OGIER-TRADITION – UND EINE VORAHNUNG?

Sébastien Ogier startete «traditionell» mit einem Sieg bei der Rallye Monte Carlo in die WM. Das tut der Franzose seit 2014 – und war am Ende immer Weltmeister.

Rallye-Promienz beim WM-Auftakt: «Monte»-Sieger und Ford-Pilot Ogier in Aktion.

Sébastien Ogier bleibt der Massstab in der Rallye-WM. Seit 2013 reihte der Franzose fünf Titel in Serie aneinander. Dass er viel Klasse hat, bewies er mit dem bisher letzten Sieg, welchen er mit der Ford-Truppe von M-Sport holte, aber auch nach dem abrupten Teamwechsel Anfang 2017, weil sich sein jahrelanger Arbeitgeber VW nach der Abgas-Affäre aus der WM zurückzog. Die Jagd auf seinen Landsmann, den neunfachen Rekordweltmeister Sébastien Loeb, hat Ogier längst eröffnet. Die Hatz auf den sechsten Titel mit dem Sieg bei der Rallye Monte Carlo, dem sechsten insgesamt, zum WM-Auftakt ebenso. Die 388 km Wertungsprüfungen, verteilt auf 17 Etappen, brachte der Ford-Pilot in 4:18:55.5 Stunden hinter sich, mit 58.3 Sekunden beziehungsweise 1:52 Minuten Vorsprung auf das Toyota-Duo Ott Tänak und Jari-Matti Latvala. «Das ist natürlich die bestmögliche Variante, um in eine Saison zu starten», sagte Ogier zu seinem insgesamt 41. WM-Laufsieg. Er führte den Klassiker von der ersten bis zur letzten Wertungsprüfung an, gewann vier Teilstücke davon. Aber die unberechenbaren Streckenbedingungen bei der «Monte» forderten ihn diesmal besonders: «Nie zuvor hatte ich bei der Reifenwahl derart zu kämpfen. Ich war mir wegen der ständig ändernden Bedingungen nie sicher.» Dass der neue Wetterexperte im M-Sport-Team aus Estland stammt wie der zweitplatzierte Tänak, spülte der Franzose rasch runter.

Die Fehler der anderen

Ogier erklärte sich seinen jüngsten Erfolg bei der «Monte» deshalb damit, dass andere ebenso haderten: «Gut, dass wir weniger Fehler machten als die  anderen.» Tänak auch, aber nachvollziehbare, denn der Este ist neu im To­yota-Werksteam mit Chef Tommi Mäkinen, dem ehemaligen, vierfachen Weltmeister aus Finnland. Letztes Jahr war Tänak noch Ford-Kollege von Ogier: «Ich war mir vor der Rallye nicht ganz sicher, wo genau wir stehen. Bei Testfahrten herrschen eben keine Wettkampfbedingungen.» Kilometer für Kilometer habe er sich gesteigert und auch mehr Spass bekommen und so auch vier Wertungsprüfungen für sich entscheiden können. «Unglücklicherweise hatten wir im Schnee auch Probleme mit den Dämpfern, da brach was. Aber nach der Reparatur war ich wieder happy. Wir sind durchaus konkurrenzfähig.» Sein Co-Pilot Martin Järveoja ging sogar noch weiter: «Der Titel ist das Ziel!» «Schön, wenn man Träume hat», entgegnete Ogier.

Aber Chancen rechnet sich auch der andere Toyota-Pilot auf dem Podest aus. Jari-Matti Latvala kennt den Yaris WRC schon aus dem letzten Jahr: «Wir haben das Auto verbessert. Ich habe ein gutes Gefühl.» Der Finne meinte auch, dass Teamneuling Tänak viel Wissen von M-Sport und Ford zu To­yota mitgebracht hätte. Für Teamchef Mäkinen war es «die stärkste Leistung der Equipe» seit dem Comeback des japanischen Herstellers, der sich 2017, nach 17 Jahren, in der Rallye-WM zurückgemeldet hat. «Wir sehen uns in Schweden!», mahnte Mäkinen deshalb – und sein Pilot Latvala erinnerte schon vorzeitig an das heis­se Eisen, welches Toyota dort im Feuer hat: «Hier ging es um einen sauberen Saisonstart. Aber in Schweden will ich  schnell fahren. Ich liebe diese Rallye!»

