Falscher Alfa, echter Sauber!

MEL 1 Alfa Romeo zeigte vom neuen italienisch-schweizerischen Rennwagen aus Hinwil beim Barcelona-Test bewusst nur das Nötigste. Aber auf der Strecke glänzte der C38!

Der Alfa Romeo C38 war am Mon­tagmorgen, pünktlich um neun Uhr, nicht der Erste auf dem Rund­kurs. Lewis Hamilton (GB) im Mercedes W09 und Nico Hülken­berg (D) im Renault RS19 standen zusammen vor der roten Ampel, quasi um die Ehre kämpfend als Erster in die vier Wintertesttage der Formel 1 auf dem Catalunya Circuit bei Barcelona (E) zu star­ten. Kimi Raikkönen (Finnland) fuhr als Dritter los und stellte den neuen Alfa Romeo-Ferrari C38 der Öffentlichkeit vor. Kaum war er am Ende der Zielgeraden angekommen, da sprang die Ampel wieder auf Rot!

Schlechter Scherz
In den Boxen waren schon die ersten hämischen Kommentare zu hören: «Zweifellos ein echter Alfa – er hat schon eine Panne!» Ein schlechter Scherz, der auch völlig unangebracht war. «Ich hatte nur eine Talentpanne», lächelte ein nicht wieder zu er­kennender Räikkönen ganz entspannt und zu Scherzen aufgelegt, als er aus dem Auto stieg. Der Routinier aus Finnland hatte sich trotz seiner lang­jährigen Erfahrung von den kalten Reifen überra­schen lassen und einen harmlosen Dreher hinge­legt, der einem Anfänger allerdings die Schames­röte ins Gesicht getrieben hätte.Eine simple Anekdote also, als lustige Einlei­tung in das neue Kapitel der langen Geschichte des Sauber-Rennstalls, der nun unter den Farben aus Arese bei Mailand (I) fährt. Der Zwischenfall kos­tete das Team 37 Minuten des Arbeitstages, danach konnte Räikkönen wieder starten und lag am En­de der zweiten Stunde in derselben Zehntelsekun­de wie der Ferrari SF90 von Sebastian Vettel (D), der den ersten Testtag dominierte. Am Ende des ersten Testages in Barcelona lag der Finne nach 114 absolut problemlosen Runden auf dem fünf­ten Platz der Zeitentabelle, 1.3 Sekunden hinter dem Schnellsten – nach wie vor Vettel – und in der­selben Zehntelsekunde wie die beiden Rennwagen mit Honda-Motoren, dem Red Bull RB15 von Max Verstappen (NL) und dem Toro Rosso STR14 von Daniil Kvyat (Russland).

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Originell und gewagt
«Ich behaupte nicht, dass die Zeiten bedeutungslos sind, da man nicht weiss, mit wie viel Benzin und welcher Motoreinstellung die anderen Teams fah­ren. Wir bleiben also auf unsere Arbeit fokussiert. Wir sind nicht da, um uns mit den anderen zu ver­gleichen, dafür gibt es dieses Jahr noch 21 Grand Prix», betonte Alfas Teamchef Frédéric Vasseur. Er äusserte sich nicht zu den technischen Daten, die bei der Präsentation des Autos am Morgen be­wusst verschwiegen worden waren. Der C38 trug allerdings schon die umgedrehten Leitelemente am Frontspoiler, welche bereits wegen der Fotos vom Roll-out vor einer Woche auf der Ferrari-Teststre­cke in Fiorano (I) für Furore gesorgt hatten. Vas­seur meinte nur schmunzelnd und im Flüsterton: «Der Rennwagen hat einige gewagte Ideen, die es jetzt zu entwickeln gilt.» Im Nachsatz betonte der Franzose aber auch, dass Ferrari damit aber nicht allein sei: «Andere sind auch mit einem vergleich­baren Konzept gestartet.»Kimi Raikkönen ist mit seinen Aussagen schon etwas konkreter: «Im Vergleich zum Vorgänger Sauber C37, den ich im Dezember in Abu Dhabi noch testen konnte, ist der C38 ein grosser Schritt nach vorne. Er fährt sich viel einfacher, und er ist eine gelungene Basis für die kommenden Entwick­lungen. Die Bilanz des ersten Tages ist generell sehr, sehr positiv, alles lief perfekt. Es ist aber noch ver­früht, mehr zu sagen. Wir haben noch nicht einmal richtig am Set-up, an der Einstellung des Autos ge­arbeitet.» Es sei auch noch zu früh, um sich mit der Effizienz der neuen aerodynamischen Begrenzun­gen zu befassen. Der Autoweltverband FIA schreibt auf diese Saison hin aerodynamische Än­derungen vor. Ziel: Die Autos sollen wieder besser hintereinander fahren und somit leichter überholt werden können. «Ich bin noch nicht im Windschat­ten eines anderen Autos gefahren, aber die Gele­genheit dazu wird sich in den folgenden Tagen si­cher bieten», meinte Räikkönen.

