum sportlich, auch wenn er in der N-Line (ab 19 990 Fr.) durch den einteiligen Kühlergrill, die veränderten Nebelscheinwerfer und die breiten Lufteinlässe doch stark danach aussieht. Doch selbst die normalen Ausführungen machen mit dem schnittigen Scheinwerferdesign, den bis zu 16 Zoll grossen Felgen und der abfallenden und im Vergleich zum Vorgänger um 20 Millimeter niedrigeren Dachlinie mit Dachspoiler ordentlich etwas her. Nur die Rückansicht – davon können nicht nur Kleinstwagen ein Lied singen – sieht nicht ganz so stimmig aus.

Der Hyundai i10 macht trotz kleiner Leistung des freisaugenden Vierzylinders viel Freude. Er verbindet modernste Vernetzung mit zeitgemässem Design zu einem ansprechenden Preis. Einzig das automatisierte Getriebe stört dann doch ordentlich.

Der 1.2-Liter-Turbo unseres Testwagens leistet 84 PS bei einem beschaulichen Drehmoment von 118 Nm. Das reicht – und da sind wir wieder beim Thema – für die meisten Einsatzzwecke im Alltag aus. In der Stadt gefällt der quirlige Charakter des Vierzylinders in Verbindung mit der Beschleunigungszeit von 6.7 Sekunden für 0 bis 60 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit 171 km/h angegeben, der i10 ist auf der Autobahn also zumindest kein Verkehrshindernis. Die Geräuschkulisse (72.5 dB) ist dabei vor allem aufgrund der hohen Drehzahlen durch nur fünf Gänge laut – dafür schlagen das Gewicht infolge der verbesserungsfähigen Dämmung mit nur 1010 Kilogramm und der Basispreis mit 12 990 Franken zu Buche. Voll ausgestattet (Vertex) werden für dieses Segment schon stattliche 23 590 Franken verlangt. Allerdings bleibt die Aufpreisliste kurz und handelt hauptsächlich von den acht erhältlichen Farben.

Auf der Landstrasse wiederum macht es Laune, den frontgetriebenen Saugmotor mit hohen Drehzahlen aus der Reserve zu locken. Der Motor dreht schön hoch und bietet eine lineare Leistungsentfaltung. Die Karosserie gibt sich auch bei stärkeren Lastwechseln nicht übermässig nervös. Die Zahnstangenlenkung ist dank kürzerer Übersetzung erfrischend direkt und dank geschwindigkeitsabhängiger Servounterstützung trotz extremer Leichtgängigkeit ordentlich zu kontrollieren. Das Fahrwerk mit McPherson-Vorderradaufhängung vorne und einem neuen, U-förmigen Profil der hinteren Kurbellenkerachse ist verhältnismässig agil, spritzig, ja gar frech. Und wenn man es nicht übertreibt, dann ist ein Verbrauch von knapp über fünf Litern pro 100 Kilometer durchaus realistisch (AR-Normrunde: 5.4 l).

Unsägliche Automatik
Wirklich dazu verleitet wird man ohnehin nicht, womit wir beim grössten Kritikpunkt des i10 angelangt sind. Das automatisierte Getriebe passt nicht ins Bild des hippen Fünftürers und strapaziert die Geduld auf Dauer dann doch gehörig. Zum Glück – auch wenn wir sie nicht getestet haben – ist der Hyundai i10 mit einer Fünfgang-­Handschaltung erhältlich. Bisherige Meinungen über diese Version zeigen allerdings, dass auch die angestaubten Kritikpunkte noch immer nicht nachgebessert wurden und sich beispielsweise der Rückwärtsgang nach wie vor nicht immer sauber einlegen lässt. Trotzdem: Im Falle der Fünfgang-­Automatik unseres Testwagens möchte man beinahe sagen: Schlimmer gehts nimmer. Das zwar leichtere und dank niedrigerer Reibungswerte effizientere Getriebe lässt sich dermassen viel Zeit beim Hochschalten, dass die Zugunterbrechung zu einem unangenehmen Nicken mit dem Kopf führt. Also nein, der i10 macht mit dem Automatikgetriebe nicht wirklich Spass. Das Potenzial dazu hat er mit der richtigen Getriebewahl aber allemal. 

FAZIT
Schon die Konkurrenz zeigt auf, welchen Stellenwert der Hyundai i10 hat. Im Volkswagen-Konzern steht das fossile Trio VW Up, Seat Mii und Škoda Citigo infolge der E-Strategie auf dem Abstellgleis. Der Smart läuft nur noch als Stromer vom Band. Ford hat den Ka aus dem Programm gestrichen, PSA die Opel Adam und Karl genauso. Dass Hyundai seinen kleinsten Spross umfassend modernisiert, ist also nur folgerichtig. So kann der Toyota Aygo hinsichtlich Infotainment nicht mit dem Koreaner mithalten. Der Fiat 500 ebenfalls nicht. Der ebenfalls moderne Kia Picanto kommt aus demselben Haus. Dass man in diesem Segment von allerhand Hartplastik beinahe erschlagen wird, spielt keine Rolle. Zumal sich Hyundai designtechnisch wirklich Mühe gibt. Wichtiger ist der Preis, der in der Basis fair bemessen ist. Die 1000 Franken Aufpreis für das automatisierte Getriebe kann man sich sparen. Allein, dass das intuitive Infotainment nur in Verbindung mit dem automatisierten Getriebe erhältlich ist, ist im ansonsten runden Gesamtpaket äusserst schade.

Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

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