Die Mailänder Marke weckt nach wie vor Emotionen bei Personen mit Benzin im Blut. Der Hersteller nennt Studien, welche der Marke sieben Millionen Fans zusprechen, und der Begriff «Alfa Romeo» soll 15 Millionen Mal pro Monat in Internet-Suchmaschinen eingegeben werden. Aber der wichtigste Massstab für den Erfolg einer Marke bleiben die Verkäufe – und hier schwächelt Alfa Romeo. Das Wachstum zwischen 2014 und 2018 kann sich zwar mit einem Sprung von 68 000 auf etwa 120 000 Zulassungen sehen lassen, aber das 2014 gesetzte Ziel sprach von 400 000 Alfa. Dieses Ziel wurde erst auf 2020, dann auf 2022 verlegt.
Schwieriger Premiummarkt
Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen heisser Leidenschaft und kühlen Verkäufen erklären? «Es ist wie die Wahl zwischen der Liebhaberin und der Ehefrau! », sagt Roberta Zerbi, Marktverantwortliche für Europa, den Nahen Osten und Afrika (EMEA) mit einem Lachen. «Wir haben in der Vergangenheit vielleicht nicht klar genug kommuniziert, dass unsere mit der Leistung gleichgesetzten Autos gleichzeitig auch sicher und komfortabel sind. Es ist immer schwierig, das Markenimage zu ändern, das braucht Zeit.» Anders gesagt, der hochsportliche Charakter der Alfa kann für manche Kunden ein Kaufhindernis sein. Sie könnten meinen, dass der Wagen konzentriertes Fahren verlange, dass er weniger alltagstauglich sei (unsere Tests mit diversen Giulia und Stelvio zeigten das Gegenteil). Der damalige FCA-Chef Sergio Marchionne nannte im Juni 2018 bei der Vorstellung des Vierjahresplans des Konzerns bis 2022 einen weiteren Grund: «Wir hatten den industriellen Aufwand unterschätzt, den es für die Erneuerung einer derart komplexen Marke wie Alfa Romeo braucht. Und wir wurden auch von den Verteidigungsreaktionen unserer deutschen Konkurrenten überrascht. Wir sehen jetzt, dass das Eindringen in den Premiummarkt schwieriger ist, als wir dachten.»
Lücken im Modellangebot
Zu all dem kommt, dass Alfa grosse Lücken im Modellangebot aufweist. Der ursprüngliche Plan sah die Vorstellung von acht Modellen bis 2018 vor, lanciert wurden aber nur Giulia und Stelvio. Die verhaltene Reaktion der Kunden auf die beiden Autos des D-Segments war ein Hauptgrund dafür, dass die FCA-Verantwortlichen den ehrgeizigen Fahrplan bremsten. Jetzt soll die Expansion auf 2022 realisiert werden, mit sieben neuen Modellen, einschliesslich des Tonale. Das unterhalb des Stelvio angesiedelte SUV zielt auf einen echten Wachstumsmarkt. Alfa-Markenchef Tim Kuniskis erwartet für die SUV im C-Segment bis 2021 weltweit einen Anstieg auf 1.4 Millionen Jahresverkäufe, 600 000 davon in Europa. «Der Tonale wird unsere Verkäufe voranbringen und die Marschrichtung festigen, die wir mit der Giulia und dem Stelvio eingeschlagen haben», führt Roberta Zerbi weiter aus.
Hybrid für ein Leistungsplus
Der Tonale folgt den Zeichen der Zeit und ist der erste Alfa Romeo mit einem Plug-in-Hybridantrieb. «Wir wollen diese Technologie in den Dienst der Leistung stellen», verspricht Roberta Zerbi. Der Verbrennungsmotor treibt die Vorderräder an, während der Elektromotor seine Kräfte an die Hinterachse leitet. Diese Auslegung wie auch die Proportionen des Wagens lassen darauf schliessen, dass der Tonale auf der gleichen Plattform aufbaut wie die am Genfer Salon präsentierte PHEV-Version des Jeep Compass. Das ist nicht die gleiche rassige Basis wie die Giorgio-Plattform von Giulia und Stelvio, aber wir werden mit unserem Urteil bis Herbst 2020 zuwarten und sehen, ob es die technischen Zauberer aus Mailand schaffen, dem Tonale die markentypischen Eigenschaften anzuerzeihen