Automobil Revue: Marc Kipfer, es scheint, als sei die BFU nicht glücklich damit, dass Autofahrer seit heuer erst mit 75 und nicht mehr mit 70 Jahren zur ärztlichen Untersuchung antreten müssen. Täuscht dieser Eindruck, oder warum kommt gerade jetzt dieser Fahrfitnesstest für Senioren?
Marc Kipfer: Der Bundesrat wünschte sich bei der Ankündigung der Erhöhung des Alters der ersten Kontrolluntersuchung von 70 auf 75 Jahre, dass diese Änderung von Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen begleitet wird, damit sich die Senioren weiterhin spätestens mit 70 Jahren mit ihrer persönlichen Fahreignung befassen. Mit dem Fahrsicherheits-Check kommt die BFU diesem Wunsch nach. Der Check ist Teil eines Massnahmenpakets, das vom ACS koordiniert wird. Die Gesamtverantwortung liegt beim Fonds für Verkehrssicherheit.
Was genau verspricht sich die BFU von dem Fahrsicherheits-Check?
Verschiedene wissenschaftliche Studien haben den positiven Effekt dieser Art von Instrumenten auf die Verkehrssicherheit nachgewiesen. Für die Senioren ist es wichtig, die eigene Fähigkeit zur sicheren Verkehrsteilnahme richtig einschätzen zu können. Damit das gelingt, muss man möglichst viel über allfällig nachlassende Fähigkeiten und deren Auswirkungen auf die Fahrfitness sowie entsprechende Gegenmassnahmen wissen. In unserem Fahrsicherheits-Check werden in diesem Zusammenhang die wichtigsten Fragen gestellt und Empfehlungen abgegeben.
Der Fahrsicherheits-Check findet nur in der Theorie statt. Reicht das, um die Fahrfähigkeit älterer Fahrer markant zu verbessern? Müsste die BFU die Probefahrten mit einem Fahrberater nicht nur empfehlen, sondern im Interesse der Verkehrssicherheit fordern?
Nebst dieser freiwilligen Selbsteinschätzung empfehlen wir weitere ergänzende Massnahmen, etwa den Besuch eines Auffrischungskurses. Mit unserer Selbsteinschätzung legen wir grossen Wert auf die Eigenverantwortung, und es erscheint uns nach heutigem Stand nicht notwendig, alle Senioren zu solchen Massnahmen zu zwingen. Das Gesetz sieht bereits heute vor, dass im Zweifelsfall Fahreignungsprüfungen für bestimmte Personen angeordnet werden können – unabhängig von ihrem Alter.
Woran erkennt die BFU, dass der Fahrsicherheits-Check ein Erfolg ist? Wie oft muss er im Internet pro Tag oder Woche angeklickt oder bestellt werden?
Für die BFU hat die Verkehrssicherheit Priorität. Wir sind zuversichtlich, dass der Fahrsicherheits-Check dazu beitragen wird, die Verkehrssicherheit zu verbessern. Durch verschiedene Medienanfragen stellen wir bereits heute fest, dass das Thema interessiert, und wir erhalten entsprechende Rückfragen und Bestellungen von Senioren. Wir sind zuversichtlich, dass dies noch zunehmen wird, wenn die eingangs erwähnte Sensibilisierungskampagne durch den ACS lanciert wird.
Wenn, wie die BFU erklärt, jüngere Autofahrer ein ähnlich hohes Risiko auf den Strassen darstellen wie ältere, warum gibt es dann für jene keinen vergleichbaren Onlinetest?
Nur das Unfallrisiko pro gefahrenem Kilometer ist vergleichbar – Senioren legen allerdings weit weniger Kilometer zurück als jüngere Autofahrer. Daher sollte das Risiko von Senioren auf den Strassen nicht überschätzt werden. Um das Risiko von Unfällen in einer bestimmten Altersgruppe zu reduzieren, muss jeweils definiert werden, welches das geeignetste Mittel ist. Bei Jugendlichen wurden weitere Massnahmen wie das zweistufiges Training oder das Fahrverbot unter Alkoholeinfluss während der Probezeit bereits mit Erfolg eingeführt.
Ist vorgesehen, nach einer gewissen Zeit eine Evaluation über die Auswirkungen des Fahrfitnesstests vorzunehmen?
Die BFU stützt sich bei ihrer Arbeit auf wissenschaftliche Methoden. Die Evaluation der von uns vorgeschlagenen Instrumente ist daher selbstverständlich. Die Wirksamkeit unserer Selbsteinschätzung wird von unseren Spezialisten laufend überwacht und bewertet.
Interview: Raoul Studer