 

Ein Achtungserfolg
In der Box von Alfa Romeo Racing gaben sich die Ingenieure Luca Furbato, Projektleiter des C38, und Simone Resta, der technische Direktor, ziem­lich zurückhaltend, aber ebenso entspannt wie zu­frieden. Sie störten sich kaum an der aufdringlichen Arbeit eines spionierenden Fotografen, der – wahrscheinlich im Auftrag eines Konkurrenten – den Frontspoiler es Rennwagens mit einer 3-D-Kamera ablichtete. So etwas passiert schliesslich immer öfter und erklärt auch die regelrechte Para­noia der Teams, die alle Details ihrer Autos mit von den geübten Mechanikern geschickt aufgestellten Stellwänden vor neugierigen Blicken schützen möchten. Beeindruckend, aber eigentlich unnötig. Damit verdiente sich der neue Alfa Romeo C38 made by Sauber allerdings seinen ersten Achtungs­erfolg. Denn man kopiert nichts, von dem man sich nicht einen Vorteil verspricht!

Text: Mario Luini



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RED BULL-HONDA RB15 – RÜCKKEHR MIT HOND
Die Chassis waren kaum je der Grund für die Schlappen, die Red Bull seit der Einführung der neuen Hybrid-Turbomotoren 2014 kassierte. Mit dem Wechsel auf die Honda-Triebwerke geht Red Bull ein Risiko ein, meint Daniel Ricciardo, der den Renault-Motoren treu blieb und auf diese Saison zum französischen Team wechselte. Wird der neue RB15 dem Ehrgeiz von Max Verstappen gerecht? Der will schliesslich um Siege und Titel kämpfen. Das Juniorteam Toro Rosso diente 2018 als Versuchslabor für den Honda-Motor. Der Fortschritt überzeugte Red Bull. Die Rückkehr an die Spitze ist mit dem japanischen Hersteller möglich, heisst es.


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FERRARI SF90 – BESSER WERDEN
Der neue Ferrari SF90 setzte sich von Beginn bestens in Szene und dominierte mit Ex-Weltmeister Sebastian Vettel klar den ersten Testtag in Barcelona. Auffällig ist das schmalere Profil des gesamten Hecks um Motor und Nebenaggregate. Den Ingenieuren aus Maranello (I) ist offenbar das Kunststück gelungen, Power Unit mit Turbomotor und Hybridanlage auf extrem kompaktem Raum unterzubringen. «Extrem» ist auch das Wort, welches Mattia Binotto, der neue Ferrari-Teamchef, für die Entwicklungsziele des neuen SF90 wählte. Mit ihm sollte Titelkandidat Vettel wieder zur Bestform auflaufen.


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MERCEDES W10 – OBEN BLEIBEN
Auf den ersten Blick ist der Mercedes W10 eine noch schärfere Version des weltmeisterlichen Vorgängers, des W09. Der aktuelle Wurf der Silbernen hat ein noch schmaleres, vorne zugespitztes Cockpit, neue Aufhän­gungen und verbesserte Aerodynamik – damit die Pneus weniger belastet werden, etwas, was dem Vorgänger gelegentlich Probleme bereitet hatte. Aber die grössten Veränderungen gibt es im W10. Der Motor liegt günstiger im Windstrom, und er hat gleichzeitig ein wirksameres Kühlsystem bekommen, während die Power Unit von einer optimierten Energierückgewinnung profitiert.


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RENAULT RS.19 – SPRUNG NACH VORN
Mit Daniel Ricciardo will der Konstrukteurs-Vierte des letz­ten Jahres den nächsten Schritt nach vorne machen. Der Bremsklotz Red Bull und dessen Nörgelei über die Renault-Motoren ist Geschichte. Alle Anstrengungen der Franzosen betrafen die Verbesserungen der Power Unit, um so dem V6-Verbrennungsmotor mehr Leistung abzugewinnen, dabei aber die Hitze besser abbauen zu können. Die Energierück­gewinnung und deren elektrischer Boost erfuhren Modifikationen für die Ende 2018 vorgestellten Spec-C-Motoren. Die wurden nie eingesetzt, sollen aber der grösste Fortschritt seit der Einführung der Hybridtechnologie 2014 sein.


