So sanft wie das Model S P90D vom Tesla-Store Bern auf der entspannten Fahrt nach Alpbach (A), gut 50 km hinter Innsbruck, schnurrt, so intensiv rasen gleichzeitig die Gedanken durch den Kopf: Wie würden sich die Premium-E-Autos aus Palo Alto CA (USA) in den Schneemassen im österreichischen Tirol schlagen? Hatten die Entwickler um CEO Elon Musk für ihre Produkte überhaupt je Fahrten in Gebieten wie den winterlichen Alpen im Kopf?
Es gilt ernst …
Früher Morgen, es dringt noch kein Sonnenstrahl bis zum Boden des Alpbachtals, die klirrende Kälte lässt den Schnee unter den Stiefeln trocken knirschen … Die beiden Testpisten waren von den Instruktoren des Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touringclubs (ÖAMTC) aber bereits perfekt passend für das Tesla-Winterfahrtraining mit der Limousine Model S und dem SUV Model X präpariert worden – nämlich gar nicht. Der Schnee würde knöcheltief und pulvriglocker unter die Reifen zu liegen kommen. Eine echte Herausforderung für die über zwei Tonnen wiegenden E-Kreuzer.
Wir starten also sogleich unsere Testrunden auf den beiden bisweilen eng gewundenen, bergauf und bergab führenden Parcours und sind auf Anhieb angenehm überrascht, wie leichtfüssig und präzise sich die E-Boliden auf dem rutschigen Untergrund bewegen lassen und wie tadellos sich die vier an jeder Achse von einem separaten E-Motor angetriebenen Räder in den Schnee krallen. Das schnittigere Model S gibt sich dabei noch etwas agiler als das höher bauende Model X, einen tiefen Schwerpunkt dank dem im Unterboden verbauten mehrere Hundert Kilo schweren Batteriepack haben beide.
Gewicht = Anpressdruck = Haftung
Diese einfache Gleichung lässt sich an den schweren Tesla besonders gut bestätigen und erklärt auch, wieso man selbst im lockersten Pulverschnee mit verblüffender Traktion in die Gänge kommt. Gut, der permanente, konstant stabilitätskontrollierte Allradantrieb trägt natürlich auch noch einen wesentlichen Teil zum guten Grip bei. Horizontal und bergauf ist die Masse des Autos und der damit vergleichsweise hohe Flächendruck auf den Reifen der problemlosen Vorwärtsfahrt tatsächlich zuträglich, bergab siehts dann allerdings erwartungsgemäss etwas dusterer aus, da der Schwung aus dem Gewicht ja auch wieder verzögert werden muss.
«Allradantrieb hilft nur bergauf, bergab nützt er eigentlich nichts», erläutert Manuel Reheis, ÖAMTC-Fahrtechniktrainer. Sollte man im Winter trotz bester Ausrüstung und angepasster Fahrweise also dennoch mal in die Bredouille kommen, indem man sich mit einer aus der Linie schiebenden Karosse konfrontiert sieht, dann rät Reheis: «Mit ABS-Fahrzeugen gibts kein zu frühes, zu starkes Bremsen! In Notsituationen so aggressiv wie möglich bremsen und so gefühlvoll wie nötig lenken.» Selbstverständlich setzen wir solche Tipps sofort in die Praxis um und – es funktioniert!
(Fast) zu sicher für lustig
Beim bisweilen hektischen Drehen am Lenkrad turnen wir wie Akrobaten im Cockpit herum und geben unser Bestes. Mal rasch die Innenraumtemperatur von normalen 22 Grad auf deren 18 heruntergeregelt, sonst wirds einem aufgrund der intensiven Lenkarbeit einfach zu warm. Die brachiale Kraft der E-Motoren mit ihrem aus dem Stand anliegenden Maximaldrehmoment, gekoppelt mit der guten Traktion und Spurtreue im rutschigen Gelände, verleitet in einem Tesla schnell zu Übermut und schliesslich möchte man ja auch endlich gekonnt sliden.
Das Resultat: Es wird geschoben und gedreht, aber einen sauberen Drift bekommt kaum jemand hin, zu sehr klopft einem dauernd das Elektronengehirn, sprich die Stabilitätskontrolle, auf die Finger. Was von der Idee her – die Aufrechterhaltung der höchstmöglichen Sicherheit in jeder Fahrsituation, indem die Kraftverteilung an den Achsen 100-mal pro Sekunde nachgeregelt wird und zusätzlich ein Stabilitätsprogramm jedes Rad bedarfsgerecht einbremsen kann – natürlich stimmig ist, nimmt einem Schneefahrtraining gewiss einen Teil des Reizes. Die meist kläglichen Driftansätze kommentiert ÖAMTC-Instruktor Werner Tschertschek denn auch knochentrocken mit österreichischem Schmäh: «Wanns d quea drinstehst, dann is des nimma släidn, sundan scho grobm!» (Wenn du quer drinstehst, dann ist das nicht mehr sliden, sondern schon graben!) Als es dann eine Teilnehmerin sogar schafft, ihr Model S mit der Mitte des Unterbodens auf einer Schneekuppe so aufzusetzen, dass keines der vier Räder mehr ausreichend Bodenkontakt für eine Weiterfahrt hat, sodass es der Pistenbully richten kommen muss, ruft der Fahrinstruktor alle Teilnehmenden zu einer Grundsatzinstruktion übers Fahren bei Kälte und Schnee sowie das korrekte Einrichten hinter dem Lenkrad zusammen.
Auf ein Neues!
Mit den neusten Tipps im Gepäck nehmen wir die Tracks also nochmals unter die Räder und siehe da, die Fahrten werden sauberer, die Rundenzeiten kürzer und sogar der eine oder andere scheue Drift lässt sich realisieren: beschleunigen, sanft einlenken, Gas wegnehmen, den Blick immer zum Kurveninnern, gefühlvoll weiterlenken und das Heck rumkommen lassen. Wirkliches Sliden will beim Tesla dennoch nicht klappen, zu sehr regelts die Elektronik weg – aber das ist ja, wie gesagt, eigentlich ein Sicherheits-Feature.
Tesla sind zwar keine Rallye-Renner, lassen sich aber auch auf winterlichsten Fahrbahnverhältnissen mit verblüffender Effizienz durch anspruchsvollste Parcours dirigieren. Gehts mal gar nicht weiter, dann kann man im Menü den Schlupfstart aktivieren, um das fehlende Quäntchen Grip beim Anfahren herauszukitzeln. Damit hat sichs dann aber auch schon mit den Möglichkeiten, der Elektronik via Human-Override einen Maulkorb zu verpassen. Ein Tesla weiss halt selbst am besten, was für den Fahrer das Sinnvollste ist …