Neuville zauderte – einmal mehr

Die Kohlen aus dem Feuer holen muss allerdings eher Hyundai. Den Koreanern passte die Leistung beim WM-Auftakt nicht. Grösster Herausforderer von Ogier sollte Vizeweltmeister Thierry Neuville sein. Aber der Belgier stand sich wieder selbst im Weg. Schon letztes Jahr landete er bei der «Monte» mit seinem i20 WRC in einem Strassengraben – und das klar in Führung liegend. Vergangenes Wochenende rutschte Neu­ville auf der ersten Prüfung in eine Schneewehe und musste sich zurückkämpfen. Bis am Samstagabend lag er auf Zwischenrang sieben, am Ende war es Rang fünf – aber nur, weil er vom Pech des dritten Toyota-Piloten profitiert hatte: Esapekka Lappi/FIN lag vor der letzten Prüfung, der Power Stage, noch hinter seinen Toyota-Teamkollegen auf Rang vier, den der britische Power-Stage-Sieger Kris Meeke erbte und Hersteller Citroën den einzigen Prüfungserfolg bescherte. Immerhin ergatterte Hyundai sechs Prüfungserfolge (wie Ford: Ogier 4, Elfyn Evans 2), einen durch Andreas Mikkelsen/N, der noch hinter dem Schweizer Olivier Burri (Škoda Fabia R5/Rang 12) auf dem 14. Platz klassiert war, und deren fünf durch Neuville. So oft wie der Belgier hatte bei der «Monte» nach einer Prüfung keiner freudig ins Cockpit geschrien. Mitte Februar, bei der Schweden-Rallye, will Hyundai zur Attacke blasen. Das Fahrerduo Neuville/Mikkelsen wird mit einem neuen Dritten ergänzt, Dani Sordo/E schied bei der «Monte» aus: Hayden Paddon holte 2016 für Hyundai in Schweden den bisher letzten Podestplatz.

Der WM-Auftakt hat gezeigt, dass sich Tradition nicht durchsetzen muss. Ogier siegte zwar wieder beim Klassiker – aber bis zum Saisonende müssen sich der Franzose und seine M-Sport-Ford-Truppe auf Gegenwehr einstellen. Die Toyota-Crew liess ihr Potenzial mehr als aufblitzen und Hyundai beziehungsweise Neuville sollten sich selber lieb sein. Vom vierten Hersteller Citroën wird auch eine Reaktion erwartet. Oder wie es Ogiers Teamchef Malcolm Wilson sagt: «Ich denke nicht, dass der Titelkampf härter wird als 2017. Ich weiss es! Das Feld ist sehr ausgeglichen. Das wird eine unglaubliche Herausforderung!»

Burri ganz nahe an den Top Ten dran

Aus Schweizer Sicht hatte bei der «Monte» nur einer Grund zur Freude. Olivier Burri belegte mit seinem Škoda Fabia R5 den zwölften Gesamtrang. Ein starkes Stück bei seiner Jubiläumsfahrt, der 20.,  rund ums Fürstentum. Die Erfahrung sei es gewesen, die den 54-jährigen Berner vor Schaden bewahrte: «Routine war hier besser als Schnelligkeit.» Die Rallye sei sehr herausfordernd gewesen, sagt Burri, «von der Schwierigkeit her gehört sie in meine Top 3.» Die übrigen Schweizer fielen aus: Ismaël Vuistiner (VS/Renault Clio R3T) nach Abflug und Sébastien Studer (NE/Peugeot 208 R2) wegen Getriebeschaden. Sie erlebten, im Unterschied zu Burri, aber ihre «Monte»-Premiere.

Werner J. Haller

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