Ford Fiesta: Im Dreisprung

MOMENT DER WAHRHEIT: Der neue Dreizylinder ersetzt den alten Vierzylinder, und so waren wir gespannt auf den neuen Ford Fiesta ST. Und dieser zeigt sich von seiner besten Seite!

Es wurde schon viel geschrieben über den neuen Dreizylinder, bevor er überhaupt in Serie ging. Ford hatte Anfang des Jahres angekündigt, dass man der dritten Fiesta-ST-Generation ein neues Dreizylinderaggregat spendiert, das den bewährten Vierzylinder ersetzen soll. Diese Entscheidung wurde von zahlreichen Fans der deutsch-amerikanischen Marke, aber auch bei der sportlichen Abteilung Ford Performance hinterfragt. «Als man uns sagte, hier komme ein Superdreizylinder, ein genialer Motor für euren Fiesta ST, haben wir erst an einen schlechten Scherz geglaubt», berichtet Thomas Duscha, Ingenieur bei Ford Performance.

Ein widersprüchliches Ziel

Der Grund für eine solche Entscheidung leuchtet ein, denn die Verbrauchs- und CO2-Emissionswerte des Fiesta ST mussten gesenkt werden, zumindest auf den Prüfständen. «Das war eine unserer Prioritäten», bestätigt Duscha nochmals. Die Zeiten ändern sich, und die Reise geht in Richtung Verbrauchsreduktion.» Selbst die kleinen Sportler müssen vernünftig mit dem Kraftstoff umgehen. Sind die Treibhausgasnormen das Ende der ­Citysportler?

Vergleichbare Eigenschaften

Auf dem Papier sind die technischen Daten des 1.5-L-Dreizylindermotors eher beruhigend für die Fans des kleinen Ford: Es gibt keine Einbussen mit Ausnahme der um 11 % geringeren CO2-Emissionen (es wurde ein System zur Zylinderabschaltung installiert). Die Leistung von 200 PS ist unverändert, ebenso wie das maximale Drehmoment von 290 Nm. Ja, aber der Vorgänger verfügte über ­einen Overboost mit einer Leistungsspitze von 215 PS und 320 Nm über einen Zeitraum von 15 Sekunden. Laut den Ford-Ingenieuren bietet der neue Fiesta ST ebenfalls eine Drehmomentsteigerung von 10 bis 20 Nm. Auch ohne Leistungsschub gibt Ford verbesserte Fahrleistungen im Vergleich zum Vorgängermodell an: Von null auf 100 km/h benötigt er nur noch 6.5 s (bisher 6.7 s), und die Höchstgeschwindigkeit steigt um 2 auf 232 km/h. Diese Werte spielen nur eine untergeordnete Rolle, denn die ST-Modelle sind vor allem wegen ihrer Motorcharakteristik und des agilen Fahrwerks ­geschätzt. Wir haben in der Umgebung von Nizza (F) geprüft, ob der Fiesta seine Seele verloren hat oder nicht.

Sportlicher Charakter

Ford lässt es offensichtlich bei einer wesentlichen Änderung pro Generation (hier der Dreizylinder). Deshalb begnügt sich die Marke mit dem ovalen Logo beim Fiesta ST nur mit geringfü­gigen Modifikationen, insbesondere vorne, im Vergleich zum ST200. Der Neuling glänzt als der «perfekte Pocket-Sportler» dank aggressiver vorderer und hinterer Stossfänger, Dachspoiler, Doppelauspuff, Extraktor und spezifischer ­Felgen. Im Interieur gibt es nur minimale Unterschiede wie das ST-Logo in der unteren Lenkradspeiche, das (optionale) Karbon-Imitat im Armaturenbrett und eine spezifische Skalierung der Bordinstrumente. Die zu sparsamen und dunklen sportlichen Akzente werden zum Glück durch die ausgezeichneten Recaro-Sportsitze ­gerettet. Diese einzigartige Aufwertung des Innenraums in der Form von Halbschalensitzen mit idealer Körperunterstützung sorgt für eine exzellente Sitzposition am Volant.

Zankapfel oder Wunschobjekt?

Starten wir jetzt das mit grosser Spannung er­wartete Aggregat. Der 1497-CM3-Motor erwacht sofort mit dunklerem Klang als andere Dreizylinder. Im Sportmodus, der u. a. über ein Ventil im Auspuffstrang aktiviert wird, klingt der Sound auch mit Lautsprecherunterstützung nochmals intensiver im Innenraum. Das metallische Bellen des Vorgängers ist zwar passé, aber der neue Dreizylinder kann sich sehen lassen. Und das gilt nicht nur für seinen Sound. Wenn der Turbolader mit vollem Druck arbeitet, dann treibt er die 1262 kg (Dreitürer) oder 1283 kg (Fünftürer) des Fiesta ST mit Nachdruck voran. Im optimalen Arbeits­bereich von 1600 bis 4000/min beschleunigt der Dreizylinder eindrucksvoll aus jeder Haarnadelkurve heraus und erledigt Überholvorgänge mit Bravour. Danach ist der Vorwärtsdrang bis 6000/min etwas weniger eindrucksvoll, aber immer noch begeisternd. Auf hohem Niveau kritisiert, müsste erwähnt werden, dass die Schaltkulisse des Gangwahlhebels den tollen mechanischen Eigenschaften des Dreizylinders nicht gerecht wird. Traktion und Spurtreue am Kurvenausgang werden aber noch durch die (optionale) Quaife-Differenzialbremse unterstützt, welche jedes Untersteuern im Keim erstickt, sodass man sich am Steuer eines Allradlenkers glaubt.

Zauberhafte Mischung für unterwegs

Das Differenzial ist die perfekte Ergänzung des von Ford Performance entwickelten Fahrwerks (s. Kasten). In einem Satz: Der Fiesta ST ist Fahrspass pur. Angefangen bei der Lenkung, die seit dem ST200 nochmals verbessert wurde. Sie spricht direkter an, und das Volant liegt auch besser, weil schwerer, in der Hand. Auch die gefühlte Rückmeldung stimmt. Fahrerbefehle werden von der ­direkten Lenkung präzise an die extrem agile Vorderachse weitergegeben. Dies wird noch durch die reaktionsschnelle Hinterachse gefördert, eine Ausnahme in der immer zivilisierteren Automobilwelt. Sie wird spürbar leichter, wenn man vom Gas geht, und hilft bei der Positionierung «auf der Bremse», das Ganze aber progressiver als der extreme Peugeot 208 by Peugeot Sport. Dieser Asphalt-Virtuose eilt von Kurve zu Kurve mit einer Begeisterungsfähigkeit, die süchtig macht. Der etwas straffere Vorgänger vermittelte den Eindruck sofortiger Befehlsumsetzung, aber der ST 2018 bleibt dank der einzelnen Fahrprogramme (Normal, Sport, Race) alltagstauglicher und vielseitiger. Diese beeinflussen das Ansprechverhalten des Gaspedals und des Lenkrads, des Drehmomentverlaufs und des ESP. Dazu kommt die neue Launch ­Control für den perfekten Kavaliersstart.

Nach diesem ersten Fahreindruck positionieren wir den Ford Fiesta ST 2018 ­eindeutig unter den Besten seiner Kategorie. Wir sind ­gespannt auf unseren ausführlichen Test in der Redak­tion, bevor wir ihn auf den 1. Platz der kleinen Sportler heben. Unerschwinglich? Nein, das Beste kommt zuletzt: Mit nur 24 200 Franken ist der Deutsch-Amerikaner sogar 2000 bis 3000 Fr. günstiger als die Konkurrenz. Unwiderstehlich!

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