Wo die Kühe Königinnen sind, die Natur noch unangetastet, die Bräuche sehr lebendig, die Meere aus Eis und die Alpweiden mit Blumen übersät … und die Autos elektrisch fahren», ist man versucht, an die kurze Selbstbeschreibung des Val d’Hérens im Internet anzuhängen. Warum? Weil die Region vor Kurzem eine ganze Flotte von elektrischen Fahrzeugen gekauft hat. Wir untersuchen den Sinneswandel in der Region Evolène.
Maya Boutique machte den Anfang
«Alles hatte seinen Anfang in Nax, im Maya Boutique Hotel, das sich vor mehr als einem Jahr ein Elektroauto anschaffte», erklärt Michael Moret, Direktor der Evolène Région Tourisme. «Anschliessend organisierten wir ein Treffen der Hoteliervereinigung des Val d’Hérens und unterbreiteten ihnen das Projekt, das sich auf zwei Argumente abstützt. Erstens wurden wir uns bewusst, dass wir zwar in einem grünen Tal mit unberührter Natur und authentischer Kultur leben, viele Besucher aber mit ihren nicht immer umweltfreundlichen Autos zu uns kommen. Und zweitens erkannten wir einen Trend, dass gewisse Kunden aus den Städten immer häufiger ohne einen Privatwagen auskommen. Für diesen Teil der Bevölkerung ist es kein Leichtes, zu uns zu kommen, zumal die Postautoverbindungen nicht sehr gut sind. Die Anschlüsse sind lückenhaft. Und zu bestimmten Jahreszeiten fahren nur sehr wenige Busse.»
Acht Hotels und das Amt
Die Idee war also, den Besuchern Autos zur Verfügung zu stellen, die sie nach Wunsch ausleihen können, um die Region zu erkunden. Viele Hoteliers waren vom Konzept angetan und wollten mitmachen. Heute bieten acht Hotels in der Region die Vermietung von Elektrofahrzeugen an. Es sind dies neben dem Maya Boutique Hotel, dem Hotel du Barrage de la Grande Dixence und dem Hotel Hermitage in Evolène auch das Hotel Les Mélèzes in Les Haudères, die Anako Lodge in La Forclaz, das Hotel Aiguille de la Tza und das Hotel du Pigne in Arolla. «Parallel dazu haben wir von der Evolène Région Tourisme zwei Elektroautos gekauft, die wir Besuchern anbieten, egal ob sie in unserem Gebiet im Hotel, auf dem Campingplatz, in einer Ferienwohnung oder in einer Zweitresidenz unterkommen.»
Neun Citroën und ein Mercedes
Gesamthaft verfügt die Region über zehn Fahrzeuge. «Neben dem Hotel Les Mélèzes in Les Haudères mit einem Mercedes haben sich alle anderen einen elektrischen Citroën angeschafft. Die Region konnte einen Partnervertrag mit Citroën unterschreiben. Die Flotte besteht jetzt hauptsächlich aus C-Zéro.» Dieser Citroën bietet bekanntlich vier Plätze und verfügt über eine Reichweite von etwa 120 km. «Das System ist bei allen Hotels das gleiche», erläutert Michael Moret. «Wir setzen auf ‹Pay what you want›» (Anm. d. Red.: Sie entscheiden, wie viel Sie zahlen). Die Kunde entscheiden nach der Fahrt also selbst, was ihnen die Miete Wert war, es gibt keinen festen Mietbetrag. Im Durchschnitt werden die Elektroautos zwei- bis dreimal pro Woche gemietet. Die Initiative hat keine Profitziele.
Die überragende Absicht ist, unseren Besuchern eine weitere Dienstleistung zu bieten, aber auch, den Tourismus in der ganzen Region zu fördern. Finanziell ist das Projekt quasi neutral, und die Leute reagieren äusserst positiv auf das «Pay what you want». «Der Mietvorgang ist sehr einfach. Der Interessent muss über einen gültigen Führerausweis verfügen, eine Gästekarte für die Region vorweisen und eine Kreditkarte für die Kaution hinterlegen. Die Reservation erfolgt mindestens 24 Stunden im Voraus.»
In den Bergen besonders daheim
Wenn es eine Geografie gibt, in der die Elektromobilität besonders viel Sinn macht, dann sind das die Berggebiete. Die normalerweise in Hitze vergeudete Reibungsenergie beim Bremsen während der Talfahrt kann beim Batterie-elektrischen Auto über den (als Generator wirkenden) Elektromotor zurückgewonnen und in die Akkus geleitet werden. Die Energie steht dann für die Bergfahrt «gratis» bereit. «Das Prinzip der Energierückgewinnung funktioniert bei uns wirklich gut», freut sich Michael Moret. «Wenn die Kunden das Auto übernehmen, sind die Batterien normalerweise bei 80 Prozent und werden während der Fahrt ins Tal voll aufgeladen. Man kann mit dem Citroën leicht zwei- oder dreimal das ganze Tal befahren, bevor die Akkus wieder geladen werden müssen. Vorerst bieten wir noch keine organisierten Ausflüge an, aber wir sind daran, eine Karte des ganzen Tals zusammenzustellen, mit den verschiedenen Attraktionen und der Umrechnung der elektrischen Reichweite.»
Anders als Zermatt
All dem Elektro-Goodwill zum Trotz, hat die Region keine Absicht, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zu verbannen. «Wir überlegen uns, ob wir bestimmte Strassenstücke sperren sollten, vor allem die Strecke nach Evolène. Wir würden es auf dieser Strecke gerne sehen, dass kein Individualverkehr mehr fahren würde, auch keine Elektroautos. Aber die ganze Region abzusperren, wie das Zermatt oder Saas-Fee tun, das wollen wir nicht, das ist nicht möglich.»
«Das Projekt expandiert inzwischen im Val d‚Hérens mit weiteren Partnern. Als nächsten Schritt versuchen wir, auch andere Bergstationen und andere Täler an Bord zu holen und die Initiative überregional auszubauen. Derzeit hat ein Tal im Zentralwallis und ein weiteres im Oberwallis Interesse bekundet.»
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