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MCLAREN-RENAULT MCL34 – NEUORIENTIERUNG
Schon 2018, nach drei erbärmlichen Jahren mit Honda und dem Wechsel zu Motorenpartner Renault, glaubte man bei McLaren, dass man an erfolgreiche Zeiten anknüpfen könne. Die Enttäuschung war umso grösser. Das Chassis war nicht gut genug, Schuld hatten andere. Der MCL34 hat einen langen Weg vor sich, aber Carlos Sainz und Lando Norris wollen ihr Bestes geben. Dennoch, der neue Wagen ist eine Übergangslösung, bis der vom neuen technischen Direktor James Key (ehemals Toro Rosso) und neuen Teamchef And­reas Seidl (ex Porsche, mit F1-Erfahrung bei BMW-Sauber) entwickelte Nachfolger bereitsteht.


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HAAS-FERRARI VF19 – ABKÜRZUNG ZUM ERFOLG?
Das US-Team machte in den drei Jahren seit seinem Debüt regelmässig Fortschritte. Das ist dem Pragmatismus des Be­sitzers Gene Haas zuzuschreiben. Er zögert nicht, alle vom Reglement zulässigen Teile bei Ferrari einzukaufen – was sich bisher voll ausgezahlt hat. Aber solche Synergien haben Grenzen, erst recht angesichts des Aufwandes, den die Konkurrenz betreibt. So müssen Romain Grosjean und Kevin Magnussen hoffen, dass ihr Auto gleich zu Saisonbeginn wettbewerbsfähig ist, denn die Konkurrenz dürfte im Laufe des Jahres immer stärker werden. Der VF19 trägt wieder die Farben Schwarz und Gold – wie einst der legendäre Lotus.


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WILLIAMS-MERCEDES FW42 – SCHON WIEDER EINE SCHLAPPE?
Es ist unbegreiflich, wie die zwei ehemaligen, mehrfachen Weltmeisterteams von McLaren und Williams 2018 dahin­siechten. Williams will aus dem Tief heraus und hat dafür das Team umstrukturiert. Wegen fehlender Teile war der neue FW42 vorrest nicht testbereit. Die Situation ist nicht gerade beruhigend für Formel-1-Rückkehrer Robert Kubica und für George Russel, den dritten F1-Rookie, den vielversprechen­den Schützling von Mercedes und amtierenden Formel-2-Meister. Die Geschichte hat wiederholt gezeigt, dass ein Wa­gen mit Entwicklungsrückstand zum Saisonbeginn während des Jahres kaum je zur Konkurrenz aufzuholen vermag.


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TORO ROSSO-HONDA STR14 – KEIN VERSUCHSKANINCHEN
Nach einem Jahr als Honda-Versuchskaninchen für das Hauptteam Red Bull bekommt das Team aus Faenza (I) nun mehr Aufmerksamkeit von der Red-Bull-Hauptzentrale in Mil­ton Keynes (GB). Beide Teams setzen auf Honda-Power. Sie erhalten die gleiche Unterstützung der Japaner (Personal, Material, Weiterentwicklung). Toro Rosso bekommt zudem alles von Red Bull, was das Reglement zulässt, um noch als selbständiger Konstrukteur durchzugehen. Vom Antrieb abgesehen darf Toro Rosso alle Teile des Red Bull von 2018 übernehmen. Ob Daniil Kvyat und Alex Albon damit um Spitzenresultate mitkämpfen können, bleibt abzuwarten.


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RACING POINT-MERCEDES RP19 – NEUANFANG
Letztes Jahr kam die Namesänderung des Teams von Force India zu Racing Point. Das Team, nun in den Händen einer kanadischen Investorengruppe unter der Leitung des Milliardärs Lawrence Stroll, hat endlich die Mittel für ernsthafte Weiterentwicklung. Die Techniker wollen ihre Improvisationskunst beibehalten, schliesslich brachten sie zuvor mit ärmlichem Budget Erstaunliches zustande. Der neue RP19 scheint eine Weiterentwicklung des sehr guten Wagens von 2018 zu sein. Der Bolide startete die Testfahrten allerdings nur als provisorische Version. Die Verbesserungen sollen während der Woche nachgereicht werden.

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